Tanklager Farge: Ein Kampf gegen chemische Gifte und politische Verharmlosung
Unsere großen Parteien beklagen gern die Politikverdrossenheit der Bürger, für die sie die Ursachen gern bei den Wählern sehen, die nicht zur Urne gehen. Da kann sie nicht einmal der rasante Aufstieg einer Partei aufschrecken, die gar kein Programm hat, wie das gesamte Politikestablishment aus Politikern, Politologen und politischen Journalisten einhellig feststellte. Dabei übersieht man gern, dass die Piraten zumindest eine thematische Forderung erheben, die anscheinend bei vielen wahlmüden Mitbürgern elektrisierend wirkt: Sie lautet schlicht und einfach: Mehr Transparenz!
Wie unser politisches System tatsächlich mit ein bisschen Politikdesinteresse für die verantwortlichen Gremien ganz angenehm funktionieren kann, lässt sich aktuell am Tanklager Farge erleben, wo die Vertreter von Bürgerschaft und Umweltbehörde den betroffenen Bürgern zunächst eine umfassende Aufklärung vorenthalten wollten. Und dabei handelt es sich nicht um eine akademische Rechtsfrage, sondern ganz existentiell um die möglicherweise bedrohte Gesundheit der Anwohner dieses Tanklagers.
Erst ein Zusammenwirken von Medien und besorgten Bürgern konnten hier die zuständigen politischen Gremien aus ihrer Problemverdrossenheit aufrütteln, die sich auf ein weit zürückliegendes Ereignis in den Wirren des letzten Krieges berufen konnten und angeblich keine Panik auslösen wollten.
Dieser Kampf von Bürgerinnen und Bürgern gegen chemische Gifte und politische Verharmlosung verdient daher nicht nur eine chronologische Nachzeichnung. Er kann auch exemplarisch zeigen, wie verdrossene Betroffene die gewählten Gremien und die Verwaltung zum notwendigen Handeln bewegen können.
Quelle: M. Tegge: www.relikte.com
Quelle: M. Tegge: www.relikte.com
Nur das Grundwasser ist ein Problem
Bis 2009 war das Tanklager Farge für die Anwohner nur ein militärischer Sperrbereich, über den sie wenig wussten. Ursprünglich war es in der Nazi-Zeit zwischen 1935 und 1943 gebaut worden und dann nach Kriegsende zunächst vor der US-Army und später der Bundeswehr übernommen worden.
Das änderte sich im Mai 2009, als die Bewohner einiger Straßenzüge zwischen dem Tanklager und der Weser Post von der Umweltbehörde in Bremen erhielten. Darin wurde ihnen in einer trockenen Amtssprache mitgeteilt, dass die Umweltbehörde in den Jahren 2007 und 2008 Grundwasseruntersuchungen im Bereich des Tanklager Farge hatte durchführen lassen. Dabei war in „Teilen von Farge und Rönnebeck“ eine Verunreinigung „durch BTEX (leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe)“ festgestellt worden.
Dann folgten, ohne dass die Leser einen Hinweis auf den Anlass dieser Untersuchungen erhalten hatten, ein Hinweis und eine behördliche Empfehlung. So „kann die Benutzung von BTEX-belastetem Grundwasser zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen“, wobei es „bislang leider“ keine wissenschaftlich belegten Grenzwerte für eine genauere Gefährdungsabschätzung gibt.
Anschließend folgte eine „vorsorgliche Empfehlung“, die neben der Umweltbehörde auch durch das Gesundheitsamt erfolgte. Danach sollte „Wasser aus Gartenbrunnen bis auf weiteres nicht mehr zum Spielen, Befüllen von Planschbecken und als Gießwasser“ benutzt werden.
Diese reinen Vorsorge schien jedoch einen durchaus ernsten Hintergrund zu haben, denn nur bei ihrer Beachtung waren für den Briefschreiber „gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen.“
Auf der zweiten Seite konnte sich der Leser dann langsam an die Gefahren gewöhnen, denn BTEX, das über die Atemluft etwas beim Verdunsten des Wassers beim Rasensprengen oder durch die Haut beim Planschen aufgenommen werden kann, konnte eine Reihe unangenehmer Wirkungen haben: Reizen der Augen, Haut und Atemwege, Schwindel und Kopfschmerz. Also alles Dinge, über die man im Alltagsleben nicht allzu dramatisch sieht. Doch dann folgten die härteren Wirkungen: „Schädigungen der Nieren“ und als Schlusssatz dieser Aufzählung: „Benzol gilt darüber hinaus als krebserregend.“
Am Ende des Briefes wurden die Leser noch über die Maßnahmen der Umweltbehörde informiert, deren Untersuchungen 2007 eine Grundwasserverunreinigung im südlichen Teil des Tanklager und 2008 eine Ausbreitung der Schadstofffahne bis ins angrenzende Wohngebiet ergeben hatte. Auch weiterhin wollte das Umweltamt nicht untätig sein. Eine „Sofortmaßnahme zur Grundwassersanierung“ war bereits veranlasst und die senatorische Behörde versprach den Betroffenen, eine Information, falls es Änderungen bei der Beurteilung der Situation geben sollte.
Die Linke prescht vor
Eine solche Information gab es nicht, sodass man das verunreinigte Grundwasser in dem betroffenen Gebiet wenn nicht ganz vergessen, so doch wenigstens als ständige Bedrohung verdrängen konnte.
Dann berichtete am 31. Oktober 2012 das lokale Wochenblatt BLV von einem Team des NDR, das vor wenigen in Rönnebeck angerückt war, um das Grundwasser in einigen Gärten zu testen. Dabei konnte die Autorin des Artikels sogar selbst den Benzingeruch wahrnehmen.
Diese Aktivitäten dürfte die Linke zu einer Anfrage veranlasst haben, die sie am 2. November 2012 im Ortsbeirat Blumenthal stellte und an den Umweltsenator richtete. Gewünscht wurde darin eine Reihe von Auskünften zur aktuellen Situation der Grundwasserbelastung, so nach weiteren Informationen für die betroffenen Bürger einschließlich der in der Zwischenzeit zugezognen Neubürger, über die Zahl und das Ergebnis der Grundwasseranalysen, eine Entschädigung der Grundeigentümer und über eine mögliche Gefährdung des Trinkwassers durch die diversen Verunreinigungen des Grundwassers.
Wenige Tage stellte die Linke am 6.November dann in der Stadtbürgerschaft einen Antrag „Grundwasser Vergiftung beim Tanklager Farge aufklären – Sanierung beschleunigen“.
Darin gingen die Autoren in der Begründung zunächst auf die Grundwasseruntersuchungen von 2007 ein, als „massive Kontaminationen mit BTEX (Kohlenwasserstoffe Benzol, Tuluol, Ethylbenzol und Xylol) und MTBE (Methylertiär-Butylether) festgestellt wurden.“
Für die Linke war daher zu wenig für die Aufklärung der Anwohner und vor allem die Beseitigung der Gefahren getan worden, sodass sie eine Reihe von Fragen beantwortet wissen wollte. Das galt für eine ausschließliche Verursachung durch „Vorfälle von vor über 60 Jahren“ und das Fehlen einer systematischen Erforschung der Ursachen nach der „eher zufälligen Entdeckung der Vergiftung im Jahr 2007“.
Erklärungsbedürftig fand die Linke auch die eher sporadische Information der Anwohner durch nur einen Brief in drei Jahren, vor allem jedoch den geringen Umfang der Sanierungsmaßnahmen, für die ein Zeitraum von 10 Jahren veranschlagt ist.
Daher sah der Antrag vor, dass Senat, Bund und Bundeswehr unverzüglich eine umfangreiche und systematische Erforschung der Ursachen der Grundwasservergiftung durch den Betrieb des Tanklagers Farge“ einleiten sollten.
Außerdem forderte man vom Senat Vorschläge für eine raschere Beseitigung der Grundwasser- und Bodenkontaminationen und die Verhinderung einer Nutzung des Tanklager nach dem 31. Mai 2013.
Auch hatte die Linke in ihrem Antrag die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Tanklager nicht vergessen, für die man eine Beschäftigung bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen vorschlug.
Panorama schreckt auf
Nachdem das lokale Wochenblatt mit seinem Vorbericht für Spannung gesorgt hatte, konnte das Panorama-Magazin mit seinem Bericht „Umweltskandal: Vertuschung in Bremen?“ noch mit einer richtigen Enthüllung überraschen, die das Bremer Umweltamt nicht gerade gut aussehen ließ, das mit seiner Legende von der Grundwasserverschmutzung als alter Kriegsfolge ruhig gelebt hatte.
Nachdem sich die Journalisten zunächst von einem Amtsvertreter nochmals diesen Entstehungsmythios hatten schildern lassen, folgte die Konfrontation mit der recherchierten Realität. So berichtete ein Altlastengutachter: „Wir finden Benzin mit MTBE. Das heißt, die Verunreinigung…rührt von einer Kontamination her, die irgendwann seit den 80er Jahren stattgefunden hat und nicht vorher. Weil MTBE als Bestandteil von Benzin wird erst seit den 80er Jahren eingesetzt.“
Unter dem Eindruck dieser Fakten gestand die Bremer Umweltbehörde erstmals öffentlich ein, wie Panorma 3 berichtete, dass der Schaden nach 1985 eingetreten sein muss.
Die Staatsrätin kündigte daher zwar eine Ursachenforschung für die Zukunft an, hielt die bisherige Informationspolitik ihrer Behörde jedoch für untadelig an.
Das sahen jedoch die Oppositionsparteien CDU und Linke anders, und auch der Weser-Kurier griff diese neue Situationsdiagnose auf und schilderte die Auswirkungen der Grundwasserbelastung aus den Gärten vor Ort.
Ein Flyer für Neubürger reicht
Eine Woche nach der Panorama-Sendung stand der Antrag der Linken am 22. November auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. In der Zwischenzeit war er durch Anträge der anderen Fraktionen ergänzt worden. So hatten einerseits die CDU- und andererseits gemeinsam die SPD- und Grünen-Fraktion Anträge gestellt, die sich in ihren Überschriften verbal nur wenig, in ihrer Zielsetzung jedoch deutlich unterschieden. So stand einem „Anwohner in Farge über Grundwasserverunreinigungen besser aufklären!“ der Oppostion ein „Grundwasservergiftung durch das Tanklager Farge: Sanierung fortsetzen und abschließen“ er Regierung gegenüber. Die einen wollten also „besser aufklären“, die anderen hingegen „fortsetzen und abschließen.
Bei den Mehrheitsverhältnissen war der Ausgang der parlamentarischen Behandlung vorbestellt. Als greifbares Ergebnis der Debatte kündigte der Umweltsenator, dass Farger Neubürger künftig durch einen Flyer über die Gefahren bei einer Verwendung des Brunnenwassers informiert werden sollen.
Radio Bremen fasste die Bürgerschaftssitzung unter dem Titel „Berichte über belastetes Grundwasser zurückgewiesen“ zusammen.Danach hatte die Bremer Umweltbehörde die Kritik an ihren Informationen über belastetes Grundwasser in den Bremer Ortsteilen Farge und Rönnebeck zurückgewiesen, da sie angeblich bereits im vergangenen Jahr in einem ausführlichen Bericht an die Umweltdeputation auf die Verunreinigungen des Grundwassers hingewiesen habe. Darin habe die Bremer Behörde entgegen den Recherchen des Fernsehmagazins "Panorama 3" „nicht ausgeschlossen, dass auch nach 1980 giftige Stoffe in den Boden gelangt sein können.“
Das mag zwar die Fernsehzuschauer in Erstaunen versetzt habe, die die Panorama-Sendung und darin die Ausführungen eines Vertreters der Umweltbehörde verfolgt hatten, aber die Mehrheit hat es so „beschlossen“.
Die Linke harkt nach
Damit schien die Sache entschieden zu sein. Die Mehrheit hatte sich nach dem üblichen Ritual in der Bürgerschaft durchgesetzt und die Kritik an der Umweltbehörde zurückgewiesen.
Nur die Linke ließ sich nicht entmutigen, da sie mit derartigen Abstimmungsniederlagen nicht unerfahren ist, sondern stellte im Ortsbeirat Blumenthal am 26 November drei neue Anträge.
So sollte der Beirat Blumenthal vom Senat die Überlassung „sämtlicher neuen Erkenntnisse“ über die Grundwasserverseuchungen anfordern, vom Umweltsenator eine „umgehende“ Untersuchung der „oberen Erdschichten sowie der Luft über dem Boden auf Schadstoffe“ verlangen sowie von den senatorischen Behörden Auskünfte über eine mögliche Entschädigung der Grundeigentümer für mögliche Wertverluste einholen.
Diese Anfrage wurden im Beirat am 10. Dezember mit 6-Nein-Stimmen bei 4 Ja-Stimmen abgelehnt. Damit schienen sich die rotgrüne Mehrheit und der Umweltsenator durchgesetzt zu haben, als sie sich eine gutes Handlung der Tanklagerangelegenheit attestiert hatten.
Eine besorgte Anwohnerin stellt Fragen
Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Bremen bietet seinen Bürgern eine besondere Form der Beteiligung: Jede EinwohnerIn ab 14 Jahren hat nach § 6 Abs. 4 des Beirätegesetzes das Recht, einen Bürgerantrag an den Beirat zu stellen, über den dann innerhalb sechs Wochen zu beraten ist und über das Beratungsergebnis der Antragsteller/ die Antragstellerin anschließend schriftlich informiert wird.
(Kohl-Fragen)
Anträge und Fragen lassen sich sogar sehr komfortabel per Kontaktformular an den Beirat/Ortsamt Blumenthal stellen. Diesen kleinen Schritt machte am 1. Dezember eine besorgte Bürgerin aus einem Wohngebiet, das unweit des Tanklagers liegt.
Dabei wollte sie über die Beiratssitzung am 10.12. von den zuständigen Stellen Bremens vor allem das erfahren, was den Bürgern bisher vorenthalten wurde: umfassende Informationen und Transparenz bei den Untersuchungen, da sich offensichtlich unwissend gehaltene Betroffene üblicherweise besonders viele Sorgen um ihre Gesundheit machen müssen.
“Als Einwohnerin Rönnebecks möchte ich nicht nur regelmäßig an die Grundwasserbelastung durch das Tanklager Farge erinnert werden, wie es die Bürgerschaft kürzlich beschlossen hat. Vielmehr bin ich wegen möglicher schädlicher Auswirkungen sehr besorgt und möchte Sie daher um die Beantwortung folgender Fragen bitten:
1. Akute Leckage
Sickern auch gegenwärtig noch Umweltgifte wie Benzol durch die Tanks und Rohrleitungen des Tanklagers Farge in den Boden? Wenn ja, was wird unternommen, um die Leckage unverzüglich zu schließen?
2. Kontaminiertes Gebiet
Mit Hilfe welcher Annahmen und Messungen wurde das kontaminierte Gebiet abgegrenzt? Findet dabei eine Aktualisierung statt? Wo sind die entsprechenden Kartierungen und Daten ausgelegt?
3. Maßnahmen- und Zeitplan
Liegt für die Beseitigung der Umweltbelastungen ein konkreter Maßnahmen- und Zeitplan vor, dessen Einhaltung stetig überprüft wird? Wenn ja, wo sind diese Unterlagen einsehbar?
4. Gesundheitsgefährdung
Wurde empirisch geprüft, ob durch die Bodenverunreinigung ein erhöhtes Krankheitsrisiko z.B. bei Umwelterkrankungen wie MCS oder bei Krebs besteht? Wenn ja, was wird für die Unterstützung der Kranken unternommen?
5. Belastung der Bodenluft
Wurde untersucht, ob die Belastung des Grundwassers durch einen diffusiven Übergang der Schadstoffe wie Benzol zu erhöhten Konzentrationen in der Bodenluft führt? Wenn ja, wo können die Messergebnisse eingesehen werden?
6. Belastung der Innenraumluft
Wurde ermittelt, ob die Grundwasserbelastung über die Bodenluft zu erhöhten Schadstoffkonzentrationen in der Innenraumluft etwa von Kellern und Souterrainwohnungen geführt hat? Wenn ja, was wurde zur Sanierung der Räume unternommen?
7. Auswirkung auf die Immobilienpreise
Wurde der Frage nachgegangen, ob die Immobilienpreise wegen der Umweltbelastung in dem betroffenen Areal gesunken sind? Wenn ja, wie können die Eigentümer eine Entschädigung erhalten?“
Damit war ein Fragekatalog formuliert, der nicht nur einige Aspekte aufnahm, die die Linke bereits zuvor angesprochen hatte. Vielmehr wurden auch deutlich neue Akzente gesetzt, durch die die besorgten Bürger einen Einblick in die Untersuchungsergebnisse anstrebten. Das war besonders verständlich, da man sie zuvor nur scheibchenweise und gefiltert informiert hatte. Das galt etwa für die Abgrenzung des betroffenen Gebietes und eine mögliche Diffusion der Gifte in die Luft, was ein Krankheitsrisiko durch das belastete Grundwasser deutlich erhöhen würde. Daher war die Analyse von gesundheitlichen Auswirkungen, wie sie eine kleinräumliche Auswertung des Krebsregisters als Einstieg ermöglicht, eine zentrale Forderung.
Bürger stellen weitere Fragen und einen Bürgerantrag
Wenige Tage später stellten Anwohner aus der Nähe des Tanklagers einen weiteren Antrag, der vor allem eine monatliche Grundwasseruntersuchung durch die zuständigen Behörden forderte, deren Ergebnisse regelmäßig zu veröffentlichen wären.
Zudem sollte der Beirat eine „vollständige Aufklärung dieses Umweltskandals“ vorantreiben. Diese Forderung bezog sich vor allem auf den Zustand der technischen Anlagen und die Aufzeichnungen aller Stör- und Unfälle während der letzten 10-30 Jahre.
Auch sollte sich der Blumenthaler Beirat darüber informieren, „ob eine weitere Betriebsgenehmigung für das Tanklager Farge, unter dem Aspekt der Gefährdung der Anwohner in unmittelbarer Nähe, sowie mit dem Wissen der nicht auszuschließenden Möglichkeit weiterer Kontaminationen mit Giftstoffen im Bereich des Wasserschutzgebietes, zu verantworten ist.“
Schließlich sollte sich der Beirat dafür einsetzen, dass die erforderlichen Mittel für die „vollständige Sanierung“ von Grund und Boden bereitgestellt werden sowie die „Entgiftung des Grundwassers zeitnah erfolgen“ kann.
Wenige Tage später stand das Tanklager gleich unter zwei Aspekten auf der Tagesordnung des Blumenthaler Beirats. Einerseits musste zu den Bürgeranträgen Stellung genommen werden und andererseits gab es eine Präsentation von Vertretern des Umwelt- und des Gesundheitsamtes. |
Relativ schnell hatte man die Bürgerfragen abgehandelt, denn der Beirat erklärte rasch die Anträge unterstützen zu wollen und erbat sogar Kopien der schriftlichen Antwort nicht nur für die Antragstellerin, sondern auch für die Beiratsmitglieder. Die konkrete Behandlung wurde danach einmütig vertagt.
In seiner Präsentation setzte der Referent die Beschwichtigungsstrategie seines Senators fort, nachdem er eingangs die „ernsthafte Sicht auf die Lage vor Ort zum Tanklager“ in seiner Behörde betont hatte. Anschließend stellte er sehr detailliert und ausführlich die Vorgehensweise vor, die insgesamt 120 Verdachtsflächen drei Prioritätsstufen zugeordnet hat.
Die Verunreinigungen wurden nach seinen Worten erstmals in den Jahren 1990 / 2000 festgestellt, als man eine neue Tankwagen-Befüll-Anlage installierte. Als Ursache nahm man einen im Jahr 1974 ermittelten Leitungsschaden an.
Nachdem im Rahmen des Grundwassermonitorings beim Verladebahnhofs II eine hohe Belastung mit BTXE ergeben hatte, hat das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Schwanewede (BwDLZ) auf Veranlassung des Umweltsenators seit 2007 in mehreren Schritten zur Altlastensituation im Bereich der Tanklager Farge durchgeführt. Dabei haben die ersten Untersuchungen in den Jahren 2008/9 im Bereich des Verladebahnhofs II eine „massive Grundwasserverunreinigung“ ergeben, die „sich über die Liegenschaftsgrenze hinaus bis in angrenzende Gebiete der Ortsteile Farge und Rönnebeck erstreckt.“
Aufgrund dieser Messwerte erfolgte der Versand der Bürgerinformation Anfang Mai 2009. Anfang 2010 wurde diese Abgrenzung des Bereichs durch die Ergebnisse von „weitergehender Erkundungsschritten“ bestätigt, ohne dass der Referent näher auf die angewandte Methodik einging.
Im Juli 2010 begann auch die Grundwassersanierung im Bereich des Verladebahnhofs II durch fünf Entnahmebrunnen, wobei eine Ende dieser Maßnahme „noch nicht abzusehen“ ist.
Die Umweltbehörde veranlasste bisher keine Untersuchung auf MTBE, da die Bundeswehr „nie“ mit diesem Stoff umgegangen ist. Allerdings hat ein weiterer Betreiber dort bleifreies Benzin gelagert. Dabei wurden 1986/7 defekte Gleiswannen festgestellt worden. Anschließend erfolgte jedoch ein Austausch und seit 1990 sind keine Vergaserkraftstoffe mehr verladen worden.
Panorama legt nach
Die Kritik in der Bürgerschaftssitzung ließ die Panorama 3-Redaktion nicht unbeantwortet. In einem Anschlussbericht am 11. Dezember mit dem Titel „Vergiftetes Wasser. Geheimniskrämerei der Stadt Bremen“ verglich man vielmehr die Reaktion des Umweltsenator mit der des Bürgermeisters der ebenfalls betroffenen niedersächsischen Gemeinde Schwanewede.
Dabei fragten die Fernsehjournalisten nach den Gründen für ein Desinteresse des Umweltsenators an den Ursachen der Umweltvergiftung. Ihrer Meinung liegen sie bei der weiteren Nutzung, denn Bremen geht hier davon aus, dass „wir einen Betreiber haben mit einem Rechtsanspruch auf Fortbestand seiner Genehmigung“. Daher betreibt das rotgrün regierte Bremen viel Geheimniskrämerei um das belastete Grundwasser, damit es nicht zu einem harten Konflikt zwischen einem anscheinend bestehenden Rechtsanspruch des Betreibers und den legitimen Sorgen der betroffenen Bürger kommt.
Das sieht in Schwanewede offensichtlich anders aus. Dort will man dem Verkauf und dem „Weiterbetrieb des Tanklagers auf keinen Fall bedingungslos zustimmen“, während Bremen „einfach weitermachen“ möchte.
Ein runder Tisch schafft eine neue Situation
Nachdem die Beiratssitzung für viele Beteiligte enttäuschend verlaufen war, wurde zwei Tage später – also am 12. Dezember - zu einer Diskussionsrunde beim BLV eingeladen, zu der sich jeweils ein Beiratsmitglied von SPD, CDU, Grünen, BiW und Linken, der Ortsamtsleiter und betroffene Anwohner trafen. Anschließend berichtete das Wochenblatt über diese Diskussion unter dem Titel „Krebsfälle lösen Betroffenheit aus“.
Danach hat offensichtlich der unmittelbare Kontakt zwischen den Politikern und den Betroffenen zu einem größeren Verständnis für die Sorgen wegen des Tanklagers geführt.
Vielleicht konnte auch die besondere Gruppendynamik dazu beitragen, da sich in diesem Kreis niemand allein aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Beirat durchsetzen konnte. Vielmehr zählten Argumente und eigene Erfahrungen, von denen sogar ein Beiratsmitglied berichtete, das selbst einen Benzingeruch des Grundwasser festgestellt hatte.
Die Bremer CDU fordert mehr Aufklärung
Neben der Forderung nach einer deutlich umfassenderen Information greift die CDU auch zwei weitre Gesichtspunkte auf, die bereits die besorgte Bürgerin aus Rönnebeck angesprochen hatte. So verlangten die Christdemokraten eine Studie, „die Aufschluss darüber geben soll, ob durch die Gifte im Grundwasser mehr Menschen in Farge an Krebs erkranken“ und Auskünfte darüber „ob es in dem betroffenen Gebiet durch die Bodenluft eine erhöhte Schadstoffkonzentration in Kellern und in Souterrainwohnungen gibt.“
Wenn man den Text liest, kann man sogar wortwörtlich erkennen, wie bürgernah die CDU ist, da sogar ein Begriffe wie „Souterrainwohnungen“ übernommen wird.
Eine Bürgerinitiative wird gegründet
Wie bereits beim Gespräch am Runden Tisch angekündigt wurde, erfolgte am 21.12. die Gründung der „Bürgerinitiative zur Erhaltung des Wasserschutzgebietes Blumenthal und Aufklärung der Verseuchung von Grund, Wasser und Boden durch das Tanklager Farge“, die am 9. Januar im BLV den Lesern im Stadtteil Blumenthal vorgestellt wurde. Dabei verwies man als inhaltliche Ausrichtung auf die beiden Bürgeranträge zur Beiratssitzung am und bat interessierte Bürger um die Mitarbeit. Weitere Informationen erfolgen über einen Leserbrief, in dem nochmals mit Nachdruck auf die hohe Schadstoffbelastung hingewiesen wurde.Die Linke harkt im Ortsbeirat nach
Zeitlich parallel zu diesen Aktivitäten stellte die Linke Ende des Jahres 2012 zwei weitere konkrete Anträge im Ortsbeirat, und zwar für einen Lokaltermin im Tanklager für alle
Beiratsmitglieder und sachkundigen Bürger sowie wegen der genauen Umständen eines Rohrleitungsunfall im Jahr 2005. Da die ins Grundwasser eingedrungenen Stoffe nicht eindeutig bestimmt sind, wurde gezielt nach dem „Treibstoff“ bzw. der „Art von Flüssigkeit“ gefragt, die damals freigesetzt wurde.
Auch die großen Parteien sehen gefährliche Umweltbelastungen
Vor der Beiratssitzung in der zweiten Januarwoche des neuen Jahres sahen auch die Parteien der rotgrünen Mehrheit einen Bedarf an weiteren Informationen. So veröffentlichten die Grünen den Leserbrief der Tanklager-Bürgerinitiative auf ihrer Webseite und die SPD als Mehrheitsfraktion im Blumenthaler Ortsbeirat stellte Anträge, an die nach der ersten Beratung in der Stadtbürgerschaft nicht zu denken gewesen wäre. Allerdings brauchte man dazu zwei Schritte, denn die ersten Versionen wurden kurz vor der Beiratsitzung am 9. Januar noch geändert. Dabei verwandelte sich dann beispielsweise eine bloße Frage in einen förmlichen Antrag.
So sollte jetzt der Blumentaler Beirat vom Umweltsenator fordern, „sämtliche bisher vorliegenden Erkenntnisse zur Kontamination von Boden und Grundwasser in Farge und Rönnebeck dem Beirat und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Dabei wurden ausdrücklich auch alle Informationen über „Unfälle und Havarien“ sowie Daten der Bundeswehr und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ einbezogen.
Auch sollte für alle Mitglieder des Beirates, interessierte sachkundige Bürger und die Sprecher/innen der jüngst gegründeten Bürgerinitiative eine Besichtigung des Tanklager organisiert werden.
Nicht einmal die Interessen der Grundbesitzer wurden vergessen, denen zuvor noch die Umweltbehörde empfohlen hatte, sich vor Gerichten mit der Bundeswehr auseinander zu setzen, und die man juristisch belehrt hatte, dass das Grundwasser nicht zum Grundstück gehöre.
Alle drei Anträge wurden dann in der Beiratssitzung am angenommen. Und das nicht ohne Emotionen; denn der Beiratssprecher kritisierte die Umweltbehörde als in ihrer Vorgehensweise „naiv“, sprach von „Legendenbildung“ und mahnte: „Wenn der erste Krebspatient auftaucht, dann wird es noch schlimmer“.
Nicht nur die Politiker hatten jetzt offensichtlich eine schärfere Brille aufgesetzt, sondern auch der Vertreter der Umweltbehörde, der jetzt einräumte: „Minimal“ könnten tatsächlich Schadstoffe vom Grundwasser in die Luft gelangt sein und deshalb eine Gesundheitsgefährdung „jedenfalls nicht kategorisch“ ausschließen wollte.
Antworten oder weiterhin offene Fragen?
Mit ein wenig bürokratischer Verspätung trafen am 7.
Februar 2013 die Antworten des Umweltsenators zu den Bürgerinnenfragen vom
1.12.2012 ein. Die Bearbeitungsdauer kann kaum an besonders differenzierten und
detaillierten Angaben gelegen haben, aber vielleicht war die Abstimmung mit dem
Gewerbeaufsichtsamt, dem Gesundheitsamt und dem Bereich VawS (Verordnung über
Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) dafür verantwortlich.
Sehr geehrte Damen und Herren, ….
zu den Fragen von Frau K. nehme ich wie folgt Stellung:
1. Akute Leckage
Sickern auch gegenwärtig noch Umweltgifte wie Benzol durch
die Tanks und Rohrleitungen des Tanklagers Farge in den Boden? Wenn ja, was
wird unternommen, um die Leckage unverzüglich zu schließen?
Antwort zu 1.
Hierzu nimmt das Gewerbeaufsichtsamt des Landes Bremen
wie folgt Stellung:
Mit großer Sicherheit sickern keine Gefahrstoffe mehr in
den Boden. Alle erforderlichen Prüfungen sind mit gutem Ergebnis absolviert
worden.
Der Bereich VAwS aus meinem Hause nimmt wie folgt
Stellung:
Die Anlagen werden auf der Grundlage der Verordnung über
Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) regelmäßig alle 5
Jahre (außerhalb von Wasserschutzgebieten) bzw. 2 ½ Jahre (innerhalb von
Wasserschutzgebieten) durch einen unabhängigen Sachverständigen geprüft. Bei
diesen Prüfungen wurden in den letzten 10 Jahren keine sicherheitserheblichen
Mängel festgestellt. Die festgestellten geringfügigen Mängel wurden jeweils
umgehend behoben.
2. Kontaminiertes
Gebiet
Mit
Hilfe welcher Annahmen und Messungen wurde das Kontaminierte Gebiet abgegrenzt?
Findet dabei eine Aktualisierung statt? Wo sind die entsprechenden Kartierungen
und Daten ausgelegt?
Antwort
zu 2.
Im
Bereich der Grundwasserverunreinigung am Verladebahnhof II wurden die
Untersuchungen mit Grundwassermessstellen (Brunnen) und mittels
Direct-Push-Sondierungen durchgeführt. Bei dem Direct-Push-Verfahren handelt es
sich um eine
gezielte Entnahme von tiefenorientierten Grundwasserproben direkt aus der
Sondierbohrung, ohne Anlage eines Brunnens.
Zurzeit
werden weitere Untersuchungen im Bereich der Abstromfahne durchgeführt.
Außerdem werden die Grundwassermessstellen in regelmäßigen Abständen beprobt
und analysiert.
Die
Unterlagen können beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Referat 24
Bodenschutz | Altlasten nach vorheriger Anmeldung eingesehen werden.
3. Maßnahmen-
und Zeitplan
Liegt
für die Beseitigung der Umweltbelastungen ein konkreter Maßnahmen- und Zeitplan
vor, dessen Einhaltung stetig überprüft wird? Wenn ja, wo sind diese Unterlagen
einsehbar?
Antwort
zu 3.
Zurzeit
liegt ein Maßnahmenplan für die Sanierungsmaßnahme am Verladebahnhof II vor.
Diese ist vorerst solange zu betreiben, bis die Sanierungszielwerte gemäß
Anordnung vom 17.05.2010 erreicht worden sind. Die zeitliche Entwicklung wird
daher durch den tatsächlichen Sanierungsfortschritt bestimmt. Die Sanierung
wird durch regelmäßige Überwachung (Beprobung und Analytik) durch einen
Sachverständigen begleitet. Die Ergebnisse sind der Behörde vorzulegen.
Die
Unterlagen können beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Referat 24
Bodenschutz | Altlasten nach vorheriger Anmeldung eingesehen werden.
4. Gesundheitsgefährdung
Wurde
empirisch geprüft, ob durch die Bodenverunreinigung ein erhöhtes
Krankheitsrisiko z.B. bei Umwelterkrankungen wie MCS oder bei Krebs besteht?
Wenn ja, was wird für die Unterstützung der Kranken unternommen?
Antwort zu 4.
Hierzu nimmt das Gesundheitsamt wie folgt Stellung:
Nein. Gegenwärtig liegen keine Erkenntnisse über
statistische Auffälligkeiten vor. Vorsorglich wurde das Bremer Krebsregister
gebeten, zur Frage nach möglichen gehäuften Krebserkrankungen im Stadtteil
Stellung zu nehmen. Unabhängig davon wird das Gefährdungspotential durch die
frühere Nutzung verunreinigten Grundwassers aufgrund der geringen Exposition
und vor dem Hintergrund sonstiger möglicher Wirkfaktoren insgesamt als zu
gering eingeschätzt um einen signifikanten Zusammenhang empirisch belegen zu
können. Aktuell kann ein mögliches Risiko wirksam ausgeschlossen werden, wenn
empfehlungsgemäß das verunreinigte Grundwasser nicht genutzt wird.
5. Belastung der Bodenluft
Wurde untersucht, ob die Belastungen des Grundwassers
durch einen diffusiven Übergang der Schadstoffe wie Benzol zu erhöhten
Konzentrationen in der Bodenluft führt? Wenn ja, wo können die Messergebnisse
eingesehen werden?
6. Belastung der Innenraumluft
Wurde ermittelt, ob die Grundwasserbelastung über die
Bodenluft zu erhöhten
Schadstoffkonzentrationen in der Innenraumluft etwa von
Kellern und
Souterrainwohnungen geführt hat? Wenn ja, was wurde zur
Sanierung der
Räume unternommen?
Antwort zu 5. und 6.
Nein. Es liegen zurzeit keine Messdaten aus Innenräumen
und aus der Bodenluft im Verbreitungsgebiet der Grundwasserverunreinigung vor.
Eine abschließend belegte Beurteilung dieses denkbaren Risikopfades ist daher
nicht möglich. Die Risikoabschätzung unter Anwendung von Literaturangaben zum
Schadstoffübergang Grundwasser – Bodenluft und Bodenluft – Innenraumluft führt
zu dem Schluss, dass unter den gegebenen Randbedingungen eine mögliche
Gefährdung unwahrscheinlich ist, aber nicht mit absoluter Sicherheit für den
ungünstigsten Fall ausgeschlossen werden kann. Zur weiteren Klärung dieser
Frage soll eine Bodenluftbeprobung über besonders stark belasteten Bereichen
der Schadstofffahne erfolgen. Bei der Auswahl eines geeigneten Bereiches sind
auch die Ergebnisse der laufenden Grundwasseruntersuchungen zu berücksichtigen.
7. Auswirkung auf die Immobilienpreise
Wurde der Frage nachgegangen, ob die Immobilienpreise
wegen der
Umweltbelastung in dem betroffenen Areal gesunken sind?
Wenn ja, wie können die Eigentümer eine Entschädigung erhalten?
Antwort zu 7.
Nein. Dieser Frage wurde nicht nachgegangen. Eine
Grundlage für einen Anspruch gegenüber der Stadtgemeinde Bremen besteht nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
W.
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