Mittwoch, 16. Januar 2013

Kraftwerk Farge

Ein Kraftwerksdinosaurier in einem neuen Energiezeitalter


(Quelle: wikipedia)

Hintergrund: Das heutige Kraftwerk Farge nahm 1924 seinen Betrieb auf, um Strom für den norddeutschen Raum zwischen der Elbe und der holländischen Grenze zu produzieren. Nach einer Reihe von Erweiterungen wurde 1967 mit dem Bau eines neuen Kraftwerkblockes begonnen, der 1969 in Betrieb ging. Anschließend baute man das Altwerk ab. 

Heute betreibt die GDF-SUEZ das Kraftwerk, das bei einer Nettoleistung von 350 MW Nettoleistung jährlich mehr als 2,2 Milliarden Kilowattstunden Strom aus importierter Steinkohle erzeugt. Nach den Angaben des Unternehmens konnten durch den Einbau modernster Brenner- und Feuerungstechniken und einer dreistufigen Rauchgasreinigung die Emissionen in den letzten Jahren deutlich verringert werden.

Die Reststoffe aus der Kohleverbrennung werden in Baumaterialien umgewandelt, wobei der Transport wie bis vor Kurzem bei der Steinkohle über eine Schiffsverladestation an der Weser erfolgt. Zur Zwischenlagerung der Flugasche wurde 1999 ein Saisonsilo gebaut, um die Bauindustrie unabhängig von den Jahreszeiten beliefern zu können. Neben dem 150 m hohen Kamin ist dieses farbige Silo ein Erkennungszeichen des Kraftwerks. Ein Unternehmensfilm geht vor allem auf diese Umweltaspekte der Stromerzeugung in Farge ein.

Seit 2001 wird auch Klärschlamm aus der benachbarten Kläranlage im Kohlekessel verbrannt.


                                 Kraftwerk von der Weser aus gesehen

Anfang 2010 hat ein Anwohner die Umweltbelastungen durch das Kraftwerk problematisiert, der wegen der Kohlelagerung und der Aschedeponie Petitionen an die Bremische Bürgerschaft richtete. Außerdem stellte er zur Unterstützung seiner Petition einen Vergleich des Kraftwerks in Farge mit
dem hessischen Kraftwerk Staudinger Großkrotzenburg ins Netz. Daraus folgerte er, dass „das Problem Kohlelagerung in Kraftwerken in einem CDU/FDP regierten Bundesland für die Umwelt, für die Bürger und für die Bevölkerung optimaler gelöst wurde als vergleichsweise im SPD/Grüne/Bündnis90 geführten Bundesland Bremen“

Inzwischen ist bei diesem Kraftwerk nach der Stilllegung von zwei älteren Steinkohleblöcken Ende 2012 nur noch ein Steinkohleblock in Betrieb, der 1992 ans Netz gegangen ist.

Aktuell werden in Vegesack und Blumenthal Lärmbelastungen durch eine Umstellung der Logistik befürchtet, da aus Kostengründen das Kraftwerk ab April nicht mehr direkt von Frachtschiffen, sondern durch täglich vier Kohlezüge vom Jade-Weser-Port aus Wilhelmshaven beliefert werden soll.



                              Kraftwerk vom Fährhaus Farge aus gesehen

 
Umweltbelaster Kraftwerk Farge im Vergleich


                                       (Quelle: wikimedia)


Die Schadstoffbelastung durch das Kraftwerk Farge, das der Eigentümer, der französische Konzern GDF Suez, nach einem Bericht des Weser-Kuriers erst 2024 schließen will, lässt sich durch zwei Vergleiche veranschaulichen:Nach den vorgeschriebenen Unternehmensmeldungen ergibt sich für den Zeitraum 2001-2010 folgende Entwicklung:


Meldepflichtiger Schadstoffausstoß in kg/Jahr


Schadstoff
Schwellenwert
2001
2004
2010
Arsen
20,0
36,8
33,2
33,4
Chlor
10.000,0
29.400,0
26.500,0
36.500,0
Quecksilber
10,0
78,6
70,6
106,0
Stickoxide
110.000
1.070.000,0
956.000,0
697.000,0
Schwefeloxide
150.000
808.000,0
726.000,0
585.000,0

Danach konnte in Farge der Feinstoffaustausch so stark reduziert werden, dass er unter dem Schwellenwert liegt, der eine Meldepflicht zur Folge hat.

Angestiegen sind hingegen die Mengen an Chlor und Quecksilber.

                                Kraftwerk vom Parkplatz aus gesehen

Noch aufschlussreicher ist ein Vergleich mit dem Kraftwerk Staudinger, das e.on größtenteils erheblich früher stilllegen will und schon früher als Beispiel herangezogen wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Berichtsjahr 2010 beim hessischen Kraftwerk vier Steinkohleblöcke mit Nettoleistungen zwischen 249 MW und 510 MW sowie ein Erdgas/Heizöl-Block mit 622 MW, d.h. insgesamt damit 1.923 MW, in Betrieb waren, während der Vergleichswert für Farge nur 350 MW betrug.

Der Ausstoß an Kohlendioxid ist also weitgehend eine Folge der unterschiedlichen Leistung, die aus einer unterschiedlich großen Mengen an verbrannter Kohle resultiert.


Schadstoffausstoß der Kraftwerke Farge und Staudinger 2010 in kg/Jahr

Schadstoff
Schwellenwert
KW Staudinger
KW Farge
Kohlendioxid
100.000.000
4.480.000.000
1.560.000.000
Kohlenmonoxid
500.000
-
783.000
Stickoxide
100.000
2.770.000
497.000
Schwefeloxide
150.000
665.00
585.000
Feinstaub
50.000
69.900
-
Distickoxide
10.000
48.400
200.000
Methan
100.000
-
140.000
Fluor
5.000
20.300
-
Chlor
10.000
11.900
36.500
Ammoniak
10.000
-
11.500
Chrom
100
192
-
Nickel
50
131
57,4
Arsen
20
113
33,4
Quecksilber
10
45,6
106,0
Cadmium
10,0
19,1
-
 -: nicht meldepflichtig, da unter dem Schwellenwert; es bedeutet also nicht 0!


Wie diese Zahlen zeigen, kann man der Aussage des Kraftwerks Farge, dass es „konsequent auf Technologien“ gesetzt hat, „die helfen, die Umwelt wirksam zu entlasten“ nur teilweise zustimmen. Es konnten zwar vermutlich „durch den Einbau modernster Brenner- und Feuerungstechniken und einer dreistufigen Rauchgasreinigung“ „Reststoffe aus der Kohleverbrennung in hochwertige Baumaterialien umgewandelt“ werden, wie die Reduktion der Feinstaubmenge belegt.

Mehr als fraglich ist es jedoch, ob es sich tatsächlich um „alle anfallenden Reststoffe aus der Kohleverbrennung“ handelt, wie auf der Webseite behauptet wird. Die hohen Werte für Distickoxide, Chlor und Quecksilber stellen diese Aussage jedenfalls sehr deutlich infrage.

Noch fragwürdiger wird das ökologische Eigenlob, wenn man die unterschiedliche Leistung der beiden Kraftwerke berücksichtigt und die Zahlen für Farge mit dem Faktor 6 oder zumindest 3 multipliziert, wie es die MW-Zahlen und die Kohlendioxidmenge nahe legen.




                                                  Eingang zum Kraftwerk


Aber es gibt noch weitere interessante Vergleiche, so mit einem ähnlichen Kohlekraftwerk, das 2012 geschlossen werden soll, und mit einem modernen Gas- und Dampfkraftwerk. Dabei stoßen das Kohlekraftwerk in Kiel und das moderne, erheblich leistungsstärkere Kraftwerk im westfälischen Hamm-Uentrup außer Kohlendioxid kaum noch andere Schadstoffe aus. Das ist zumindest für die Anwohner sehr erfreulich, da Kohlendioxid ja für den menschlichen Körper kein Gift ist, sondern nur zur Erderwärmung beiträgt.

Gesundheitlich bedenklich sind daher nur noch Stickoxide und beim Kohlekraftwerk in Kiel auch eine allerdings geringere Menge von Schwefeloxiden.

Für beide Vergleichskraftwerke liegen hingegen die Werte für Methan, Chlor, Ammoniak, Nickel, Arsen und Quecksilber anders als beim Kraftwerk Farge unterhalb der Schwellewerte. Sie müssen also nicht gemeldet werden.

Obwohl das Gemeinschaftkraftwerk Kiel damit die Umwelt erheblich weniger belastet als das Kraftwerk Farge soll es 2015 abgebaut und durch ein modernes Gaskraftwerk ersetzt werden. Den Grund liefern die Zahlen für das Trianel Gas-und Dampfkraftwerk, das im Jahr 2007 nach zweijähriger Bauphase Ende 2007 ans Netz ging. Hier wird die Atmosphäre neben deutlich weniger Kohlendioxid, wenn man die Leistung berücksichtigt, nur noch durch Stickoxide in nennenswertem Ausmaß belastet.

Gleichzeitig liegt der Wirkungsgrad um über ein Drittel über dem des Kraftwerks in Farge. Oder anders ausgedrückt: Die Kohlemenge, die man in Farge für drei Jahre benötigt, würde bei der in Hamm-Uentrup erreichten Effizienz vier Jahre reichen. Dank der modernen Technik werden also deutlich weniger Energieträger verbraucht, die auf der Erde nur in begrenzter Menge vorhanden sind, und außerdem ist der Schadstoffaustausch erheblich niedriger. Zudem führt der Transport von Gas zu keiner Lärmbelästigung.


Schadstoffbelastungen durch das KW Farge, das GK Kiel und das KW Hamm-Uentrup im Jahr 2010.


Schadstoff
KW Farge
GK Kiel
KW Hamm-Uentrup
Kohlendioxid, nicht biogen
1.560.000.000
1.830.000.000
1.380.000.000
Kohlendioxid, Gesamt
1.560.000.000
1.830.000.000
1.380.000.000
Kohlenmonoxid
783.000
-
-
Stickoxide
497.000
1.250.000
800.000
Schwefeloxide
585.000
416.000
-
Feinstaub
-
-
-
Distickoxide
200.000
-
-
Methan
140.000
-
-
Fluor
-
-
-
Chlor
36.500
-
-
Ammoniak
11.500
-
-
Chrom
-
-
-
Nickel
57,4
-
-
Arsen
33,4
-
-
Quecksilber
106,0
-
-
Cadmium
-
-
-
Baujahr
1924/1969
1970
2007
Energieträger
Steinkohle/ Klärschlamm
Steinkohle
Erdgas
Bruttoleistung
343 MW
354 MW
850 MW
Wirkungsgrad
42,5 %
39,6 %
57,5 %

Quelle:
www.eper.de und www.thru.de

                                                Alte Kraftwerksturbine

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