Bremen ja, aber ohne Bremische Probleme
Die Agglomeration Bremen unterscheidet sich von anderen
deutschen Stadtregionen, da sie nicht nur zum Stadtstaat Bremen, sondern
teilweise auch zum Flächenland Niedersachsen gehört. Das hat zwangsläufig
Auswirkungen auf politische und planerischen Weichenstellungen.
In Siedlungsräumen, die etwa gleich weit vom Bremer
Rathaus entfernt sind, werden so von ganz unterschiedlichen Stellen die
Entscheidungen getroffen. Während auch am Stadtrand Bremens, von wo man etwa in
Blumenthal 20 km bis zum Roland zurücklegen muss, Land und Stadt Bremen
entscheiden, sieht das in Delmenhorst, Stuhr und Weyhe ganz anders aus. Diese
Städte, von denen die Entfernung zum Bremer Marktplatz nur 10 km beträgt,
können selbst in ihrem eigenen Stadtrat Entscheidungen treffen oder müssen in
der Kreisstadt Diepholz oder der Landeshauptstadt Hannover ihre Pläne absegnen
lassen. Die Länge der Entscheidungswege ist also unterschiedlich lang, was im
positiven Fall zu kürzen Wegen, auf der negativen Seite jedoch zu
Abhängigkeiten von übergeordneten Interessen führen kann.
Suburbanisierungstendenzen im Raum Bremen
Im Raum Bremen zeigen sich deutliche Unterschiede in der
Entwicklung der verschiedenen Umlandgemeinden, aber auch des Stadtbezirks Nord
gegenüber der Stadt insgesamt. Dabei fällt auf, dass Bremen-Nord, obwohl es
wegen seiner Entfernung vom Stadtzentrum einer Umlandgemeinde ähnelt, in den
letzten zwanzig Jahren mehr Einwohner verloren hat, als die Stadt insgesamt.
Avon waren nicht nur das Mittelzentrum Vegesack und die ehemalige
Industriestadt Blumenthal betroffen, sondern auch der Stadtteil Burglesum.
Einwohnerentwicklung 1991-2011
Stadtteil/
Umlandgemeinde
|
Bevölkerungszahl
(31.12.1991 = 100)
|
Blumenthal
|
91,3
|
Burglesum
|
95,1
|
Vegesack
|
94,2
|
Bremen insgesamt
|
99,2
|
Stuhr
|
121,5
|
Oyten
|
119,4
|
Schwanewede
|
116,5
|
Ottersberg
|
116,0
|
Weyhe
|
113,4
|
Ritterhude
Lilienthal |
113,2
111,8 |
Berne
|
104,7
|
Achim
|
103,1
|
Lemwerder
|
98,1
|
Delmenhorst
|
98,0
|
Ein Blick auf die Umlandgemeinden zeigt deutlich
Unterschiede, die sich vor allem aus der räumlichen Lage und der vorhandenen
Wirtschaftsstruktur erklären lassen. Negativ auf die Entwicklung hat so vor
allem die Weser gewirkt, die überall dort, wo sie nur durch Fähren überquert
werden kann, eine deutliche Barriere darstellt. Die mit Fähren generell verbundene
Entschleunigung einer Verbindung hat so im Norden zu abweichenden Entwicklungen
zwischen Berne und Schwanewede geführt, die wegen der trennenden Weser nur
schwache oder ohne dieses Hindernis starke Wachstumsraten aufweisen.
Andere Umlandgemeinden hatten wegen ihrer schrumpfenden
Industriebetreibe ähnliche Strukturprobleme wie Bremen. Das gilt etwa für
Lemwerder und Delmenhorst.
Von dem Zuwanderungstrend in den suburbane Raum konnten
daher vor allem fünf Gemeinden profitieren, und zwar Stuhr, Schwanewede, Wehye,
Ritterhude und Lilienthal.
Hier führte nicht zuletzt das Wachstum zu einer
Bevölkerungsstruktur, die sie deutlich von der des Bremer Nordens
unterscheidet. So zeigt sich eine selektive Wanderung, an der Ausländer,
Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger kaum beteiligt sind.
Bremen-Nord und Umlandgemeinden im Vergleich
Bei den Merkmalen der Sozialstatistik, an denen in Bremen
Begriffe wie Benachteiligung und Armut festgemacht werden, stellt die
Stadtgrenze eine Markierungslinie zwischen beinahe unterschiedlichen Welten
dar; denn während auf der Bremischen Seite über 10% der Einwohner Hartz
IV-Leistungen beziehen, sind es jenseits des Stadtstaates deutlich weniger, und
zwar im Durchschnitt etwa 5%. Ähnlich verhält es sich beim Ausländeranteil.
Dasselbe gilt für die Arbeitslosigkeit, auch wenn hier für
die kreisnagehörigen Umlandgemeinden keine Zahlen ausgewiesen werden; denn der
Kreis Osterholz, zu dem Lilienthal, Ritterhude und Schwanewede gehören, hatte
im Dezember 2012 eine Arbeitslosenquote von 4,1 %, der Kreis Verden mit
Otterberg und Oyten von 5,5 % und der Kreis Diepholz, in dem die großen
Zuzugsgemeinden Stuhr und Weyhe liegen, eine Arbeitslosenquote von 4,5 %.
Sozialstrukturen in Bremen-Nord und den Bremer Umland
Stadt/Stadtteile
|
Einwohner
(3)
|
Dichte
(3)
|
Wanderungs-saldo
(2010) auf 1000
E. (3,4)
|
Ausländer-anteil
in % (3,4)
|
Anteil
der Bezieher von sozialer Mindest- sicherung in %
(4,5)
|
Arbeitslosen-
quote (3)
|
Stadtteile
|
||||||
Blumenthal
|
31.551
|
1.394
|
0,0
|
11,2
|
16,4
|
16,6
|
Burglesum
|
33.057
|
1.280
|
0,4
|
8,7
|
11,8
|
12,3
|
Vegesack
|
33.998
|
2.853
|
0,5
|
14,0
|
14,9
|
16,0
|
Umlandgemeinden
|
||||||
Berne
|
6.872
|
81
|
9,6
|
3,7
|
7,7
|
|
Stuhr
|
33.344
|
400
|
7,9
|
4,4
|
4,6
|
|
Weyhe
|
30.362
|
500
|
1,9
|
4,5
|
5,3
|
|
Ottersberg
|
11.981
|
99
|
-2,2
|
4,6
|
7,9
|
|
Oyten
|
15.540
|
245
|
8,1
|
3,6
|
5,7
|
|
Schwanewede
|
19.943
|
151
|
-1,6
|
2,8
|
5,2
|
|
Lilienthal
|
18.430
|
256
|
7,2
|
4,4
|
4,8
|
|
Ritterhude
|
14.699
|
447
|
3,4
|
3,7
|
4,2
|
Für die Beurteilung des Bremer Nordens sind hier
einerseits die Orte im Süden und Südwesten Bremens wie Stuhr und Weyhe, die von
der Bremer Innenstadt ähnlich weit entfernt sind und sich in den letzten Jahren
deutlich besser entwickelt haben als Blumenthal. Das gilt sogar für
Delmenhorst, das während der Industrialisierung eine ähnliche Entwicklung
hinter sich hat.
Aus der Wanderungsstatistik lässt sich ersehen, an welche
Gemeinden Blumenthal in den letzten Jahren Einwohner verloren hat, also wo für
ehemalige Einwohner die Wohnsituation besser erschienen ist. Danach gab es eine
starke Abwanderung von Bremen-Nord in den Kreis Osterholz (Ortsteile, S. 93); denn
zwischen 2003 und 2007 sind aus diesem Stadtbezirk über 7.000 Einwohner und
damit fast drei Viertel in diesen Kreis abgewandert. In Bremen insgesamt
entfällt die Abwanderung hingen nur zu etwa einem Drittel auf diesen Kreis, zu
einem Viertel auf den Kreis Diepholz und zu einem Fünftel auf den Kreis Verden.
Wohnen im Grünen
Die Bevölkerungsentwicklung verlief dabei in den
Umlandgemeinen nicht kontinuierlich. So wuchs etwa die Gemeinde Weyhe besonders
kräftig zwischen 1984 und 1998, als ihre Einwohnerzahl um ein Viertel auf fast
30.000 stieg. Anschließend kam es dann hier ähnlich wie auch in der
Nachbargemeinde Stuhr zu einer Stagnation.
Ursache für das Wachstum und die Zuwanderung ist aus der
Sicht der erfolgreichen Gemeinde ihre hohe Lebensqualität, da sie eine neben
guten Schulen und Einkaufsmöglichen auch Freizeit- und Erholungsangebote und
eine dynamisch wachsende Wirtschaftsstruktur bieten. Die letzte Trumpfkarte
sehen vor allem die Gemeinden Stuhr und Wehye in ihrem Besitz.
Die Gemeinde Weyhe wirbt etwa mit dem Slogan „Wohnen im Grünen“ kann so bequem sein“ und will an ihrer „besonders
hohen Lebensqualität“ sowohl alteingesessene als auch neue Einwohnerinnen
und Einwohnern teilhaben lassen.
Dabei verweist sie auf ein von gemütlichen und gepflegten
Einfamilien- und Doppelhäusern geprägtes Ortsbild, die ein Gefühl von Ruhe und
Geborgenheit vermitteln.
Und nahezu für jeden Bedarf und jeden Geschmack gibt es für
potenzielle Zuwanderer noch ausreichend Baugrundstücke, um sich den eigenen
Neubautraum zu erfüllen. Auch ist die Natur dabei nicht weit; denn „fünf
attraktive Grünzüge entlang kleiner Bäche und Flüsse gliedern die Gemeinde, so
dass auch die Wege in der Landschaft kurz sind.“
Jedoch muss man bei aller Naturnähe nicht auf die
notwendige Infrastruktur verzichten: „Kindergärten und Schulen sind genauso
schnell erreichbar wie Fachgeschäfte, Gastronomie, Ärzte, Apotheken und
Dienstleistungsbetriebe.“
Damit mag zwar Weyhe oder eine andere Umlandgemeinde als
Wohnort überzeugen. Wie sieht es jedoch mit Arbeitsplätzen aus? Für die
Gemeinde Weyhe scheint das kein Problem zu sein, auch wenn man am Wohnort
selbst keine adäquate Beschäftigung finden sollte. Man kann schließlich sehr
komfortabel pendeln. So heißt es im Einladungstext dieser Umlandgemeinde:
„Vorbildlich gerade für den ländlichen Bereich sind in
Weyhe die günstigen Verkehrsanbindungen, die für viele Pendler mit Arbeitsplatz
in Bremen von großer Bedeutung sind. Durch die Anbindung an die
"Hansalinie" A 1 und mit zwei Bahnhöfen ausgestattet ist Weyhe
hervorragend erreichbar. Eine Fahrt ins Zentrum der Nachbarstadt Bremen dauert
nur wenige Minuten.“
Abschließend heißt es in dieser freundlichen Einladung im
Internet: „So lässt es sich in Weyhe
einfach gut leben – für Groß und Klein!“.
Wie die Zahlen zeigen, konnten diese
Werbung bzw. die Fakten, auf die sie sich beziehen, durchaus überzeugen. Durch
einen Umzug von Bremen in eine der wachsenden Umlandgemeinden lässt sich eine
fast ideale Kombination realisieren: man behält die Vorteile Bremens, wie sie
sich beispielsweise Touristen bieten, ohne die Mängel in Kauf nehmen zu müssen,
die die Wohnbevölkerung immer wieder in verschiedenen Untersuchungen bemängelt:
also schlechte Schulen, hohe Kriminalität und eine wenig effiziente Verwaltung.
Nicht zuletzt darf man dabei sicherlich auch die besonderen Probleme einzelner
Stadtteile vor allem im Norden nicht übersehen, denn niemand lebt gern neben
Umweltbelastungen wie in Blumenthal oder Wohngebieten mit vielen Leerständen,
Müll und Jugendgangs.
Quellen:
Statistische Daten:
1)
Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie
Niedersachsen (LSKN), Meine Gemeinde, meine Stadt.
2)
Statistisches Landesamt Bremen, Bremer Ortteilatlas.
3)
www.wikpedia.de
4)
Bundesagentur für Arbeit, Informationen für: Bundesland
Niedersachsen.
5)
Statistisches Landesamt Bremen, Stadtteil- und
Ortsteiltabellen.
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