Zerbröselnde Nordbremische
(Kauf-)kraft
Hintergrund: Nach dem Kommunalen Zentren- und Nahversorgungskonzept, das unter dem programmatischen Titel “Komm mit nach
Morgen“ steht, strebt Bremen eine „Konzentration auf Zentren“ an, wodurch die polyzentrische Struktur mit der Innenstadt, dem
Mittelzentrum Vegesack, den Nebenzentren in den Stadtteilen sowie den
Nahversorgungsbereichen in den Ortsteilen stabilisiert und weiterentwickelt
wird.
Im Stadtbezirk Bremen soll sich
der Einzelhandel daher auf das Zentrum Vegesack, die Stadteilzentren Blumenthal
und Burglesum sowie die Nahversorgungszentren Farge,
Lüssum und Marßel konzentrieren.
Dieser angestrebten Struktur steht einerseits die Konkurrenz durch
das Shopping- und Freizeit-Center Waterfront im benachbarten Stadtteil Häfen
entgegen, das aus dem Flop der ursprünglichen Entertainment-Anlage
Space Park hervorgegangen ist.
Probleme stellen andererseits die bisher wenig verdichteten und architektonisch kaum ansprechenden Stadtteilzentren in Blumenthal und Burglesum, die im Wettbewerb mit den Dienstleistungsmagneten der Waterfront und Vegesacks, aber auch SB-Warenhäusern in den Umlandgemeinden stehen.
Bestenfalls suboptimal ist in diesem Konzept auch die Nahversorgungssituation einer Reihe von Ortsteilen gelöst, die relativ weit von Zentren entfernt liegen, wie etwa die in Rekum.
Probleme stellen andererseits die bisher wenig verdichteten und architektonisch kaum ansprechenden Stadtteilzentren in Blumenthal und Burglesum, die im Wettbewerb mit den Dienstleistungsmagneten der Waterfront und Vegesacks, aber auch SB-Warenhäusern in den Umlandgemeinden stehen.
Bestenfalls suboptimal ist in diesem Konzept auch die Nahversorgungssituation einer Reihe von Ortsteilen gelöst, die relativ weit von Zentren entfernt liegen, wie etwa die in Rekum.
Bremen ist eine ordentliche Stadt. Daher ist man gegenüber
den wilden Kräften der Marktes skeptisch und will sie mit der ordnenden Hand
der Planung in für wünschenswert gehaltene Bahnen lenken.
Das gilt jedenfalls für die Verteilung der Einkauf- und
Dienstleistungsangebote. Hier hat man eine sorgfältige Bestandsaufnahme
vornehmen lassen, um zu sehen, ob auch die Einwohner in der gesamten Stadt gut
versorgt sind. Grundlage für diese Beurteilung ist die von dem deutschen
Regionalwissenschafter Walter Christaller entwickelte Theorie
der zentralen Orte, nach der sich in einer idealen Gesellschaft ein System von
Orten hierarchischer Zentralität herausbildet, wobei jeweils ein Zentrum
höherer Ordnung, also etwa ein Oberzentrum wie Bremen, von einem Ring von
Mittelzentren wie beispielsweise Vegesack, Delmenhorst und Achim umgeben ist.
Dieses System
wurde auf die innere Gliederung von Stadtregionen übertragen, so dass es in
Städten wie Bremen neben der City als Hauptzentrum, Stadtteil- und weitere
Nebenzentren gibt.
Der Einzelhandel in Bremen-Nord
Empirische Grundlage des Konzepts
ist eine umfassende Bestandserhebung aller
Einzelhandelsbetriebe
(inkl. Leerstände) in der gesamten Region Bremen, die im Zeitraum von Januar
bis Mai 2006 durch das Büro Staiger, Leonberg, durchgeführt wurde.
Die Auswertung
für Bremen erfolgte anschießend durch das Dortmunder Büro Junker und Kruse, das sich auf Fragen des
Einzelhandels im Rahmen der Stadtplanung spezialisiert hat und u.a.
bereits 1999 eine Bewertung potenzieller Einzelhandelsstandorte im Stadtbezirk
Blumenthal durchführte, wie aus der Referenzenliste des Büros hervorgeht.
Hinsichtlich
der damals vorhandenen Verkaufsfläche wird eine Konzentration des
mittelfristigen Bedarfs auf Vegesack deutlich, während bei Nahrungs- und
Genussmitteln sowie generell im kurzfristigen Bedarf auch in Blumenthal eine
recht große Verkaufsfläche zur Verfügung steht. Das gilt deutlich weniger für
den Stadtteil Burglesum.
Verkaufsfläche pro Einwohner in den Stadtteilen Bremen-Nords 2006
Warengruppe
|
Blumenthal
|
Burglesum
|
Vegesack
|
Nahrung- und Genussmittel
|
0,40
|
0,27
|
0,48
|
Kurzfristiger Bedarf
|
0,50
|
0,41
|
0,67
|
Mittelfristiger Bedarf
|
0,09
|
0,13
|
0,57
|
Langfristiger Bedarf
|
0,53
|
0,41
|
0,37
|
Eine Umrechnung auf einen Zentralitätswert
unterstreicht diese erste Einschätzung sehr deutlich. Diese Kennziffer gibt die
Relation zwischen dem tatsächlichen Umsatz und
der am Ort vorhandenen Kaufkraft an, sodass Werte über 1 einen Zufluss
an Kaufkraft von Käufern jenseits der Stadtteilgrenzen bedeuten. Es lässt sich
also deutlich erkennen, dass zum Zeitpunkt der Erhebung, also 2006, Vegesack
die Funktion eines Mittelzentrums und Blumenthal recht knapp die eines
Stadtteilzentrums erfüllte.
Zentralität in den Stadtteilen Bremen-Nords
Warengruppe
|
Blumenthal
|
Burglesum
|
Vegesack
|
Nahrung- und Genussmittel
|
1,16
|
0,77
|
1,34
|
Kurzfristiger Bedarf
|
1,02
|
0,78
|
1,22
|
Mittelfristiger Bedarf
|
0,31
|
0,40
|
2,22
|
Langfristiger Bedarf
|
0,63
|
0,55
|
0,79
|
Vom Ist- zum Soll-Zustand
Durch die Bestandserhebung
konnte so der Ist-Zustand erfasst werden, der anschließend von den Planern eine
stadtplanerische Bewertung erfuhr. Daraus entwickelten sie ein Zentrenkonzept,
das von den zuständigen politischen Gremien absegnet und daher für die
Verwaltung bei den jeweiligen Genehmigungen bindend ist.
Dabei kann eine realistische
Planung zwangsläufig den vorhandenen Bestand nicht durch einige Federstriche
auf dem Papier völlig verändern, indem sie ein neues, besseres
Verteilungsszenario zeichnet.
Das ist einerseits irreal, da
in dem Ist-Zustand eine in vielen Jahren gebaute Umwelt mit Geschäftslokalen,
Parkplätzen etc. und damit erheblichen Investitionsmitteln vorhanden ist.
Änderungen bedeuten somit immer die Vernichtung von Volksvermögen und verstoßen
rechtlich gesehen gegen einen Bestandsschutz.
Andererseits ist dieser
Ist-Zustand durch Marktkräfte entstanden. Einzelhändler und andere
Dienstleister haben Angebote geschaffen, was nur möglich war, da sie an dem
jeweiligen Standort genügend Nachfrage gefunden haben.
Dennoch darf man in der jeweiligen
Situation kein starres System sehen, da ständig neue Angebote entstehen, die
mehr oder weniger erfolgreich sind, während andere Geschäfte Kunden verlieren
oder aus persönlichen Gründen von ihren Besitzern aufgegeben werden.
Zu besonders großen Veränderungen
haben jeweils neue Vertriebsformen des Handels geführt. Das galt etwa seit den
1970er Jahren für die SB-Warenhäuser und aktuell etwa die
Factory-Outlet-Center, die die Planer vor große Herausforderungen stellen, da
sie sich fast ausschließlich an Pkw-Kunden richten, wegen ihres großen
Flächenbedarfs nur schlecht in gewachsenen Zentren integrieren lassen und von
ihrem breiten Sortiment her häufig bereits eigene städtische Zentren bilden.
Ähnliches gilt für Einkaufspassagen und die
enge Verzahnung von Einkaufs- und Freizeitangeboten. Auch vom wachsenden
Internethandel sind deutliche Auswirkungen zu erwarten, da sie zu einer
deutlichen Verschiebung der benötigten Flächenstruktur führen dürften. So wird
der Bedarf an Flächen für die Warengruppen, bei denen es besonders große
Steigerungen gibt wie etwa Bücher, Medien, Bild- und Tonträger sinken, während Anbieter, die ein
Einkaufserlebnis, eine fachliche Beratung und eine Prüfung von Waren bieten, an
Bedeutung gewinnen werden. Daher gilt also gerade heute die Formel „Handel ist
Wandel“, was die häufig komplexe und daher schwerfällige Stadtplanung vor
erhebliche Probleme stellen kann.
Die
Bremer Sortimentsliste
Diese Schwierigkeiten lassen sich am Beispiel der
sogenannten Sortimentlisten verdeutlichen. Zuerst wurden sie in Städten wie
Köln und Bielefeld aufgestellt, um die City und bestehende andere
Stadtteilzentren vor der neuen Vertriebsform der SB-Warenhäuser auf der „grünen
Wiese“ zu schützen. Verwaltungsgerichte schränken später diese planerischen Vorgaben
ein, indem sie für jede Stadt spezifische Listen forderten. Da die
Kundenwünsche und der Raumbedarf sich jedoch von Stadt zu Stadt bestenfalls
wenig unterscheiden, sind diese Sortimentslisten weiterhin sehr ähnlich
aufgebaut. So findet man generell neben den nahversorgungsrelevanten
Sortimenten die zentrenrelevanten und die nicht zentrenrelevanten Sortimente.
Diese nahversorgungsrelevanten Sortimente
können auch zentrenrelevant sein, werden dann jedoch durch weitere
zentrenrelevanten Sortimente ergänzt, die neben dem kurzfristigen auch dem mittel- und langfristigen Bedarf dienen, so vor allem Bekleidung und
Bücher sowie Elektro- und Haushaltswaren.
Auf diese beiden Kategorien konzentrieren sich
die Auswahlkriterien, mit denen die Stadtplanung das Hauptzentrum und die
Nebenzentren einer Kommune vor unerwünschten Wettbewerbern an anderen
Standorten schützen will.
Als nicht zentrenrelevante Sortimente, die dem langfristigen
Bedarf dienen, gelten schließlich etwa Möbel oder Bau- und
Heimwerkerbedarf, da sie großen Flächen beanspruchen, und Erotikartikel, für
die sich keine nähere Begründung etwa im Hinblick auf die angebliche
„Langfristigkeit“ finden lässt.
Pikanterweise finden sich gerade bei dieser
Warengruppe regionale Unterschiede, denn während sie in der Bremer
Sortimentsliste aufgeführt sind, hat man sie im Pendant für die Region Bremen anscheinend vergessen.
Auch bleiben diese Listen nicht statisch. So
wurde in Köln etwa die alte Sortimentsliste von 2003 im Januar 2008 revidiert,
weil man Leuchten sowie Fahrräder und Fahrradzubehör aufgrund veränderter
Kaufgewohnheiten inzwischen als zentrenrelevant betrachtet.
Das Bremer Zentrenkonzept mit seiner speziellen
Sortimentsliste erläutert besonders die notwendige zentrale Lage für
Warengruppen, die a) auf andere
Frequenzbringer angewiesen sind, daher b) an zentralen Standorten besonderst
stark vertreten sind, c) idealerweise eine hohe Seltenheit besitzen, d) eine
Koppelungsaffinität zu anderen Zentrenfunktionen aufweisen, e) relativ geringe
Flächenansprüche stellen und sich daher f) räumlich leicht integrieren lassen
sowie g) auch ohne vom Pkw leicht transportieren lassen, was die Planer als
Handtaschensortiment bezeichnen.
Wegen der Stellung als regionales Oberzentrum achtet die
Bremische Stadtplanung dabei besonders auf die Warengruppen der mittelfristigen
Bedarfsstufe, die eine hohe Leitfunktion für die Innenstadt und das Zentrum
Vegesack besitzen.
Daneben wird allerdings auch die Relevanz der Stadtteil-
und Nahversorgungszentren vor allem für
die Grundversorgungsangebote der kurz- und mittelfristigen Bedarfsstufe herausgestellt,
da man ihnen auch eine wichtige Magnetfunktion für andere Sortimente zumisst.
Mit diesen Argumenten für Zentren unterschiedlichen Typs
werden konkrete Normen festgesetzt, um „um diese
zentralen Standorte in ihrer Versorgungsbedeutung zu sichern und einen ruinösen
absatzwirtschaftlichen Wettbewerb der verschiedenen Einzelhandelsstandorte
untereinander zu vermeiden.“
Eine erste harte Regel besteht daher drin,
dass Betriebe mit zentrenrelevantem Hauptsortiment in den
Nahversorgungszentren nur zulässig sind, wenn sie die Schwelle der
Großflächigkeit (800 m²) nicht überschreiten.
Wohnortnahe Grundversorgung
Die erste Einschränkung begrenzt die häufig
für kleine Wohngebiete gleich mit dem Bau geplante oder später aus dem Mark
heraus entstandene wohnortnahe Grundversorgung, also den Bäcker, den
Zeitungskiosk oder auch einen Drugstore, der fast alles führt, den man an der
sprichwörtlichen nächsten Ecke findet. Hierzu heißt es lapidar in der
Ansiedlungsregel 1: „ Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevanten
Hauptsortimenten sind zukünftig nur noch in den zentralen Versorgungsbereichen
Bremens sowie ausnahmsweise zur wohnortnahen Grundversorgung in den
Wohnsiedlungsbereichen zulässig“ (Kommunales Zentrenkonzept, S. 187)
Damit soll sich in Bremen-Nord der zentrumsrelevante
Einzelhandel, zu dem auch nahversorgungsrelevante Sortimente zählen, neben den
Stadteilzentren auf die Nahversorgungszentren Farge, Lüssum und Marßel
konzentrieren, in denen einzelne Verkaufsflächen maximal 1.500 qm groß sein dürfen.
Wie sieht es jedoch mit dem Einzelhandel etwa in Gramke,
Rekum oder St. Magnus aus? Es wird zumindest kompliziert, wenn man sich die
gleichzeitig geforderten drei Bedingungen vor Augen führt. Diese Konditionen
sollen sicherstellen, dass die
Nahversorgung nur der im unmittelbaren Umfeld
vorhandenen Wohnbevölkerung dient, aber keine Auswirkungen auf die zentralen
Versorgungsbereiche zu erwarten sind.
Dies ist für die Planer des Konzepts dann der
Fall, wenn es sich a) um einen städtebaulich integrierten Standort mit
räumlichem Bezug zu umliegenden Wohnsiedlungsbereichen handelt, b) die
sortimentsspezifische Kaufkraftabschöpfung des Planvorhabens in einem fußläufigen 600 m Radius an einem städtebaulich integrierten
Standort eine Quote von 35 % der sortimentsspezifischen
Kaufkraft (Nahrungs- und Genussmittel) der Bevölkerung nicht überschreitet und c) keine mehr als
unwesentliche (>10 %) Überschneidung des 600 m Radius mit dem 600 m Radius
des / der nächstgelegenen Stadtteil-, Grund- oder Nahversorgungszentrums bzw.
-zentren besteht. (Kommunales Zentrenkonzept, S. 188)
Konzentration
auf das Zentrum Vegesack
Das wichtigste Zentrum im Bremer Norden in Vegesack wird
jedoch nicht nur vor solitären Standorten und den Nahversorgungszentren,
sondern auch vor einer zu starken Ausweitung der Stadtteilzentren in Blumenthal
und Burglesum geschützt, in denen einzelne Verkaufsflächen nur maximal 3.000 qm
groß sein dürfen.
Diese
Deckelung der Nahversorgungs- und Statteilzentren, um die Kaufkraft auf die
Innenstadt und Vegesack zu konzentrieren, kann im Nebeneffekt auch die
Wettbewerber etwa in Schwanewede und in Ritterhude fördern, die von der
Kaufkraft zumindest aus den Grenzbereichen profitieren können.
Das
wird in den Zahlen der Handelskammer Bremen zu den Verkaufsflächen je Einwohner
und der Berechnung der Zentralität nach den Daten von 2006 deutlich, wie sie im
regionalen Zentrenkonzept ausgewiesen sind.
Verkaufsfläche
je Einwohner (in qm) und Zentralität
Gemeinde
|
1993
|
2005
|
Zentralität
2006
|
Schwanewede
|
0,32
|
1,03
|
0,66
|
Ritterhude
|
3,29
|
3,40
|
1,66
|
Gesamtes Umland
|
1,25
|
1,87
|
1,08
|
Bremen insgesamt
|
1,35
|
1,59
|
1,18
|
Bei einem Wettbewerb zwischen Standorten, die mehr oder
weniger offen ihre eigenen und eben weitgehend gegenläufigen Interessen
verfolgen, können so die Planer Bremen stolz
die Rationalität ihres Instrumentarium erklären, wenn es etwa heißt:
„Diese Bremer Sortimentsliste dient dazu, im Rahmen der Bauleitplanung und vor
allen Dingen dann bei der Genehmigung von Einzelvorhaben den Einzelhandel räumlich
und funktional sinnvoll Standorten zuzuordnen.“
Bei diesem Versuch wird deutlich, dass er vor allem als
Abschirmung des bestehenden Einzelhandels vor der einst neuen Vertriebsform der
größeren Verbrauchermärkte und der SB-Warenhäuser gedient hat, die für ein
One-stop-shopping mit entsprechenden großen Parkplätzen verkehrsgünstig
gelegene Zentren schaffen konnten. Der Boom der Discounter, die mit erheblichen
kleineren Verkaufsflächen auskommen,
Ein Verbot führt jedoch nicht zwangsläufig zu attraktiven
Zentren für Autofahrer und Fußgänger, die eine gemeinsame Planung für
verschiedene Vertriebsformen verlagen.
Planungssünde
Blumenthaler Zentrum
Zentren dürfen daher nicht nur auf einer Karte
entsprechende ausgewiesen werden, sondern müssen es für die Käufer auch
faktisch sein. Diese Problematik wird am Stadtteilzentrum Blumenthal sehr
deutlich, wo man einem alten Stadtzentrum, in dem sogar freitags vormittags ein klassischer Markt
stattfindet, also das ganz traditionelle Merkmal für Zentralität erfüllt ist,
wie man es noch voller Stolz in einer Bezeichnung wie Marktgemeinde
findet, durch ein neues großflächiges
SB-Warenhaus mit Erweiterungen zum Blumenthal Center erweitert hat, ohne dabei
auf eine faktische räumliche Integration zu achten.So stehen einer geballten Verkaufsfläche von
15.500 qm im Center nur weitere gut 20.000 qm in allen Ortsteilen des
Stadtteilen gegenüber (Nowak, S. 29).
Im Stadtteilkonzept Blumenthal heißt es zu diesem
Patchwork-Stadteilzentrum: „Es
umfasst die Landrat-Christians-Straße mit angrenzendem Marktplatz, die
Mühlenstraße und Kapitän-Dallmann-Straße sowie als neuen, in Randlage
befindlichen Teilraum das Müllerloch mit dem Blumenthal-Center.“ (Stadtteilkonzept,
S. 25). Dabei wird eingeräumt, dass die räumliche Dichte der Angebote, eine
gute Erreichbarkeit und die
städtebauliche Attraktivität nicht dem „Idealtyp“ eines Zentrums entsprechen.
Wie die
Leerstände von Geschäftslokalen anzeigen, ist die Verkaufsfläche nicht zuletzt
wegen der internen zusätzlichen Konkurrenz überdimensioniert, und vor allem
wird das Zentrum wegen seiner Größe und uneinheitlichen Gestaltung nicht als
bauliche Einheit, eben als Zentrum eines Stadtbezirks erlebt.
Die früheren
Entscheidungsträger mögen es als Erfolg ansehen, dass die Investoren mit dem
SB-Warenhaus nicht auf eine verkehrsgünstig gelegene grüne Wiese gegangen sind,
sondern in die Nachbarschaft des bestehenden Zentrums. Nähe kann jedoch auch,
wenn es nicht zu einem kooperativen Handeln kommt, Konkurrenz bedeuten, in dem
die schwächeren Wettbewerber ausscheiden, was sich in Leerständen sichtbar
dokumentiert. Da hilft es dann auch nicht, dass man das neue Blumenthal-Center
als einen zweiten Pol des Stadtteilzentrum interpretiert, wenn man gleichzeitig
einräumen muss, dass eine „gestalterische wie funktionale Integration des neuen
Standortes Blumenthal-Center nicht gelungen ist.“
Da können
die heute Verantwortlichen nur froh darüber sein, dass „einige hundert Meter vom Marktplatz Blumenthals entfernt“ „ein
Blumenthal-Center genanntes Einkaufszentrum moderner Prägung eröffnet und damit
einen zweiten Pol im Stadtteilzentrum geschaffen“ hat. Anscheinend ist dieses
Konkurrenzzentrum auf dem Gelände der BKW, wenn man die verwendeten Worthülsen für bare Münze
nehmen würde, also ohne Bebauungsplan und
Baugenehmigung quasi naturwüchsig entstanden.
Planungssünde
Waterfront
Waterfront (Quelle: BTZ)
Weitere
Kaufkraft wird durch das Einkaufs- und Freizeitzentrum Waterfront abgezogen,
das in den älteren Zentrenkonzepten nicht einmal erwähnt wird. Es dürfte damit
nicht dem als so sinnvoll gefeirten Zentrenplan entsprechen, sondern eher ein
Sündenfall sein, der jedoch mit steigenden Kundenzahlen und Umsätzen die
Entwicklungspotenziale im Stadtbezirk-Nord einengt; denn dieser Magnet befindet
sich gleich hinter der Bezirksgrenze im Ortsteil Häfen, der selbst nicht einmal
150 Einwohner besitzt.
Hintergrund
für diese inzwischen florierende Planungssünde Waterfront ist der Versuch, den
älteren Planungsflop eines „Space Parks“ auf dem Gelände der Ende 1983
geschlossenen Werft AG Weser vergessen zu machen. Nicht die Rationalität eines
durchdachten Zentrenkonzepts hat also überraschend zu einem neuen Zentrum, mit
den entsprechenden Wirkungen auf sein Umfeld geführt, sondern ein
problematischer Zufall der Stadtpolitik.
Kreativität
statt Normierung
Den Erfolg der „Waterfront“ muss man jedoch nicht
nur als Planungssünde anprangern, da er den angestrebten Zentren im Bremer
Norden wichtige Kaufkraft entzieht. Aus ihm kann man auch lernen, was heute im
Handel zum Erfolg führt, weil es bei Kunden ankommt. Und das ist eben nicht ein
Wissen, dass durch richtige Flächenbegrenzungen und eine fundierte
Sortimentsliste bereits für eine wünschenswerte Einkaufsatmosphäre sorgen kann.
Die Attraktivität resultiert hier vielmehr aus der Kombination von Ankermärkten
mit einem vielfältigen Angebot kleiner Shops. Für den Erfolg sorgt dabei ein
Centermanagement, das aufgrund der Erfahrungen in vergleichbaren Zentren einen
geeigneten Mix zusammenstellt und durch Events für eine ständig aktuellen
Kaufambiente sorgt.
Wenn man die Erfolge von gemanagten Centern und Passagen
auf herkömmliche Zentren umsetzen will, ist an eine enge Kooperation der
jeweiligen Händler und Dienstleister zu denken, die sich selbst wenige als
Wettberber, sondern als Teilhaber an einem gemeinsamen Zentrum sehen, dessen
Erfolg allen Beteiligten zugute kommt. Das gilt auch für die Diagnose von
Defiziten in den vorhandenen Angeboten und die gemeinsame Veranstaltung von
Events, die potenzielle Kunden anlocken, da sie mit Neuem überrascht werden,
was der Internethandel oder ein einzelner Discounter nicht bieten kann.
Die Handelskammer Bremen schlägt daher beispielsweise
Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG) bzw. neudeutsch Business
Improvement Districts (BID) vor, wodurch die Unternehmer vor Ort den eigenen
Standort aufwerten können. Dabei erfolgt nach amerikanischem Vorbild eine enge
Zusammenarbeit der Grundeigentümer und der Kommune, die als rechtlichen Rahmen
eine Satzung erlässt. Entsprechende Möglichkeiten schafft in Bremen das Gesetz
zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren.
Die Aufgabe von Planung und Politik wäre daher weniger die
Normierung der Sortimente, sondern eher die Abgrenzung einer verkehrsgünstig
erschlossenen Fläche, die von ihrer Größe und Lage her geeignet ist. Im Fall
Blumenthal müsste man sich also überlegen, ob sich ein Konzept auf den
Marktplatz an der Mühlenstraße beschränken lässt oder ob es nicht notwendig ist,
weitere Flächen einzubeziehen, die zusätzliche Optionen schaffen. Das gilt nicht zuletzt für die Verkehrsführung (Nowak,
S. 29) und die Schaffung von Parkplätzen, durch die beispielsweise ein
attraktiver, belebter Marktplatz mit einem hohen Einkaufs- und Freizeitwert
erst möglich sein dürfte.
Die Aufgabe des Stadtteilmanagement würde anschließend,
wenn eine zweckmäßige Abgrenzung erfolgt ist, vor allem darin bestehen, Impulse
statt Vorschriften zu geben, wenn es einmal nötig sein sollte. Handel ist
schließlich immer vor allem Wandel, der sich innerhalb eines Rahmen frei entwickeln
muss, wenn er für sich und die Einwohner und Konsumenten erfolgreich sein will.
Quellen:
Bremisches Gesetz zur Stärkung von
Einzelhandels- und Dienstleistungszentren vom 18. Juli 2006.
Ein Einzelhandelskonzept für Bremen. Für
einen starken, markt- und wettbewerbsfähigen Einzelhandel, Handelskammer
Bremen, September 2007.
Kommunales
Zentren- und Nahversorgungskonzept Bremen. Leitbild der Stadtentwicklung
2010, Bremen 2009.
Nowak, Karsten, Stadtteilreport Einzelhandel 2012. Analyse der Einzelhandelssituation in den Stadtteilzentren Bremens, Bremen, Juni 2012.
Nowak, Karsten, Stadtteilreport Einzelhandel 2012. Analyse der Einzelhandelssituation in den Stadtteilzentren Bremens, Bremen, Juni 2012.
Regionales Zentren- und Einzelhandelskonzept für die
Region Bremen. Fortführung des IMAGE-Moderationsverfahrens. Endbericht, Lörrach
2008.
Stadtteilkonzept Blumenthal. Bericht, Bremen 2007.
Zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente des Einzelhandels in der Stadt Köln, Köln 2008.
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