Samstag, 28. September 2013

Wahl 2013: AfD

Die AfD: 

Auch eine Alternative für lokale Probleme?




Eine der großen Überraschungen beim Ergebnis der Bundestagswahl am 22. September war das Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD). Als eine ganz junge Partei, die erst im Februar gegründet wurde und die von den Demoskopen erst in den allerletzten Tagen vor dem Wahltermin möglicherweise im Bundestag gesehen wurde, schaffte sie fast den Sprung über die 5 %-Hürde. Am Ende waren es dann deutschlandweit 4,7 %, wobei die AfD in Sachsen mit 6,8 % ihren Spitzenwert unter den Bundesländern erzielte. Dort erreichte sie im Wahlkreis Görlitz mit 8,2 %, also an der Grenzen nach Tschechien und Polen, ihre Bestmarke. Der absolute Spitzenwert auf Gemeindeebene wurde dabei mit 15,6 % aus Dürrhennersdorf gemeldet.

In Bremen und Niedersachen erzielte sie hingegen mit 3,7% ihre schlechtesten Länderergebnisse.


Die AfD in der ARD-Wahlanalyse

Im Nachhinein hatten die Demoskopen gleich eine Erklärung für ihre Prognosen parat, die im Falle der AfD vermutlich einen Einfluss auf die Wahlentscheidung und damit die Zusammensetzung des Bundestags und möglicherweise sogar die Koalitionsbildung hatten. Zumindest wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn bei Prognosen von 4 % bzw. 5%, also einer signalisierten realen Chance auf einen Einzug in den Bundestag zusätzliche Wähler bei der AfD ihr Kreuz gemacht hätten, die jedoch ihre Stimme nicht unter den Tisch fallen lassen wollten, sondern statt ihrer Wunschpräferenz eine andere Partei gewählt.

Nach dieser schwer widerlegbaren Rechtfertigung soll sich der Aufstieg der AfD erst kurz vor der Wahl vollzogen haben. Danach hat sich „die Hälfte der AfD-Wähler“ „am Wahltag oder in den Tagen zuvor für die neue Partei“ entschieden.

Dieser späte Entschluss zugunsten der AfD wird mit der Motivlage begründet, denn jeder zweite AfD-Wähler hat seine „Entscheidung aus Enttäuschung über andere Parteien getroffen“.


Nach diesen demoskopischen Daten sah eine Mehrheit (56 % der Befragten) in der AfD keine ernst zu nehmende Partei. Positiv sahen hingegen viele, dass es eine Partei gäbe, die zwar kein Problem löse, aber die Dinge beim Namen nenne (44%) oder auch eine Partei gewählt werden könne, die sich gegen den Euro ausspreche. (21 %)

Aufgrund dieser Einschätzung waren immerhin 37 % der Befragten der Meinung, mit der AfD gebe es eine Alternative für diejenigen, „die sonst gar nicht wählen würden“.



Die demografische Struktur der AfD-Wähler


Nach den ARD-Zahlen hat die AfD 2013 in allen Altersgruppen unter 60 Jahren über der Fünf-Prozent-Marke gelegen, wobei sie die höchsten Werte bei Männern bis 45 Jahre sowie bei Arbeitern erzielte.

Diese Befragungsdaten werden auch durch erste Auswertungen der repräsentativen Wahlstatistik bestätigt. So erreichte die „Alternative“ in Nürnberg bei den Männern einen deutlichen höheren Anteil als bei den Frauen. (Nürnberg, S.2)


Die Programmatik der AfD

Generell wird in den Medien die AfD mit den Adjektiven „euro-" bzw. „europakritisch“ gekennzeichnet, um damit auf einen zentralen Programmpunkt der jungen Partei hinzuweisen. So hat bespielsweise auch nach dem AfD-Wahlerfolg in Sachsen der dortige CDU-Fraktionsvorsitzenden von seiner Partei gefordert, die Europapolitik stärker in den Mittelpunkt zu rücken und „das Feld des soliden Wirtschaftens nicht der 'Alternative für Deutschland'“ zu überlassen.


Allerdings ist es fraglich, ob sich das Wahlergebnis vor allem auch in seiner innerstädtischen Differenzierung wie etwa in Bremen allein aus einer unterschiedlichen Verteilung von Euroskeptikern erklären lässt.

Die Einengung auf die Europapolitik verkürzt ohnehin die Programmatik der "Alternative", die gleichzeitig weitere Programmpunkte auch im Wahlkampf plakativ herausgestellt hat; denn es geht keineswegs nur um die „Kernforderung“ einer „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“ und die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde, etwa einen Nord- und einen Süd-Euro.

In dem stark an volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen orientierten Programm geht es auch um ein deutlich vereinfachtes Steuerrecht, eine Energiewende, bei der sich die Höhe der Subventionen für die verschiedenen Energieformen klar erkennen lässt, und eine restriktive Zuwanderungspolitik, die sich an den Bedürfnissen der deutschen Volkswirtschaft orientiert. Als Vorbild dient dabei Kanada. 

Auf diese Weise will man eine „ungeordnete Zuwanderung in die Sozialsysteme“ unterbinden. Ernsthaft politisch Verfolgte sollen jedoch weiterhin in Deutschland jederzeit Asyl finden können, und zwar ohne Einschränkungen bei der Arbeitserlaubnis.





Sozialräumliche Ergebnisse für Bremen



Nach einer Sozialraumanalyse für Bremen lassen sich die AfD-Wähler in einigen Bereichen näher kennzeichnen. Dabei wird deutlich, dass mit dem Auftreten der AfD keine nennenswerte Erhöhung der Wahlbeteiligung verbunden war. Vielmehr sind in ihren Hochburgen, den Wohngebieten mit niedrigem sozialen Status, sogar 2013 relativ weniger Wahlberechtigte zu den Urnen gegangen als 2009.

Durch diese sozialräumlichen Schwerpunkte ähnelt die Verteilung der AfD-Wähler teilweise dem Muster der SPD, während sie eher im Gegensatz zu dem der Grünen steht.



Auffallend ist dabei in Bremen ein räumlicher Zusammenhang zwischen hohen AfD-Anteilen und der umstrittenen Unterbringung von Flüchtlingen. Hier hat die AfD in Ortsteilen besonders gut abgeschnitten, wo es zu Protestaktionen der Einwohner gegen die Pläne der Sozialbehörde gekommen ist.




Die Sozialraumanalyse im Detail 

Allein aus zeitlichen Gründen gibt es bisher kaum empirische Untersuchungen über die Wähler der AfD, da sie erstmals am 22. September auf Stimmzetteln stand. Auch ist die Zahl ihrer Wähler weiterhin relativ gering, sodass sich unter den üblichen Stichproben von Wahlbefragungen bestenfalls etwa 50 AfD-Anhänger befinden, die sich anschließend nur schwer weiter nach zusätzlichen Merkmalen differenzieren lassen. Gerade in diesem Fall bietet das Stat. Landesamt Bremen daher durch seine kleinräumigen Daten ein schnell verfügbares Datenmaterial an, auch wenn wegen des geringen Stimmenanteils Bremen nicht unbedingt ein ideales Untersuchungsgebiet darstellt. 

Innerhalb der Bremer Sozialräume erzielte die AfD relativ hohe Werte in den Gebieten mit einem niedrigen sozialen Status, vor allem wenn es sich dabei um WiN-Gebiete handelt, die mit ehemaligen Arbeiterquartieren identisch sind. Auf der anderen Seite war die Alternative besonders schwach in den innenstadtnahen Altbaugebieten, also den Wohngebieten, in denen offensichtlich ganz „Alternative“ zu finden sind, und zwar die Anhänger der Grünen und Vertreter eines teilweise „alternativen“ Lebensstils, der sich sozialstatistisch in vielen Singlehaushalten und nur wenigen Kindern und Jugendlichen abbildet.


Anteile der AfD in den Bremer Sozialräumen in %

Sozialräume

Anteil der AfD 2013

WiN-Gebiete
3,9
Großsiedlungen
3,4
Ehem. Arbeiterquartiere
4,4


Hoher sozialer Status
2,9
Niedriger sozialer Status
3,9


Hoher familialer Status
3,8
Niedriger familialer Status
 3,3
Viele Single-Haushalte
2,6
Viele alte Menschen
3,4


Hoher Ausländerstatus
3,2
Niedriger Ausländerstatus
3,6


Diese Aussagen werden durch die ökologischen Korrelationen der AfD-Anteile mit einigen Strukturmerkmalen abgesichert. Auch wenn die ausgewiesenen Zusammenhänge nicht sehr stark ausgeprägt sind, ist die AfD in den eher sozial benachteiligten Gebieten stark, in den durch einen eher alternativen Lebensstil geprägten hingegen schwach.


Ökologische Korrelationen zwischen dem Wähleranteil der AfD und Strukturmerkmalen

Strukturmerkmal (Anteilswerte in % 2012)
Anteil der AfD 2013 in %
Unter 18-jährige (Anteil)
0,43
18 – 65-jährige (Anteil)
-0,37
Über 65-jährige (Anteil)
0,18
Wohndauer der über 18-jährigen
0,05
Bevölkerung mit Migrationshintergrund
0,36
Umzüge je 100 Einwohner
-0,31
Einpersonenhaushalte (Anteil)
-0,34
Haushalte mit Kindern (Anteil)
0,39
Sek I an Gymnasien
-0,30
Arbeitslosenziffer
0,32
SGB II-Leistungen (Anteil)
0,42
Jahreseinkommen 2007
-0,23
Einfamilienhäuser (Anteil)
0,15
Durchschnittliche Wohnungsgröße
-0,05





















Dieses Ergebnis gilt keineswegs nur für Bremen. Vielmehr stellt eine vergleichbare Untersuchung für Hannover fest: „Die AfD erzielt relativ hohe Wahlergebnisse dort, wo viele Migranten, viele kinderreiche Familien oder viele Personen mit niedrigen materiellen Standards (Arbeitslose, häufiger Transferleistungsbezug, geringe Wohnflächen) wohnen.“ (Landeshauptstadt Hannover, S. 38)



Die sozialräumliche Ähnlichkeit zwischen der AfD und anderen Parteien



Aus diesen sozialräumlichen Stärken und Schwächen der Parteien folgen zwangsläufig Ähnlichkeiten zwischen den räumlichen Verteilungen ihrer Wähler. Hier sorgen die hohen Stimmanteile der AfD in den Gebieten mit niedrigem sozialen Status und mit vielen Transferleistungsempfängern dafür, dass zumindest eine Ähnlichkeit zur WiN-Partei SPD besteht.

Eine deutlich negative Korrelation, also eine Verteilung mit fast entgegengesetzten Hochburgen und Diasporagebieten, gilt hingegen für die Grünen. Hier scheinen sich in diesen beide als „alternativ“ apostrophierten Parteien ganz unterschiedliche räumlich verortetet Lebensstile zu manifestieren.


Ökologische Korrelationen zwischen den Anteilen der AfD, der Wahlbeteiligung und den Anteilen anderer Parteien


Partei

Ökologischer Korrelationskoeffizient
Wahlbeteiligung
-0,47
Veränderung der Wahlbeteiligung 2009- 2013
-0,43


SPD
0,54
CDU
0,01
Grüne
-0,56
FDP
-0,23
Linke
-0,26


 

 

 

 

 


Die neue Alternative und die Wahlbeteiligung

Anders als es in den Befragungen angegeben wurde, lässt sich in den BremerDaten kein Zusammenhang zwischen hohen Anteilen für die AfD und einer Mobilisierung ehemaliger Nichtwähler finden. Der Zusammenhang ist vielmehr negativ, worin sich die in den sozial benachteiligten Gebieten insgesamt gesunkene Wahlbeteiligung niederschlägt. 



Die Bremer AfD-Hochburgen und ihre lokalen Probleme


Weitere Informationen über die AfD-Wähler lassen sich durch einen Blick auf die Hochburgen dieser neuen Partei erhalten, der es auch in Bremen in einigen Ortsteilen gelungen ist, über die 5%-Hürde zu gelangen.

Die Ortsteile machen dabei auf eine statistische Koinzidenz aufmerksam, die sich sogar leicht erklären lässt. Hochburgen der AfD waren nicht die besonders stark benachteiligten Bremer Quartiere, sondern vor allem die, in denen aktuell über die Unterbringung von Flüchtlingen gestrittenen wird. Das gilt unmittelbar für drei der sieben Hochburgen, während die übrigen ebenfalls in der Nähe sozialer Brennpunkte oder diskutierter Flüchtlingsunterkünfte liegen.

Man kann also vermuten, dass für eine Minderheit der Bewohner sozial benachteiligter Gebiete die Begrenzung der Zuwanderung wichtiger ist als die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.


Die Bremer Hochburgen der AfD 2013 in %


Ortsteil
AfD-Anteil
Flüchtlingsdiskussion
Grohn
5,89
ja
Hohweg
5,59

Rönnebeck
5,32

Fähr-Lobbendorf

ja
Hemelingen
5,07
ja
Osterholz
5,07

Lüssum-Bockhorn
5,05



Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse der anderen Ortsteile bestätigt, für die Flüchtlingsunterkünfte geplant sind bzw. waren. Auch hier sind umstrittene Entscheidungen mit Anteilen für die AfD verbunden, die über dem Bremer Durchschnitt liegen. Wenn die Standortwahl hingegen als begründet angesehen wird, findet man keine erhöhten Werte. Die AfD hat also nicht von der Flüchtlingsdiskussion generell profitiert, sondern nur von wenig überzeugenden und daher strittigen Vorgaben der Sozialbehörde.

Das sollte man daher auch bei der häufig überaus kritischen Beurteilung der AfD nicht vergessen.


Weitere Ortsteile mit mehr oder weniger umstrittenen Flüchtlingsunterkünften

Ortsteil

AfD-Anteil 2013 in %

Arbergen
4,4

Arsten
4,7

Bahnhofsvorstadt
3,6
Ohne Diskussion
Neue Vahr Südwest
3,6
Ohne Diskussion
Stadt Bremen
3,6



Quellen:

Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Bundestagswahl 2013, Nürnberg 2013.

Lachmann, Günther, Die konkreten Ziele der Alternative für Deutschland, in: Welt vom 6.4.2013.

Landeshauptstadt Hannover (Hg.), Bundestagswahl 2013 in der Region Hannover. Ergebnisse – Analysen – Vergleiche, Hannover 2013.

Plickert, Philip, Alternative für Deutschland. Mehr als Euro-Kritik, in : FAZ vom 15.4.2013.

Rose, David, Wahlergebnis in der Analyse Wer wählte was warum?, bei: www.tagesschau.de.

Timmann, Patrick, Meinungsforscher zum AfD-Resultat. Wer hat die Alternative für Deutschland gewählt?, auf: www.euractiv.de.


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