Donnerstag, 15. August 2013

Zentrum: Vorschläge


Vom toten Raum zum City-Treff

 oder zum Industrieappendix: 


der Blumenthaler Marktplatz



Durch den Verlust der Arbeitsplätze auf der BWK-Gelände und den Bau und die Erweiterungen des Blumenthal Centers haben das Blumenthaler Zentrum um die Mühlenstraße und speziell der Marktplatz ihre alten städtebaulichen Funktionen weitgehend verloren. Es kommen keine Strömen von Beschäftigten der BWK oder von größeren Nachfolgebetrieben mehr als Passanten durch diese Straßenzüge, und Einkäufe können komfortabler im benachbarten SB-Warenhaus und den angrenzenden Geschäftszeilen erledigt werden. Auch werden angrenzende Wohnstraßen als soziale Problemgebiete wahrgenommen, was die Attraktivität dieser Bereiche weiter senkt. Ein Zusammenspiel dieser Faktoren hat zu zahlreichen Leerständen geführt, wodurch eine weitere Verstärkung dieser Abwärtsentwicklung droht.

Da bei der begrenzten Blumenthaler Kaufkraft keine Rückgewinnung der Einkaufsfunktion möglich scheint, muss für das Zentrum nach anderen Funktionen gesucht werden, wenn der Prozess der Niedergangs gestoppt und umgekehrt werden soll. Hier bietet sich die städtische Kommunikationsfunktion an, da in diesem Bereich das relativ monofunktional ausgerichtete Blumenthal Center keine Konkurrenz darstellt. Es sollte daher nach einem Bündel von Einzelmaßnahmen gesucht werden, durch die sich der Marktplatz und angrenzende Straßenbereiche zu einem attraktiven City-Treff entwickeln können. Dazu werden 


a) mehr Passanten und Anwohner benötigt als bisher. Mögliche Maßnahmen wären eine Wohnbebauung des BWK-Geländes und eine Umwandlung von leerstehenden Geschäftslokalen in Wohnungen. 

Ein zweiter Aspekt ist  

b) die Erreichbarkeit, wozu Parkplätze erforderlich sind, von denen aus die Geschäfte am Marktplatz fußläufig gut erreichbar sind. 

Ein verbessertes Potenzial lässt sich 

c) nur binden, wenn ein Angebots-Mix vorhanden ist, der den Bedürfnissen potenzieller Kunden und Gäste entspricht. 

Schließlich benötigt die gute Stube einer Stadt, wie in anderen Orten vergleichbare Plätze genannt werden, 

d) eine Möblierung, die für längere Aufenthalte Anreize bietet. Dazu können neben Bäumen, Sträuchern und Blumenbeeten auch Brunnen oder Skulpturen beitragen, die den Platz ästhetisch aufwerten. 

Dieser Einsatz für ein attraktives Ortszentrum macht jedoch nur Sinn, wenn die Nachbarschaft des Marktplatzes intakt ist; denn ein Zentrum braucht einen entsprechenden Einzugsbereich an Besuchern und Konsumenten. Das wird mit Sicherheit nicht der Fall sein, wenn es ein toter grauer Platz zwischen einer Industriebrache und einer No-Go-Area bleibt. 

Nur eine sichere Perspektive, die durch einen Wohn- und Gewerbepark auf dem BWK-Gelände und ein deutlich besser integriertes Wohngebiet an und um die George-Albrecht-Straße entstehen kann, wird Blumenthal wieder ein funktionsfähiges Stadtteilzentrum geben. Andernfalls droht die Entwicklung zu einem Industriegebiet mit angrenzenden Wohngebieten für Asylsuchende, Geduldete, Hartz IV-Empfänger und Migranten.



Von Agora und Forum zum Marktplatz


Was macht eine Stadt zur Stadt? Das ist eine Frage, die gerade im Internetzeitalter, die die ganze Welt zu einem globalen Dorf gemacht und durch den Internethandel den Einkauf in die eigene Wohnung verlagert hat, ganz neu stellt und damit auch eine veränderte Antwort erfordert.

Städte haben sich immer vom platten Land unterschieden, auch wenn sich das im Laufe der Geschichte geändert hat, wobei früher die Abweichungen noch erheblich einschneidender waren als heute. So umgaben häufig noch bis zur Zeit der Industrialisierung Mauern als ehemalige Befestigungsanlagen die Städte und grenzten sie damit bereits baulich sehr deutlich vom Land ab. Auch war es früher erheblich mühsamer und zeitaufwendiger, um vom Land in einer Stadt zu gelangen, da es keine Flugzeuge, Eisenbahnen und Autos gab. Das sind sichtbare Veränderungen. Es gibt jedoch auch einen Wandel der Funktionen, der nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.

Städte waren damals nicht nur für ihre eignen Bewohner, sondern auch für ihr Umland dar, wobei sich dieses Leistungsangebot meist auf einen zentralen Platz konzentrierte. So war die Agora im antiken Griechenland der zentrale Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt. Damit sind auch bereits drei wichtige Funktionen angesprochen: hier wurden Waren gehandelt, um die Stadtbewohner mit den Lebensmitteln aus dem Umland zu versorgen, aber auch die Waren der städtischen Handwerker anzubieten und vor allem die exotischen Produkte der Fernhändler, also vor allem Gewürze und edle Stoffe.

Für viele Bürger waren jedoch die hier abgehaltenen politischen Volksversammlungen, die den Kern der griechischen Demokratie darstellten, wie wir sie vor allem aus Athen kennen, und religiöse Feiern, die man hier veranstaltete, zumindest ebenso wichtig.



Der Funktionsverlust


Die räumliche Manifestation der wichtigen Funktionen einer Stadt blieb auch im Mittelalter und in der Moderne vor allem der Marktplatz. So finden wir in vielen Städten und auch in Bremen das Rathaus, den Dom und den Marktplatz in enger Nachbarschaft. Die Existenz eines Marktes, wozu im Mittelalter entsprechende Rechte verliehen werden mussten, war daher ein Definitionsmerkmal von Städten. 




                     Bremer Marktplatz mit Rathaus und Dom (Quelle: wikipedia)



Im Laufe der Geschichte ist es zu einer Reihe von Entwicklungen gekommen, die diese Bedeutung erheblich verändert haben.

Besonders einschneidend waren die Veränderungen im Handel. Hier erinnern die heutigen Wochenmärkte in Deutschland kaum noch an den Markthandel in früheren Zeiten, als es nicht nur vorrangig einen Grünmarkt für Obst und Gemüse gab, sondern auch viele Handwerke ihre Produkte feilboten, woran heute noch die als Touristenattraktion konzipierten mittelalterlichen Märkte mit ihren von Handwerkern hergestellten Waren und Gauklern erinnern.

Sonst findet der Handel heute meist innerstädtisch in Fußgängerzonen statt, die häufig von Warenhäusern geprägt waren, und inzwischen immer stärker in diversifizierten Einkaufspassagen ihre Kundenmagneten besitzen. Für diese Innovationen des Einzelhandels war meist an den traditionellen Marktplätzen kein Platz mehr, sodass eine deutliche Verlagerung der Passantenströme eingetreten ist. 


Hinzu kommen als weitere räumliche Konkurrenten zur gesamten Innenstadt die SB-Warenhäuser und Einkaufszentren, die große Parkplätze und damit entsprechende Flächen benötigen, wie man sie meist nur außerhalb der Innenstädte findet.


Die Blumenthaler Zentrumsentwicklung 


Blumenthal hat sich im Zuge der Gründung und raschen Entwicklung der Bremer Woll-Kämmererei in kurzer Zeit aus einem Weserdorf zu einer kleinen Industriestadt gemausert. Dabei konnte man auf kein städtisches Erbe zurückgreifen, denn die Burg steht nicht für eine städtische Selbstverwaltung, sondern für die Feudalzeit und die Abhängigkeit von Bremen. 

Dadurch fehlt Blumenthal ein klassischer Marktplatz, was sich bereits im Fehlen einer entsprechenden Straßenbezeichnung ausdrückt.

Dieses Defizit wurde auch in den Jahren der Industrialisierung und der Blütezeit der BWK und damit Blumenthals in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg nicht geschlossen, auch wenn sich damals die Mühlenstraße und die Kapitän-Dallmann-Straße zu Geschäftsstraßen entwickelten und die Blumenthalerinnen und Blumenthaler nicht einmal auf ein eigenes Modehaus verzichten mussten. Unter dem Namen „Nordenholz“ wurde hier noch 1993 ein altes Warenhaus mit einer Fläche von 1.300 qm renoviert und neu ausgerichtet, das dann Ende 2003 geschlossen wurde. Es galt viele Jahrzehnte lang als ein Mittelpunkt des Stadtteils.


Die Entwicklung in 1980er und 1990er Jahren


Mit dem fast kontinuierlichen Abbau von Arbeitsplätzen bei der BWK verlor dieser Bereich seine Passantenströme zum Arbeitsbeginn und vor allem zum Feierabend.

Eine erste Reaktion auf die schwindende Attraktivität des Markplatzes war die Sperrung für den Autoverkehr im Jahr 1991. Die Planer versuchten also eine isolierte Platzlösung, um diesen Bereich wieder aufzuwerten, wie es andernorts bereits seit Jahrzehnten über Fußgängerzonen angestrebt wurde.

Dieser Versuch war allerdings nur mäßig erfolgreich, da die Zahl der BWK-Mitarbeiter bis Anfang 1999 auf ca. 600 sank und deren Kaufkraft durch wiederholte Kurzarbeit geringer wurde. 


In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends setzten jedoch weitere Entwicklungen dem alten Zentrum noch weitaus drastischer zu. So brach die Beschäftigung der BWK weiter ein, denn im April 2001 sah ein Investitionsprogramm nur noch 320 Mitarbeiter in Blumenthal vor. Hinzu kam mit dem Blumenthal Center, das auf einer ehemaligen Betriebsfläche der BWK errichtet wurde, eine harte Konkurrenz für die Fachgeschäfte im Ortszentrum durch ein großes SB-Warenhaus. Hier wurde im Frühjahr 2003 der erste Bauabschnitt mit einer Verkaufsfläche von 12.500 Quadratmetern eröffnet.


Wie es bei dieser damals neuen Vertriebsform üblich ist, standen den Kunden über 500 kostenlose Parkplätze direkt vor dem Eingang zur Verfügung, sodass sie nach dem Prinzip des One-Stop-Shoppings ihren Einkauf bequem, schnell und preiswert erledigen können. 

Das waren zwei Schläge, von denen sich das alte Zentrum bisher nicht erholen konnte, ja, die ihm vermutlich sogar ein jahrzehntelanges Siechtum aufgezwungen haben.

Aktuell versucht die Interessenvertretung „Blumenthal aktiv“ mit einem speziellen Arbeitskreis Stadtentwicklung die Revitalisierung der alten gewachsenen Ortskernstrukturen. Deshalb will man eine Anbindung des Blumenthaler Marktplatzes an das Blumenthal Center und an das BWK-Gelände erreichen. Dabei sieht man eine Hürde im Umbau des Marktplatzes in einen „reinen Fußgängerbereich, wodurch „die Hauptverkehrsader des Ortsbereiches, die Landrat-Christians-Straße, von der Mühlenstraße 
und der Kapitän-Dallmann-Straße als Verbindungswege“ zum BWK-Gelände beziehungsweise in entgegengesetzter Richtung zum Blumenthal Center abgekoppelt wird. 

Obwohl in einer Machbarkeitsstudie das Bauamtes Bremen-Nord auf angeblich kaum lösbare Folgeprobleme verwiesen wurde, ist es erklärtes „oberstes Anliegen“ von „Blumenthal aktiv“, eine „Wiedereröffnung des Marktplatzes zu erreichen“. Allerdings gibt es auch viele Skeptiker unter den verbliebenen Einzelhändler, wie er Weser-Kurier in einem Artikel zum 20. Jahrestag eines verkehrsfreien Marktplatzes berichtet hat. (Goldberg)


Die Stadtteilkonzeptgruppe 2004-5


Weniger konkret und schnell waren bisher die Reaktionen der Bremer Verwaltung auf den Niedergang des Blumenthaler Zentrums. So wurde in den Jahren 2004-5 in Verbindung mit dem Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), das sich in gemeinsamer Trägerschaft der Universität und der Arbeitnehmerkammer Bremen befindet, von einer lokalen Planungsgruppe ein Konzept Blumenthal erarbeitet. Der Stadtteilkonzeptgruppe gehörten neben Vertretern aus Blumenthal, d.h. aus dem Beirat, dem Ortsamt und von lokalen Initiativen, sowie von Interessengruppen wie der Handelskammer vor allem Vertreter der Bremer Verwaltung an. Hier waren das Bauamt Bremen-Nord, das Sozialzentrum Nord, das Polizeirevier Blumenthal, die städtische Investitions- und Wohnungsbaugesellschaften sowie nicht zuletzt die Senatskanzlei und der Senator für Bau, Umwelt und Verkehr vertreten. Von außen kommende Fachleute und interessierte Bürger ohne repräsentierende Funktion blieben also außen vor.


Insgesamt waren fast 50 Personen beteiligt, die vor allem zwischen Juni 2004 bis Oktober 2005 in zehn mehrstündigen Sitzungen zentrale Themenfelder des Stadtteilkonzeptes erörterten.

Im Hinblick auf das alte Ortszentrum wurde damals konstatiert, dass sich gut 30 Geschäfte des Einzelhandels und ca. 40 Dienstleistungsbetriebe an der Mühlen-, Kapitän-Dallmann- und Landrat-Christians-Straße befanden. Ebenfalls ermittelte man ungefähr 15 Leerstände, zu denen auch ein großflächiger Einzelhandel gehörte. Hierin sahen die Konzeptentwickler die 
Gefahr, dass auf diese Weise das Erscheinungsbild des Zentrums negativ beeinflusst und die Geschäftsdichte weiter reduziert werden könnte. 

In ihrer Analyse stellten sie damals eine negative Tendenz fest, denn die Zahl der Leerstände hatte sich in den letzten Jahren erhöht, wodurch eine Magnetwirkung des Standortes, insbesondere über die Stadtteilgrenzen hinaus, kaum mehr gegeben war. Daher wiesen sie auf die Gefahr hin, dass sich „bei einem längeren Fortbestand dieser Situation negative Folgen für die ansässigen Geschäfte ergeben.“

Funktional gesehen, war das Angebot in jene Jahren bereits eher auf die Nahversorgung als auf ein zentrenrelevantes Sortiment des längerfristigen Bedarfs ausgerichtet, wobei keine qualitativ höherwertigen Akzente festgestellt wurden. Auch vermissten die Konzeptentwickler Gastronomie und freizeit- und tourismusorientierte Angebote. Nur an der Landrat-Christians- Straße existierten mehrere Dienstleistungsanbieter, zu denen auch das Ortsamt Blumenthal als öffentliche Institution zählte. (S. 26)

Zusammenfassend erschien das traditionelle Stadtteilzentrum daher den Konzeptplanern vom Erscheinungsbild her „als unbefriedigend“, auch wenn „einige historische Gebäude architektonisch attraktive Ensembles“ bilden.


In einer Detailanalyse der Situation des Marktplatzes wies man auf eine schlechte Auffindbarkeit vorhandener Stellflächen vor allem für ortsunkundige Besucher hin, obwohl man insgesamt ein ausreichendes Parkplatzangebot für den verkehrsfreien Marktplatz feststellte. Eine Möglichkeit, um den Wettbewerbsnachteil gegenüber den kostenlosen Parkplätzen am Blumenthal Center abzubauen, sah man in einem kostenlosen Kurzzeitparken für die Kunden der ansässigen Geschäfte.

In den Sitzungen der Arbeitsgruppe wurden mehre Vorschläge zur „Weiterentwicklung“ des alten Stadtteilzentrums diskutiert. Dabei ging es vor allem um 

- eine verbesserte Verbindung des traditionellen Zentrums mit dem Blumenthal-Center,

- die Optimierung der verkehrlichen Erreichbarkeit sowie

- eine gestalterische Aufwertung, die auf eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Zentrenbereich abzielt


Dazu zählte eine Öffnung des Marktplatzes Blumenthal von der Landrat-Christians-Straße/ Weserstrandstraße hin zur Mühlenstraße, wobei die Wochenmarktnutzung erhalten bleiben sollte. Allerdings konnte man sich dabei nicht auf die zulässige Fahrtrichtung einigen, da hier die Akteure im Ort und die planende Verwaltung abweichende Standpunkte vertraten.

Mehr Konsens gab es für eine gestalterische Aufwertung der Landrat-Christians-Straße und der Weserstrandstraße zwischen dem Bahnhof Blumenthal und dem Blumenthal-Center, um hier die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Das sollte vor allem durch eine Begrünung des Straßenraums geschehen. Dabei sollten auch die Arkaden der Bremer Wollkämmerei einbezogen werden.


Auch wollten die Konzeptentwickler durch eine Treppenanlage zwischen der Straße und dem Blumenthal Center eine bessere Verknüpfung der beiden zentralen Pole erreichen. Dazu sollte auch eine „publikumsorientierte Nutzung“ des Areals zwischen den beiden Standorten beitragen.

Um die Auffindbarkeit der vorhandenen Parkplätze vor allem auch für ortsfremde Kunden zu erleichtern wurde ein entsprechendes Parkleitsystem vorgeschlagen.

Zusätzlich sollte die Erreichbarkeit des alten Blumenthaler Zentrums durch eine Verbindung zu einem Fuß- und Radweg entlang der Weser verbessert werden, den man durch eine „grüne Wegeverbindung“ mit dem Marktplatz verbunden sehen wollte. (S.28)


Der Masterplan Blumenthal


Nach der Schließung der Bremer Woll-Kämmerei im Jahr 2009 waren die Weichen für die Planung dieser Verbindung zwischen dem Marktplatz und der Weser neu gestellt. Daher wurde ein Wettbewerb für einen sogenannten Masterplan Blumenthal ausgelobt, dessen Kosten je sich je zur Hälfte der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und private Unternehmen wie die Elders Inc. als Eigentümer des BWK-Geländes teilten.

Auch wenn die BWK sicherlich ein bedeutendes Unternehmen für Blumenthal war, muss die Bezeichnung irreführend wirken, da es keineswegs um ein neues Konzept für Blumenthal ohne eine arbeitende BWK ging. Das zeigten bereits die Rahmenbedingungen für diesen Wettbewerb, die eine weitere industrielle Nutzung des Geländes voraussetzten, da der australische Aufkäufer der BWK sein nicht mehr genutztes umfangreiches Gewerbegrundstück entsprechend verkaufen wollte. So stand praktisch nur eine Öffnung des Geländes zum Stadtteil im Mittelpunkt der Ausschreibung.


Der Siegerentwurf der Büros Westphal/LohausCarl, der Mitte 2010 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, umfasste daher drei wesentliche Punkte:

- eine Aktivierung des Weserwanderweges

- eine Verbindung zwischen dem alten Zentrum und der Weser durch das BWK-Gelände und einem Platz vor der Fliegerhalle mit einer Aussichtsterrasse

- eine vollflächige Pflasterung der Fläche zwischen den historischen Industriegebäuden, sodass eine großzügige Freifläche entsteht, die von Fußgängern, Radfahrern und Anliegerverkehr gleichermaßen genutzt werden kann.


Das Handlungskonzept Zentrum Blumenthal


Zielte der Masterplan damit vorrangig auf eine Verbindung zwischen dem alten Zentrum und der Weser bzw. einem Weserfuß- und -radweg, wurde die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GFS), eine Tochter der GEWOBA, vom Bau- und vom Wirtschaftssenator mit einem Gutachten beauftragt, das sich vorrangig mit der Entwicklung des Marktplatzes beschäftigen sollte. Auch in diesem Fall ist die Bezeichnung des Ergebnisses als „Handlungskonzept Blumenthal“ eher irreführend, da ebenfalls nur ein weiterer Mosaikstein eines derartigen Konzepts behandelt wurde. 

So hatte auch nach den Angaben des Gutachters das Untersuchungsgebiet nur eine Größe von ca. sieben Hektar oder 0,07 qkm, was nicht eben viel ist, wenn man es in Relation zum Orts- bzw. Stadtteil Blumenthal mit 4,05 qkm bzw. 22,6 qkm sieht. Grundlage des Gutachtens war eine Befragung der Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümer.

In ihrer Bestandsaufnahme dokumentierten die Gutachter einen schlechten baulichen Zustand von Gebäuden, einen problematischen Branchenmix, eine fehlende „Exportfunktion“, womit ein weitgehend nur noch auf den Nahbereich orientiertes Angebot von Waren und Dienstleistungen gemeint sein dürfte, mangelhafte Angebotsqualitäten und Geschäftspräsentationen sowie zahlreiche Leerstände.

Diese schwierige Situation in den zentralen Geschäftsstraßen soll sich bereits Anfang 2011 auch in den angrenzenden Wohngebieten widergespiegelt haben.

Als Lösungsansatz schlug die Gesellschaft für Stadtentwicklung vor, den Bereich des Marktplatzes als „ein attraktives Zentrum mit einem kleinteiligen und qualitätsvollen Angebot als Ergänzung zum Blumenthal-Center“ aufzuwerten, und in den „Schrumpfungsbereichen“ die Wohnnutzung zu fördern.

Im Prinzip wollten die Gutachter damit die noch vorhandene Kaufkraft auf weniger Geschäfte konzentrieren und die restlichen Ladenlokale in Wohnungen umbauen. Die räumliche Konzentration sollte sich dabei auf den Einzelhandel sowie die Dienstleistungen und die Gastronomie am Marktplatz sowie an der Hauptverkehrsachse Landrat-Christians-Straße konzentrieren. Dadurch wollte man erreichen, dass sich in einem räumlich eng begrenzten Areal ein attraktives Zentrum mit einem kleinteiligen und qualitätsvollen Angebot als Ergänzung zum Blumenthal-Center bildet.

In den Schrumpfungsbereichen, die damit in der Mühlen- und Kapitän-Dallman-Straße zu finden sind, sollte hingegen eine Stärkung der Wohnnutzung erfolgen. Dadurch erwarteten die Gutachter sogar, dass der Stadtteil insgesamt als Wohnstandort von dieser Umstrukturierung des Zentrums profitiert.



Der Lenkungskreis Zentrumsentwicklung


Zeitlich parallel zu diesen Arbeiten setzte der Bau-Senator eine Lenkungsgruppe Blumenthaler Zentrum ein, die den Masterplan und die Aussagen des Koalitionsvertrages zu Blumenthal umsetzen sollte und die Mitte 2011 zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat.

Nach dieser Vorgabe wollten die Koalitionäre das Gelände der Bremer Wollkämmerei wiederbeleben, und zwar durch „einen attraktiven Mix gewerblicher und hochwertiger industrieller Nutzungen, deren Verträglichkeit mit den umgebenden Wohnlagen und die Öffnung zum Ortskern ermöglicht.“ So lautet der anscheinend nicht ganz geglückte Text der Vereinbarung an dieser Stelle. Dadurch wollte man Blumenthal als Wohnstandort „stabilisieren“ und „die gewerbliche Adresse Blumenthal zu stärken und Arbeitsplätze schaffen“.


Ähnlich allgemeine positive Absichten hatte man für den angrenzenden Ortskern Blumenthal. Hier wollte man „einen Strategie- und Maßnahmenplan erarbeiten, der kurz- und mittelfristig zu realisierende Maßnahmen enthält“. Zentrale Punkten sollten dabei die Entwicklung von Schlüsselgrundstücken, die Umwandlung von verwaisten Geschäftsgebäuden in Wohnnutzungen, eine verbesserte Erreichbarkeit und die Entschärfung eines zentrumsnahen sozialen Brennpunktes“ sein (Koalitionsvertrag, S. 32).

Das Gremium, das sich um die Konkretisierung dieser Vorhaben kümmern sollte, besteht aus sieben Behördenvertretern sowie je einem Vertreter der Kaufleute und des Wirtschaftsrates, dem Ortsamtsleiter und einem Vertreter der Grundstückseigentümer, der vom Ortsamt bestimmt wurde. Dieses Gremium, das sich offensichtlich auch mit Grundstücks- und damit Vermögensfragen beschäftigt, tagt nicht öffentlich. Sogar seine Protokolle bleiben geheim, sodass die betroffenen Bürger nur durch die Berichte des Blumenthaler Ortsamtsleiter über die Arbeit informiert werden.

Nach dem Bericht des Ortsamtsleiters, den er dem Beirat im Mai 2913 gab, hat der Lenkungskreis zunächst festgestellt, dass der Einzelhandelsschwerpunkt Blumenthals das Blumenthal-Center ist. Es strahlt nach dem Urteil dieser Sachverständigen über den Stadtteil aus und wird durch eine absehbare Erweiterung zukünftig noch an Bedeutung gewinnen.

Neue Impulse braucht hingegen vor allem das südliche Ende der Mühlenstraße. Dabei kann die Entwicklung und Neugestaltung 
des dortigen Marktplatzes zur Keimzelle für ergänzende kleinteilige Einzelhandelsangebote werden. Dies wird kann aber nur gelingen, wenn die Mühlenstraße verkehrlich wieder besser angebunden wird.

Trotz seiner wenig transparenten Verfahrensweise nahm dieses Gremium Einfluss auf den Blumenthaler Beirat. So beschlossen die Blumenthaler Beiräte aufgrund einer Empfehlung der Lenkungsgruppe Mitte Juli 2011 die Vergabe eines weiteren Gutachtens, das sich mit einer Aufwertung des Marktplatzes an der Mühlenstraße beschäftigen sollte. Ziel war dabei ein Handlungskonzept, das eine Neudefinition des historischen Blumenthaler Zentrums vornehmen sollte.

So erklärte der Vertreter der Bremer Baubehörde in diesem Lenkungsaustausch ein verkehrliches Gutachten sei notwendig, „um die zentralen Punkte in Blumenthal zu stärken und die Auffindbarkeit von Parkflächen zu erleichtern.“ Das Ergebnis soll anschließend „öffentlich vorgestellt werden“, da die 
„Vertraulichkeit“ innerhalb der Steuerungsgruppe kein Stillschweigen bedeute.

Auch wenn die Sitzungen und Protokolle des Lenkungskreises nicht öffentlich sind, wurden die Bürger über ein sogenanntes Bürgerbeteiigungs-Treffen im Dezember 2011 informiert und beteiligt. Auf diese Weise sollen die vorgetragenen Bürgerideen in die Diskussion des Lenkungskreises „einfließen“.

An dieser Versammlung nahmen neben den Mitgliedern des Lenkungskreises auch 25 Bürger teil, die sich vor allem für die Situation in der George-Albrecht-Straße interessierten. Dabei wiesen sie nicht nur die Vermüllung der Straße, sondern auch auf Probleme bei der Nutzung von Parkflächen an der Fresenbergstraße hin, die an die Wohnblöcke in der George-Albrecht-Straße grenzen und kaum genutzt werden. Als Grund wurde Angst vor Beschädigungen der dort abgestellten Fahrzeuge genannt.

Viele Beiträge machten Vorschläge, wie sich das Ortszentrum wieder beleben lässt. So wurde das leerstehende ehemalige Modehaus Nordenholz als Bürgerzentrum vorgeschlagen. Weitere Bürgerideen bezogen sich auf eine Verbindung zwischen Blumenthal Center und Ortszentrum. 

Für den Blumenthaler Ortsamtsleiter, der seine Einschätzungen in der Veranstaltung darstellte, fehlen dazu jedoch inhaltliche und finanzielle Konzepte. Um mehr „Bewegung in die Mühlenstraße und die Kapitän-Dallmann-Straße zu bringen“, setzt er stärker auf mehr Initiativen der Immobileineigentümer, so auf gepflegte Hausfassaden und ein sauberes und positives Straßenbild. Weniger erwartet er hingegen von einer Öffnung des Blumenthaler Marktplatzes für den Verkehr, die für ihn kein Allheilmittel darstellt.


Der überforderte Leerstandsmanager


Im Januar März 2013 wurden dann ein älterer Vorschlag aus den Gutachten realisiert und aus Mitteln des EU-Strukturfonds und des Landes Bremen 120.00 € eingeworben, mit denen angeblich zeitlich befristete Stellen von zwei Immobilenmanagern für das alte Blumenthaler Zentrums geschaffen werden sollten. Aufgabe dieser zunächst als Kümmerer bezeichneten Mitarbeiter des Sanierungsunternehmens BauBeCon war vor allem eine Umsetzung des vorgeschlagene Konzepts, das den Umbau leerstehender Geschäftslokale in Wohnungen vorsieht.


Dafür sind, wie es in der Begründung der Mittelvergabe heißt, auch Motivationsimpulse nötig, da die „Gewerbetreibenden und meist privaten Hauseigentümer“ angesichts der langen Phase des Niedergangs und der gegenwärtigen „desolaten Lage“ „resigniert“ haben. Es wird daher erwartet, dass die Immobilienmanager auf die Gewerbetreibenden und Hausbesitzer zugehen und mit ihnen gemeinsam mögliche Lösungen erarbeiten. Dabei soll die Sanierung alter Gebäude durch die Eigentümer, die Förderung eines qualitativ hochwertigen Einzelhandels und die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Handelskonzeptes angestrebt werden Auch soll auf diese Weise ein privates Netzwerk von Hauseigentümern aufgebaut werden

In der offiziellen Ankündigung klang dieses Vorhaben ausgesprochen ambitioniert, denn es hieß es: „Das Motto des neuen Konzepts soll im Wesentlichen lauten: Klasse statt Masse. So soll die Zahl der Geschäfte im Stadtkern insgesamt sinken, dafür aber deren Qualität steigen.“

Von der Arbeit dieser Mitarbeiter, die sich zwei Jahre lang eine Stelle teilen müssen, erwartet der Senat wahre Wunder, da durch ihren Einsatz „die Wirtschaft des Stadtteils angekurbelt, Arbeitsplätze gesichert sowie das städtische Profil von Blumenthal geschärft“ werden soll. Aber sogar diese erstaunlichen Erwartungen lassen sich noch toppen, da Immobilienmanager  anscheinend sogar in der Lage sind, das heruntergekommene Zentrum eines kleinen Industriestädtchen ohne historische Tradition in einen Touristenmagneten zu verwandeln. Mit den Worten der Bremer Verwaltung, die sich mit der Blumenthaler Zentrumsentwicklung derart viel Mühe macht, klang das folgendermaßen: „Außerdem wird der historische Stadtkern wieder für Einheimische und Touristen attraktiv und zu einem Ort der sozialen Begegnung.“

In der Realität sah das Projekt rasch ganz anders und vor allem sehr ernüchternd aus. Zunächst begannen zwar zwei Immobilenfachleute im Januar 2013 Jahres mit einem eigenen Beratungsbüro in der Mühenstraße 3c ihre Arbeit, um dem Aufschwung im Ortskern Impulse zu geben. Das ließ zumindest der Slogan „Blumenthal blüht auf“ an der Schaufensterscheibe erwarten.

Jedoch schon wenige Wochen nach dem Start ist die Offensive für das seit Jahren kränkelnde Zentrum des Stadtteils offenbar ins Stockes geraten, wie die Lokalpresse feststellte. So hatten die Immobilienfachleute zunächst lange Zeit ihre Ansprechpartner, die Hauseigentümer, ermittelt, wobei sie jedoch nicht in allen Fällen von den Geschäftsinhabern rund um den Markt und in der Mühlenstraße mit offenen Armen aufgenommen worden waren. 


Offensichtlich hatten zu diesen Schwierigkeiten auch falsche Erwartungen beigetragen, denn die BauBeCon-Mitarbeiter erklärten, dass sie keine „Kümmerer“ seien, wie man es in der Presse, aber auch im Blumenthaler Beirat gelesen und gehört hatte. Daher wurden die Immobilienmanager für die Sitzung nach den Sommerferien zu einem Sachstandsbericht eingeladen.

Dazu berichtete die Lokalpresse dann unter der Schlagzeile „Kümmerer“ hat Kummer“ von einer negativen Zwischenbilanz. Dabei mussten die Beiräte zunächst feststellen, dass aus zwei Managern inzwischen nur noch einer geworden war, der vor allem über seine Schwierigkeiten mit den Immobilienbesitzern klagte, die durch überfüllte Mülleimer, ein als Abstellkammer genutztes Ladenlokal und ein zugemauertes Schaufenster einen katastrophalen Gesamteindruck erzeugten.

Dieser Zwischenbericht ohne greifbare Vorschläge oder Ergebnisse war fast allen Beiräten zu mager. Allerdings gab es auch eine Ausnahme. Dabei muss jedoch eine deutlich abweichende Zeitperspektive beachtet werden; denn dieses Beiratsmitglied führte die resignativ-ablehnenden Haltung der Immobilieneigentümer auf deren Alter zurück und meinte, „dann müsse sich das Projekt Zentrumsrevitalisierung eben um ein paar Jahre verschieben.“


Die Blumenthaler Beiratsaktivitäten


Die bereits zwanzigjährige autofreie Geschichte des Blumenthaler Marktplatzes und seiner Umgebung, die früher einmal ein belebtes Ortszentrum waren, fand weitgehend ohne Aktivitäten des Blumenthaler Beirats statt. Das heißt natürlich nicht, dass über die Initiativen, die von anderer Seite kamen, dort nicht informiert und diskutiert wurde.

Nur muss in allen diesen Fällen bedacht werden: die finanziellen Mittel Bremens und die Kaufkraft der Blumenthaler Bevölkerung lassen sich nur einmal ausgeben, also entweder in Blumenthal oder in anderen Orts- und Stadtteilen. Es kann daher auch und gerade in der Politik nicht so viel Altruismus erwartet werden, dass Politiker und Interessengruppen außerhalb Blumenthals sich für die Stärkung des Zentrums besonders stark machen; denn ein Euro, der hier ausgegeben wird, wandert nicht mehr in die Kassen im Blumenthal Center, nach Vegesack, zur Waterfront oder in die Bremer City. Entsprechendes gilt für die öffentlichen Mittel, auf die auch andere Quartiere immer ein waches und vor allem begehrliches Auge werfen.

In dieser Wettbewerbssituation hat es zwangsläufig wenig Durchschlagskraft, wenn sich in Blumenthal erst am 27. Mai 2013 ein Beiratsausschuss konstituierte, der sich mit der Zentrumsentwicklung beschäftigt. Wie das Protokoll dieser Sitzung zeigt, handelte es sich dabei vor allem um eine Informationsveranstaltung, auf der der Ortsamtsleiter über den damals aktuellen Sachstand informierte.

Dabei ging es vor allem um die Planungen zur Entwicklung des ehemaligen BWK-Geländes, die sich später im B-Plan 1288 wiederfinden sollten, also um einen Weserfuß- und Radweg, eine
fußläufige Verbindung von der Weser zum Marktplatz über die historische Achse des BWK-Geländes und um den Umbau der unter Denkmalschutz stehenden Arkadengebäude an der Landrat-Christians-Straße. Dazu wollte die Stadt „mit 500.000 € in Vorleistung treten, um die „Randlage der Stadt“ zu stärken.“

Direkt zum Marktplatz konnte wenig Neues berichtet werden, wenn man von einer Verkehrsbegutachtung absieht, die als Ziel eine Neuorganisation des Marktplatzes hat, und von einer Bebauung weiterer Freiflächen gegenüber dem „Blumenthal-Center“, für die ein „Mix aus Einzelhandel und Gastronomie vorgesehen war.

Auf der Nordseite des Marktplatzes, also im Bereich der George-Albrecht-Straße, war damals noch die Erklärung zu einem „Mini-Win-Gebiet“ vorgesehen, um damit eine weitere Belastung von der Entwicklung des Ortszentrums zu nehmen.

Ein neuer Gesichtspunkt wurde durch einen Hinweis auf eine Standortgemeinschaft der betroffenen Einzelhändler nach dem Modell eines „Business Improved District“ (BID) in die Diskussion eingebracht. Dieser Gedanke stieß allerdings auf wenig Zustimmung, da damit eine „Zwangsabgabe“ verbunden wäre und in Blumenthal nicht umsetzbar sei, wie ein entsprechender Versuch bereits vor Jahren gezeigt habe, der bereits mit den dazu gehörenden Planungen gescheitert sei.

Ähnlich unfruchtbar verlief Mitte August 2013 eine Blumenthaler Beiratssitzung, die sich intensiver mit der Entwicklung des Ortszentrums beschäftigt hat. Hierzu berichtetet der Immobilienmanager von seinen zähen Bemühungen, die bisher ohne sichtbare Erfolge geblieben waren, und die Einzelhändler forderten erneut durch einen Bürgerantrag eine rasche Öffnung des Marktplatzes zumindest als zusätzliche Parkmöglichkeit, um den „letzten ansässigen Unternehmen“ noch eine Chance zu geben.

Als Kommentar zu diesem Bürgerantrag vermerkt das Ortsamt: „Der Inhalt dieses Antrags wurde bereits als Arbeitsauftrag des Nichtständigen Ausschusses für Zentrumsentwicklung behandelt.“ Die Entscheidungsträger haben also mit anderen Worten Gutachten vergeben, Wettbewerbe ausgelobt, und Vorschläge behandelt und verworfen. Nur hat sich nichts geändert. Das Zentrum siecht weiter dahin. Und das bereits seit über zwanzig Jahren nach der Realisierung der jetzigen Platzvariante, die man nur schwerlich als städtebauliche Lösung bezeichnen kann.




                                             Fußgängerzone "Marktplatz"



Dabei müssen eine Nutzung für einen Markt und als Parkplätze sich nicht einmal ausschließen, wenn man auf eine Kommunikationsfläche auf dem Platz verzichten verzichten kann, weil sie am Rand vorhanden ist. Sonst ist zwangsläufig eine kleine Parkfläche mit begrenzter Parkzeit für die Kunden der benachbarte Dienstleister vorzuziehen.


                                                      Marktplatz Verden


Der (fast) tote graue Platz heute


Trotz seiner zwanzig Lebensjahre als Fußgängerzone, diverser Gutachten und unzähliger Diskussionen und Verbesserungsvorschläge sieht jeder Besucher Blumenthals, wenn er den hier diskutierten Platz bei einer Fahrt auf der Weserstrand- oder Kapiän-Dallmann-Str. rechtzeitig entdeckt und einen Parkplatz findet, als einen mehr oder weniger toten Raum. Das gilt sogar für sonnige Feiertage, wenn sich auf anderen Marktplätze Passanten Schaufenster ansehen, einen Kaffee oder ein Bier trinken oder mit einem Eis in Hand ihre spielenden Kinder beobachten. Auf dem Blumenthaler Marktplatz kann auch dann nicht einmal ein parkendes Auto die Leere stören.


Blumenthaler Marktplatz (1. Mai, mittags)

Diese Momentaufnahme lässt sich durch einen Blick auf die noch vorhandenen Geschäfte bestätigen. Darunter findet man vor allem den Textildiscounter kik, die ARCHE Schuldnerberatung und Foto Roth an der Ecke zur Landrat-Christians-Straße.

                                       Schuldnerberatung mit Skulptur

Da weder die in der Information des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erwarteten Touristen noch die Blumenthaler hier wie von einem städtebaulichen Magneten angezogen werden, vermittelt der Marktplatz vor allem einen Eindruck von Leere. Als Ersatz für Besucher und Kunden kann auch die Möblierung durch einen Brunnen und eine Skulptur nicht für mehr Vitalität sorgen, da der graue Gesamteindruck nicht einmal durch Pflanzkübel, Blumenbeete oder gar Bäume Farbe und Leben erhält. Diese Tristesse der Unbelebten wird noch durch eine Skulptur in Anthrazit von Andreas Frömberg verstärkt, die versteckt in einer Ecke stehen muss.

Plastik "Die Lebensalter" von Andrea Frömberg

Auch ein Brunnen, ganz in Betonfarbe, der den Eindruck noch durch seine Wasserlosigkeit betont, stört nicht diesen Gesamteindruck. Man könnte auf den Gedanken kommen, in dieser Möblierung eine Darstellung von Leblosigkeit, Verfall und Tod zu sehen, die in Verbindung mit der Schuldnerberatung und den Leerständen ein einheitliches Gesamtbild vermittelt.

                                        Marktbrunnen am 1. Mai mittags

Plätze können durch eine entsprechende Möblierung einen ganz anderen Charakter erhalten, wenn es die Planer wollen. Ein Beispiel für Farbigkeit und Lebendigkeit ist beispielsweise der Strawinski-Brunnen in Paris mit seinen beweglichen und wasserspeienden Einzelplastiken der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle.

                                             Strawinski-Brunnen in Paris


Aber es muss nicht unbedingt das Werk eines international renommierten Künstlers mit den entsprechenden Kosten sein. Auch in relativ kleinen und unbekannten Städten, die in ihrem Kern mit 8.000 Einwohnern nicht größer als Blumenthal sind, lässt sich durch einen Brunnen an die Tradition der dortigen Söltjer, der Salzsieder, anknüpfen.

                                            Söltjer-Brunnen in Bad Münder

Dabei gelingt es sogar, dass die Teile des Brunnens, bei denen das Wasser in den Hintergrund tritt, nicht nur kalt und grau wirken, da man nicht ganz auf Pflanzen verzichtet, wie diese Beispiele aus dem niedersächsischen Bad Münder veranschaulichen.


Grünanlagen am Brunnen in Bad Münder


Es kommt schließlich darauf an, wie die lokalen Entscheidungsträger ihren Marktplatz gestalten und damit auch diese städtebaulichen Visitenkarte
präsentieren wollen. Die Gestaltung lässt damit auch Rückschlüsse auf deren Stimmung zu, die sie mit ihrer Heimat assoziieren. So kann man mit der Platzgestaltung eine positive Verbindung mit der Vergangenheit dokumentieren oder einen eher beziehungslosen surreal leeren Raum darstellen, der nicht gerade zu einem gemütlichen Aufenthalt einlädt.
 


Von der Handels- zur Kommunikationsfunktion



Die jetzige Platzgestaltung in Blumenthal besitzt keinerlei Aufenthaltsqualität, da sie nicht für optische Reize sorgt und nicht einmal ansprechende Sitzmöbel anbietet. Der Platz steht daher bereits symbolisch nicht für Aufbruch, sondern für Niedergang.

Eine Änderung der Situation kann daher nicht von dem inzwischen entstandenen Zustand und auch den Erwartungen der Anwohner ausgehen, den die Gutachter inzwischen mit Resignation beschreiben. Er entspricht damit also ganz der realen Entwicklung, an der Planungsankündigungen mit hochtrabenden Bezeichnungen wie Masterplan oder Handlungskonzept nichts ändern konnten. Vielmehr dürften sie den Eindruck noch verstärkt haben, da sie nichts bewirkt haben, sondern Geld für die Beschreibung von Problemen ausgegeben wurde, die man ohnehin mit Händen greifen kann.

Da diese bisherigen Analysen der aktuellen Situation auf Befragungsdaten der noch bestehenden Händler und Dienstleister beruhen, wurde eine andere Ausrichtung des Angebots weitgehend ausgeblendet. Man hat auf diese Weise vor allem die Betriebe erfasst, die sich trotz aller Widrigkeiten gehalten haben und nur durch ganz mutige neue Geschäfte ergänzt, die hier das Risiko einer Neugründung bei den niedrigen Ladenmieten gewagt gaben. Diese Struktur ist somit weitgehend der harte Kern der alten Handelsfunktion am Marktplatz.

Bei diesem Zugang zum Problem wird eine mögliche Funktionsdifferenzierung zwischen dem Blumenthal Center mit seinem breiten Einzelhandelsangebot und dem alten Zentrum nur wenig berücksichtigt. Hier dürfte eine vergleichende Analyse beider Standorte zu dem Ergebnis kommen, dass von der Sortimentsbreite und dem Preisniveau her kleine Einzelhandelsflächen am Blumenthaler Marktplatz mit dem Blumenthal Center nicht konkurrieren können. Es macht daher auch keinen Sinn, in dem Sortiment des Centers nach Lücken zu suchen, die dann durch Angebote am Marktplatz und in seiner Umgebung geschlossen werden können; denn es darf der wesentliche Nachteil des Marktplatzes nicht vergessen werden, der in der bequemen Möglichkeit des One-Stop-Shoppings beim konkurrierenden Zentrum besteht. Am Marktplatz ist immer ein spezieller Halt erforderlich, der erst durch ein ganz besonderes Angebot für Durchschnittskunden attraktiv wird, die auf ihr Zeitbudget achten. In vielen Fällen dürften daher Sortimentslücken im Blumenthal Center nur kurzfristig bestehen, bevor sie dort vom SB-Warenhaus oder einem anderen Einzelhändler geschlossen werden.

Daher müssen in der Nische des Marktplatzes Angebote konzentriert werden, die nicht in unmittelbarer Konkurrenz zur Handelsfunktion stehen. Die gibt es durchaus, wenn man an die klassischen Marktfunktionen denkt, und dürften sich auch teilweise kommerziell ausfüllen lassen. Zu denken ist dabei vor allem an die Kommunikationsfunktion, die in den klassischen SB-Warenhäusern eindeutig zu kurz kommt und heute erst in Verbindung mit City-Passagen und ihren gastronomischen Betrieben ergänzt wird, durch die der Einkauf zu einem Erlebnis gemacht werden soll. Gerade der noch bestehende Grünmarkt am Freitag mit seinen Marktbeschickern beweist mit seiner Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Obst- und Gemüseangeboten im Blumenthal Center schon im Ansatz die besondere Qualität dieses Konzepts.


Der Marktplatz als Kommunikationsraum


Um diesen Funktionskern zu stärken, müssen der Platz und die unteren Etagen der angrenzen Gebäude verstärkt zu attraktiven Treffpunkten werden. Dazu ist nicht nur eine generelle Belebung durch größere Passantenströme erforderlich, sondern auch ein Ambiente, das zu einem längeren Aufenthalt im Freien verlockt.

Das kann nur gelingen, wenn der Platz zu einer Bühne wird, auf der sich etwas Interessantes beobachten lässt. Das kann durchaus ein Brunnen sein. Nur wird daraus erst ein Anreizpunkt, wenn sich dort etwas ereignet. Das können spielende kleine Kinder sein, wie das Beispiel aus Bad Münder zeigt.
Auch kann dabei, wie es in Bad Münder geschehen ist, mit einer Skulptur oder einem Brunnen an eine historische Tradition erinnert werden. In der niedersächsischen Stadt ist das die Salzgewinnung, an die auch noch ein als Söltjer, d.h. einen Salzsieder, kostümierter Stadtführer erinnert.

Entsprechend könnte in Blumenthal auf die Bedeutung des Wollkämmerei hingewiesen werden. Da Wasser immer eine Animationswirkung besitzt, sodass in vielen Städte Plätze auf diese Weise mehr Leben erhalten, könnte hier eine Installation zur Wollwäsche einen sinnvollen Standort haben. Beispiele hiefür findet man etwa in der wallonischen Stadt Verviers, in der alte Maschinen der Baumwollverarbeitung an markanten Punkten der Stadt aufgestellt sind.


Mögliche kommunikative Ergänzungen 


Eine Fortsetzung des Themas BWK wäre ein kleines Kämmerei-Museum, das ebenfalls in erster Linie als Treffpunkt organisiert ist. D
enkbar wäre etwa eine offene Museums-Stube, in der sich noch lebende Mitarbeiter und andere Interessierte austauschen können und der mit historische Geräten und Bildern an Blumenthals industrielle Vergangenheit erinnert. 

Daneben könnten in einem Medienraum die alten Videos aus der BWK-Zeit sowie digitalisierte Fotosammlungen zu verschiedenen Themenbereichen abgerufen werden. Über einen oder mehrere Monitore ließen sich auch weitere Informationsdateien von Datenträgern des Museums oder aus dem Internet abrufen. Damit wäre ein Museumskonzept realisiert, das auf große Ausstellungsflächen verzichtet, die häufig wenig frequentiert sind, und sich ganz auf die Kommunikations- und Informationsfunktion konzentriert.

Neben einem derartigen Angebot, das für Blumenthal aufgrund seiner Entstehung und Geschichte typisch und einmalig wäre, 
könnten weitere klassische Kommunikationseinrichtungen für Leben und auch für Umsätze sorgen. Das gilt etwa aufgrund der demografischen Struktur für einen Seniorentreffpunkt, aber auch für einen Frisör und ein Fitness-Center. 

Ein relativ breites Angebt kann dabei für die nötigen Passantenzahlen sorgen, die zu relativ häufigen Zufallstreffen von Bekannten im öffentlichen Raum führen, was dann den jetzt verwaisten Marktplatz zu einem beliebten Treffpunkt machen kann.


Die Komponenten eines Zentrums

Ganz gleich ob man Handels- oder Kommunikationszentren betrachtet, darf man sie nicht punktuell sehen. Sie lassen sich nicht von den Räumen isolieren, mit denen sie durch Besucher-, Passanten- und damit auch Kaufkraftströme verbunden sind. Das war bisher ein deutliches Defizit in den Blumenthaler Zentrumsplänen, die sich jeweils auf einzelne Teile eines größeren Mosaiks beschränkt haben, so etwa die Verbindung zur Weser oder auch den Marktplatz und die unmittelbar angrenzenden Straßenzüge.

Diese extrem verkürzte Sichtweise vernachlässigt die Räume, die zur früheren Vitalität des alten Ortskerns beigetragen haben und die sie heute verhindern. Das gilt vor allem für den sozialen Brennpunkt an und um die George-Albrecht-Straße und das BWK-Gelände. Beide Bereiche sind als Kaufkraftquellen für das Ortszentrum inzwischen mehr oder weniger ausgefallen. Im sozialen Brennpunkt leben vor allem Einwohner, die gerade wegen ihres geringen Einkommens in diese Ghettosituation gedrängt wurden die daher nur eine entsprechend geringe Kaufkraft besitzen.

Ein noch deutlicher Ausfall von Kaufkraft stellt neben der von den Entscheidungsträgern und Planer gewollte Konkurrenz durch das Blumenthal Center die inzwischen eingetretene Industriebrache auf dem ehemaligen BWK-Gelände dar. Da sich hier aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels die alten Zeiten nicht wiederherstellen lassen, als einmal fast 5.000 Mitarbeiter dort gearbeitet und morgens und abends für Leben in den angrenzenden Straßen Blumenthals gesorgt haben, ist die weitere Entwicklung hier für das Zentrum am Marktplatz ein großer Unsicherheitsfaktor. Das gilt einerseits für die Ausrichtung des Bebauungsplans, der gegenwärtig in der Diskussion ist, andererseits aber auch die faktische Realisierung der Pläne.

Zweifellos würde ein Wohn- und Gewerbepark auf diesem Gelände für die meisten Besucher, Passanten, Käufer und Nutzer in einem benachbarten Zentrum mit einem entwickelten Kommunikationsfunktion sorgen. Das ist schließlich in jeder Stadt der Fall, in der ein Zentrum von Wohngebieten umgeben ist, aus denen die Einwohner ihre Waren und Dienstleistungen in der City besorgen.

In Bremen und Blumenthal wollen allerdings starke politische Kräfte durchsetzen, dass ein altes Industrieareal allen ökonomischen und sozialen Veränderungen zum Trotz weiterhin nur als Industrie- und Gewerbegebiet genutzt werden soll. Die damit verbundenen Nutzungskonflikte lassen bestenfalls eine schleppende Umsetzung dieses Konzepts erwarten, das im Idealfall am Ende einer Entwicklungsphase, die vermutlich zwei Jahrzehnte beträgt, zu 1.000 Arbeitsplätzen führen kann.

Wie ein Blick auf andere Gewerbegebiete dieser Größenordnung zeigt, wird dadurch kein Impuls für die Ansiedlung zentraler Einrichtungen ausgelöst. Durch den Individualverkehr und die kürzeren Arbeitszeiten werden eben Einkäufe nicht mehr auf dem Weg von der Arbeit erledigt, wie das in den 1950er und 1960er Jahren noch der Fall gewesen sein mag, als das alte Zentrum Blumenthals noch mit Leben gefüllt war. Diese Zeit ist jedoch inzwischen unwiederbringliche Vergangenheit.

  

Räumlich und zeitlich vernetzte Planung


Fakt ist, dass die Entwicklung des Marktplatzes und des gesamten alten Blumenthaler Zentrums nicht unabhängig von den angrenzenden Wohngebieten, also vor allem dem sozialen Brennpunkt an der George-Albrecht- Straße und ihrem Umfeld, von dem Ausbau des Blumenthal Centers und der Beplanung des ehemaligen BWK-Geländes gesehen und analysiert werden kann, da kein Zentrum ein isolierter punktueller Raum ist, sondern seine Funktionen von den angrenzenden Gebieten abhängig sind. Das war bisher ein Manko der vergebenen Gutachten und Wettbewerbe, die durch ihre politischen Vorgaben diesen Zusammenhang weitestgehend ausgeblendet haben.

Zwar wurde in den diversen Gremien, die sich in Bremen und Blumenthal mit der schwierigen Situation Blumenthals beschäftigten, gern von einer Vernetzung gesprochen, die man dann als erreicht ansieht, wenn Vertreter verschiedener Behörden am selben Tisch sitzen. Das ist zweifellos eine notwendige Voraussetzung, da sich die Entwicklung eines Stadtteils nicht auf ein Ressort beschränkt, auch wenn in Bremen senatorische Behörden häufig durch eine gemeinsame personelle Spitze zusammengefasst sind.

Aber mit diesem Schritt sind zwei weitere Aufgaben noch lange nicht erreicht, die erst für das Gelingen notwendig sind. Es dürfen nicht wie bisher die Bebauungsplanung für das ehemalige BWK-Gelände, für die inzwischen der P-Plan 1288 vorliegt, die beabsichtigen Maßnahmen vor allem der Sozialbehörde für die George-Albrecht-Straße und die für das alte Blumenthaler Zentrum getrennt betrachtet werden, da so mögliche Impulse, die von der Entwicklung eines Gebietes auf die anderen ausgehen können, übersehen werden. Das gilt vor allem für die Chancen, die vom BWK-Gelände ausgehen können, da hier mit einer relativ frei planbaren 
Brachfläche eine deutliche Steuerung erzielt werden kann, wie das sonst im Städtebau kaum möglich ist. Schließlich besteht hier die ideale Möglichkeit, dass Bremen nicht nur planen kann, sondern auch Eigentümer der Fläche ist.

Hier kann man also in einer fast einmaligen Weise Akzente setzen, wenn man es will. Das dürfte bei einem sozialen Brennpunkt erheblich schwieriger sein, wie die Erfahrungen in anderen Städten und den WiN-Quartieren Bremens zeigen. Zumindest werden hier mögliche Veränderungsprozesse erheblich langsamer verlaufen als die Vorbereitung, Erarbeitung und den Beschluss eines Bebauungsplans. 

Damit ist der wichtige zweite Aspekt, die Zeit, angesprochen. Veränderungen und damit auch Verbesserungen, die aus einer Unterstützung des Zentrums durch eine Entspannung an der George-Albrecht-Straße und eine Bebauung des BWK-Geländes eintreten, erfolgen nicht von heute auf morgen. Man muss daher zwischen einer aktuellen Stabilisierungsphase, in der langsam die Weichen für die Zukunft gestellt werden, und mittelfristig einer Neuordnungsphase unterscheiden, in der sich mögliche positive Impulse aus den beiden angrenzenden Teilgebieten Blumenthals auszuwirken beginnen. 

Das würde bedeuten, dass man zunächst die bestehende Situation stabilisiert, indem man etwa die Parkplatzsituation im Sinne der Einzelhändler auf dem Marktplatz verbessert. Das sollte eigentliche eine Selbstverständlichkeit sein, denn es mag ja immer schwer fallen, einen Fehler einzugestehen, nur sollte das nicht über zwanzig Jahre dauern und anderen Steuerzahlern das Leben in diesen Jahren erschweren. 


Die Organisation der Veränderung: Innovationsbereich Marktplatz-Mühlenstraße


Ein Zeitraum von ca. drei bis fünf Jahren, bis sich erste Impulse aus den Maßnahmen in den Nachbargebieten ergeben können, sollte zügig genutzt werden, um die Neuordnungsphase zu konzipieren. Auch dabei sollte man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und nicht versuchen, sie zu vertuschen.

Da es um die Zukunft Blumenthals und nicht die von Bremen geht, muss, wie jede Lebenserfahrung lehrt, vor allem Blumenthal die Gestaltung übernehmen. Die politischen Gremien sollten sich daher nicht auf die Verwaltungen in Bremen und deren Fachkompetenz verlassen, sondern sich einmal wie Instanzen einer eigenständigen Stadt verstehen, die sich optimal entwickeln will. Dazu besitzt ein Bremer Stadtteil zwar nur sehr begrenzte Rechte, aber er darf deswegen durchaus den Willen haben, das Beste für sich selbst zu erreichen. Er muss daher nur seine Ressourcen entsprechend bündeln und möglichst richtige Impulse setzen.

Auch wenn eine Organisation der Innovation nach der Institution
 einer organisierten Standortgemeinschaft auf Ablehnung stößt, kann man dieses Konzept ohne seine rechtlichen Zwangsrahmen als Vorbild nehmen. Ein innovatives Stadtteilmanagement könnte so etwa die betroffenen Immobilieneigentümer und Ladeninhaber an einen Tisch bringen, um mit ihnen im Rahmen des vorher entwickelten Konzepts die nähere Zukunft in einem klar abgegrenzten Zeitraum zu planen. 

Das könnte etwas das hier angerissene Modell eines Kommunikationszentrums sein. Dabei wäre dann nicht nur auf die Bestandsinteressen der aktuellen Geschäftsinhaber, sondern auch auf sinnvolle Ergänzungen zu achten, damit insgesamt rechtzeitig ein attraktives Angebot zur Verfügung steht.


Die Vitalisierung angrenzender Quartiere




Wie bereits mehrfach betont, macht dieser Innovationsprozess nur Sinn, wenn mittelfristig eine tatsächliche Verbesserung der Passanten- und damit auch Konsumentenströme zu erwarten ist. Diese Voraussetzung muss also mit großer Sicherheit in einem möglichst gut prognostizierten Rahmen eintreten. 

Unabhängig davon, ob man sich auf dem ehemaligen BWK-Gelände eine Realisierung des B-Plans 1288 oder einen Wohn- und Gewerbepark wünscht, werden also möglichst konkrete Zahlen benötigt, damit sich ein Angebot planen lässt, das auch auf eine entsprechende Nachfrage trifft. Davon wird es auch abhängen, wie viel Parkflächen auf dem Marktplatz zur Verfügung stehen können bzw. als Fläche für eine ansprechenden Platzmöblierung durch Blumenkübel, Spielgeräte und Sitzmöbel, aber auch für gastronomische Betriebe, also eine Eisdiele, ein Café und vielleicht auch einen Biergarten, benötigt wird.


Wie diese kommunikativen Möglichkeiten zeigen, hängt die Realisierungschance weniger von gestrichenen Hausfassaden und Leerständen ab, sondern von potenzielle Gästen und Kunden. Man muss den Zusammenhang daher her anders sehen. Nicht das Verschwinden leerer Ladenlokale führt zu einer Belebung, sondern Menschen, die in der Nähe leben und ein attraktives Angebot finden, kommen auf einen Platz, sodass es sich lohnt, leerstehende Gebäude umzubauen und gut zu vermieten oder selbst zu nutzen. 

Damit wird vor allem eine potenzielle Nachfrage aus dem ehemaligen BWK-Gelände zu dem ganz gewichtigen Faktor, der über die Zukunft des alten Blumenthaler Zentrums entscheidet.



Zentrumsloses Blumenthal?


Die Planungen des alten Zentrums kranken an ihrer isolierten Vorgehensweise. Dessen Funktionsfähigkeit hängt nicht nur von einem Platz und einigen angrenzenden Gebäuden ab, sondern von den Leistungen, die es für eine Reihe benachbarter Quartiere erfüllen kann oder eben auch nicht, wie es aktuell vor allem für die Wohngebiete an und um die George-Albrecht-Straße und die weitgehende Industriebrache auf dem BWK-Gelände zutrifft.

Die Verantwortlichen in Blumenthal haben es also in der Hand, was aus ihrem Zentrum werden soll. Sie können aus ihrer ehemaligen Kreisstadt ein Industrie- und Gewerbegebiet mit angrenzenden Wohngebieten für Asylsuchende, Geduldete, Hartz IV-Empfänger und Migranten machen. 


Anscheinend haben sich die Beiratspolitiker mehrheitlich für diesen Weg entschieden, als sie sich so beharrlich und gegen alle guten Argumente für eine entsprechende Nutzung der Industriebrache einsetzten, die nach dem Ende der Bremer Wollkämmerei zwischen Wätjens Park, Weser und altem Ortszentrum neu geplant werden konnte.

Das lässt sich zwar als Offenbarungseid gegenüber allen städtebaulichen Ambitionen interpretieren, aber es kann zweifellos der Wille einer mehr oder weniger schweigenden Mehrheit sein. Nur macht es in diesem Fall wenig Sinn, gleichzeitig Steuergelder für Gutachten auszugeben, die sich damit beschäftigen, wie sich die Planungsfassade von einem angeblich gewünschten Zentrum am Marktplatz noch ein paar Jahre länger erhalten lässt.

In diesem Fall wäre es zweifellos ehrlicher, wenn man das Blumenthal Center als alleiniges Stadtteilzentrum anerkennen würde, das sicherlich sogar in seinem jetzigen Erscheinungsbild durchaus zu einem Industrievorort ohne größere eigene Entwickungsvorstellungen, aber mit sozial stark belasteten Wohngebieten passen würde. Hier lässt sich vielleicht sogar noch ein ebenerdiges Ladenlokal im Zuge eines weiteren Ausbaus anmieten und als Ortsamt einrichten. Damit wären dann auch die Probleme der Barrierefreiheit und Parkplätze gelöst.


Quellen:

Denker, Christina, Parkplatz statt Marktplatz, Blumenthaler Kaufleute wünschen sich Öffnung, Weser-Kurier vom 14.08.2013.
Drieling, Regina, Moschee oder Bürgerhaus? Ehemaliges Nordenholz-Modehaus in der Kapitän-Dallmann-Str. vor dem Verkauf, in: BLV vom 24.4.2013.
Dies., „Kümmerer“ hat Kummer. Bilanz nach einem Dreivierteljahr: Kritik an Immobilienstandortmanagement und Kay Greiner, in: BLV vom 14.08.2013.
Drinda, Dorothea, Kirk, Matthias und Warsewa, Günter, Stadtteilkonzept Blumenthal, Bremen 2007.
Goldberg, Robert, Blumenthaler Marktplatz. Muss der Grünmarkt den Autos weichen?, in: Weser-Kurier vom 05.03.2011.
Grunewald, Klaus, Sanierungsträger soll Blumenthaler Zentrum therapieren. Büro in der Mühlenstraße eröffnet. Einsatz gegen den Verfall, in: Weser-Kurier vom 12.01.2013.
Ladebeck, Julia, Lenkungskreis beteiligt Anwohner an Planungen für Blumenthals Zentrum. Sauberkeit und Sicherheit gefordert - Bürgerideen für einen vitalen Ortskern, in: Weser-Kurier vom 09.12.2011.
Nowak, Karsten, Stadtteilreport Einzelhandel 2012. Analyse der Einzelhandelssituation in den Stadtteilzentren Bremens, Bremen, Juni 2012.



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