Neue Gefahren und eine Stilllegung
Im April und Mai 2013, also den letzten Monaten vor dem angekündigten Ende der Bundeswehrzeit im Tanklager, mussten Entscheidungen über die Zukunft fallen. Der Zeitpunkt der Konversion war schließlich mit dem 31.5. 2013 vorgegeben. Es stand nur nicht fest, was sich anschließend ereignen würde, sodass für Spannung, aber auch für Ängste und Hoffnungen bei den unmittelbar Betroffenen gesorgt war.
Die Spannweite möglicher Alternativen hatte sich bereits in der März-Sitzung des Blumenthaler Beirats abgezeichnet, als neben den Anwohnern und der Tanklager-Bürgerinitiative auch Befürworter einer weiteren Nutzung des Areals als Tanklager ihre Position vorgetragen hatten. Bevor die Tanklager-Story kurz vor Toresschluss Ende Mai eine überraschende Wende nehmen sollte, gab es zunächst noch ein Wechselbad der Erwartungen und Gefühle bei den Anwohnern der kontaminierten Flächen.
Neue Hindernisse auf dem Weg zum Phantom Betriebsgenehmigung
Der April schien für die Tanklager-Interessierten mit einer erfreulichen Überraschung zu beginnen. Oder war es eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit, die es allerdings in Bremen aus kaum erklärlichen Gründen nicht zu sein schien?
So hatte eine Anwohnerin durch einen Bürgerantrag im Blumenthaler Beirat Einblick in die Betriebsgenehmigung des Tanklagers Farge erbeten. Daraufhin erhielt sie am 21. März eine Antwort, die sogar näher auf die Besonderheiten dieser staatlichen Erlaubnis einging, indem „gewichtige“ Details mitgeteilt wurden. „Tatsächlich liegen die Genehmigungsunterlagen bei uns im Amt“, hieß es da, „sie sind aber zu umfangreich, um sie zu versenden. Die Anlage ist in den 1970ern als Altanlage in den Geltungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetz übergegangen und gilt seit dem als nach dem BImSchG genehmigt. Ein einzelnes Schriftstück als Betriebsgenehmigung gibt es also nicht, sondern man muss die Akten chronologisch lesen, um die Entwicklung des Tanklagers nachzuvollziehen.“
Obwohl eine Betriebsgenehmigung, wenn auch in dieser ungewöhnlichen Form, also wirklich zu existieren scheint, nur eben nicht transportfähig oder digital darstellbar ist, folgte ein Angebot, das sogar unabhängig von einem Beschluss eines Beirats für jeden Bürger besteht. „Sie können formlos nach dem Umweltinformationsgesetz Akteneinsicht verlangen, wir könnten Ihnen ab Mitte April die Akten bei uns im Amt zeigen.“
Daraufhin wurde als Termin der 23. April vereinbart und interessierte Bürger machten sich erste Gedanken, wie man dieses Aktenkonvolut in den Amtsräumen sinnvoll lesen und auswerten könnte.
Diese Vorfreude auf ein juristisch zentrales Papier, von dessen Inhalt der Fortbestand des Tanklagers und damit weiterer Sorgen der Anwohner nach der Auskunft von Umweltbehörde und Gewerbeaufsicht abhängen sollte, währte nur bis kurz vor dem vereinbarten Termin, als einem der Teilnehmer eine Absage des Termin mitgeteilt wurde.
Trotzdem nutzen einige Mitglieder der Bürgerinitiative den vereinbarten Termin zu einem Besuch bei der Gewerbeaufsicht, wo man ihnen tatsächlich die Einsicht in die Tanklager-Betriebsgenehmigung verweigerte. Dabei variierte die Begründung für diese Maßnahme zumindest in der Erinnerung der beteiligten Bürger. So war danach sowohl von militärischer Geheimhaltung als auch den Auswirkungen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens die Rede.
Die technisch versierten Gesprächteilnehmer konnten daher mit den Herren der Gewerbeaufsicht nur über die angewandten Kontrollverfahren fachsimpeln, was nicht gerade zu einem höheren Vertrauen in die Kompetenz der Prüfer und damit die Tanklagersicherheit führte.
Da das Umweltinformationsgesetz eine Weigerung in dieser Form nicht vorsieht, wandte sich die Antragstellerin unmittelbar nach diesem frustrierenden Besuch bei der Gewerbeaufsicht erneut an ihren dortigen Mailpartner, der sie einige Wochen zuvor eingeladen und ihr die Einsichtnahme in die Betriebsgenehmigung ohne Wenn und Aber versprochen hatte. Dabei wies sie darauf hin, dass bei der ursprünglichen Einladung von Einschränkungen wie einer möglichen „militärischen Geheimhaltung“ keine Rede gewesen war und man ihr nicht einmal als minimale Höflichkeitsgeste eine begründete Stornierung der Einladung geschickt habe.
Die Antwort kam umgehend gleich am selben Tag, was nach den Widersprüchen am Besuchstag bereits auf eine interne Absprache schließen lässt. Das wurde auch durch den Inhalt der Mail bestätigt, in der es hieß: „wir hatten gehofft, bis Mitte April die Genehmigung der Bundeswehr zur Aktenfreigabe zu erhalten, dies ist leider nicht der Fall. Unser Jurist vom Umweltsenator hat die Bundeswehr aufgefordert, einer Aktenfreigabe zuzustimmen, die Antwort steht noch aus. Wir haben uns behördenintern geeinigt, vor einer entsprechenden Stellungnahme keine Akten heraus zu geben. Wenn sich die Lage ändert, werden Sie es erfahren.“
Diese zwiespältige Lage zwischen den Rechten des Umweltinformationsgesetzes und den restriktiven Möglichkeiten militärischer Geheimhaltung scheint sich seitdem aus der Sicht der Gewerbeaufsicht nicht geändert zu haben, obwohl sich inzwischen noch einiges im Hinblick auf den Einfluss der Bundeswehr getan hat. Eine Mail mit einer neuen Einladung ist jedenfalls noch nicht eingetroffen.
Endlich an der Gefahrenquelle: ein Besuch im Tanklager
War bisher nur über das Tanklager diskutiert worden - für zumindest ein Beiratsmitglied sogar zu oft und zu viel - kam schließlich Mitte April eine Besichtigung des Tanklagers für ein ausgewähltes Publikum zustande, wie sie u.a. die Linke und die SPD im Blumenthaler Beirat bereits zur Zeit der Jahreswende beantragt hatten.
So wurde für Dienstag, den 16. April 2013, um 13 Uhr zu einer nichtöffentlichen Sitzung des Beirats im Tanklager Bremen-Farge eingeladen. Darin sollte in Verbindung mit der Tanklager-Besichtigung ein Gespräch der Beiräte zur aktuellen und zukünftigen Situation des Tanklagers Farge mit „Vertretern des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums Schwanewede, der Abteilung Bundesbau von Immobilien Bremen und der Betreiberfirma TanQuid GmbH einerseits sowie der Bürgerinitiative andererseits geführt werden.
Zur Vorbereitung dieser Expedition in ein nahes, aber dennoch durch die Absperrungen unbekanntes Terrain wurde den Besuchern empfohlen, sich mit festem Schuhwerk um 12.45 Uhr am Haupteingang des Tanklagers in der Betonstraße zu treffen.
An diesem Tag wurde trotz dieser aufregenden ersten Besichtigungsmöglichkeit jedoch ein anderes Ereignis zum großen Thema, denn kurz bevor das Tanklager seine Tore für die handverlesenen Besucher öffnete, wurden die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen deutlich sichtbar, nachdem bereits Anfang des Jahres berichtet worden war, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen die Bundeswehr aufgenommen. Jetzt ging es nicht mehr um eine verbale Meldung im Radio oder in der Presse, sondern um die Sicherung von umfangreichen Mengen an Beweismaterial. So wurden von der Bremer Polizei unter anderem die Geschäftsräume der TanQuid, also der Betriebsführungsgesellschaft des Tanklagers Farge, durchsucht und zahlreiche Akten beschlagnahmt. Gleichzeitig stellte man Beweismaterial in der TanQuid-Zentrale in Duisburg sowie im Bundeswehr-Dienstleistungszentrum in Schwanewede sicher. Dazu erklärte die Staatsanwaltschaft: „Es hat diese Durchsuchungen gegeben, weil wir ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Gewässer- und Bodenverunreinigung führen“
Die Besichtigung des Tanklager am 16. April verlief für die Teilnehmer eher enttäuschend, da sie nichts wirklich Neues sehen konnten, was sich nicht auch von außen durch den Maschendraht erspähen lässt. Vor allem die fünf Mitglieder der Bürgerinitiative hatten sich von dieser Begehung des Tanklager und den Gesprächen mit den verantwortlichen Mitarbeiter bessere Informationen über den Umfang der Kontaminationen auf dem Tanklagergelände und die dort vorhandenen Sicherheitseinrichtungen versprochen.
So konnte man sich auf diese abgeriegelte unübersichtliche Wald- und Heidelandschaft konzentrieren, die mit ihren 3,2 qkm siebenmal größer als der Vatikanstaat, nur eben mit Tanks, Rohrleitungen, Pumpstationen, Löschteichen, künstlichen Hügeln, Straßen und Schneisen ganz anders genutzt wird. Botaniker sollen während des interessanten Programms sogar Wasserlobelien entdeckt haben.
Offensichtlich wollten die Gastgeber vor allem mit dem Eindruck der Größe imponieren. Über Details konnte man hingegen kaum etwas Konkretes erfahren. Das galt etwa für die Effektivität einer „Kläranlage“, die in ihren Ausmaßen an eine „Minitechnikumsanlage“ erinnerte und dafür sorgen soll, dass das Abwasser beim Einlauf in die Weser so sauber „ist“, dass man damit Kaffee kochen könnte. Allerdings durften die Besucher von dieser „Wundermaschine“ nur den äußeren Container in Augenschein nehmen. Über die Arbeitsweise in dieser Black Box sowie die Leistung und den erreichten Reinigungsgrad gab es hingegen bei diesem Anlass keinerlei Angaben. Auch wurde der möglicherweise beweiskräftige Kaffeetest von keinem Bremer Senator praktisch vorgeführt.
Den Technikern unter den Besuchern fielen einige Anlagen auf, die nicht dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Das galt sowohl für die Verladeeinrichtungen als auch die verwendeten einwandigen, nicht begehbaren insgesamt ca. 125 km langen Rohrleitungen, die unterirdisch im Sandbett verlegt sind und sich daher nur schwer kontrollieren lassen.
Wenig überzeugend war auch der Genauigkeitsgrad des Messverfahrens, mit dem man den Füllstand der Tanks ermitteln und damit mögliche Leckagen entdecken kann.
Ein relativ sorgloser Umgang mit den Kohlenwasserstoffen zeigte sich auch bei den Dichtheitsprüfungen der Leitungen, die vor jedem Pumpvorgang bereits durch Abdrücken mit dem zu fördernden Medium erfolgt.
Kritisch sah man auch das Fehlen von Störfallplänen für die Erzieherinnen des Farge-Rekumer Kindergartens, obwohl sich in seiner unmittelbaren Nähe ein Belüftungs- und Revisionsschacht befindet.
Das aufgetauchte HPC-Gutachten
Mitte April konnte die Norddeutsche dann unter dem Titel „Schadstoffbelastetes Wasser in Farge. Gift-Flächen schon länger bekannt“ eine kleine journalistische Sensation präsentieren, da ihr ein Gutachten vorlag, über das die Öffentlichkeit vorher wenig wusste.
Es handelte sich um eine Erfassung und Erstbewertung von Kontaminationsflächen, die vom 30. Juli 2010 datiert und als Grundlage eine Begehung des gesamten Areals in den Monaten Mai und Juni 2010 hat.
Die Gutachter von HPC unterscheiden dabei zwischen den vier Kontaminationsflächen Verladebahnhof I (KF1), dem Hafenanleger (KF2), der Kanisterabfüllfläche (KF3) und dem Verladebahnhof II (KF4) sowie insgesamt 119 Kontaminationsverdachtsflächen (KVF).
Nach diesen Unterlagen hat sich die Bundeswehr zwischen 2006-8 vorrangig mit dem „großen Schadstoffvorrat“ am Verladebahnhof beschäftigt, um vor allem „den derzeit anhaltenden Abstrom von der Liegenschaft“ zu minimieren. Daher war zunächst die Sanierung dieses Belastungszentrums für Mitte 2010 vorgesehen.
Als weitere Altlasten hatte man bereits 1976 am Hafenanleger Kraftstoffe im Grundwasser festgestellt, bei denen die HPC-Gutachter von einem hohen Kontaminationsrisiko sprechen.
Zusätzlich war es zu kleineren Kontaminationen vor allem durch einen zu laxen Umgang mit den Treibstoffen auf der Kanisterabfüllfläche gekommen.
Dieser Zeitungsartikel vom 18. April führte anschließend zu mehreren Anträgen im Blumenthaler Beirat, in denen Bürger und die Linke eine Veröffentlichung des Gutachtens und weitere Einzelheiten über die „mindestens 119 Verdachtsflächen“ forderten.
Hintergründiges aus einer informellen Gesprächsrunde beim SPD-MdB
Außerhalb formeller Einbindungen kam am 30. April ein informelles Gespräch zwischen der Tanklager-Bürgerinitiative und dem direkt gewählten Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Bremen II – Bremerhaven zustande. Zu diesem Treffen im Vegesacker Abgeordnetenbüro hatte Herr Beckmeyer auch hochrangige Mitarbeiter der Bundesanstalt für Immobilenaufgaben (BimA) aus Magdeburg und Oldenburg, des Bundeswehrdienstleistungszentrum Schwanewede und der Leitstelle des Bundes für Boden- und Grundwasserschutz bei der OFD Niedersachsen aus Hannover eingeladen, sodass man direkt von den entscheidenden Vertretern des Eigentümers des Tanklagers Auskünfte erhalten konnte.
Einige der angesprochene Themen sollten im Nachhinein noch in einem veränderten Licht erscheinen, nachdem knapp einen Monat später eine wichtige Entscheidung über das Tanklager bekannt wurde.
Ende April wurde von der BimA zunächst betont, dass sie eine Weiterführung des Tanklagerbetriebs anstrebe, da auf diese Weise der höchste erzielbare Wert für diese Liegenschaft erreichbar sei. Hinderungsgründe sah man dabei nicht, da das Tanklager nach allen technischen Maßnahmen der letzten Jahre und der kontinuierlichen Überprüfung als Tanklager absolut sicher sei, so dass keinerlei Gefahr für die Anwohner bestehe. Für einen Rückbau sah man daher keine Notwendigkeit. Auch verneinte man sowohl für einen zukünftigen Käufer als auch den Bund eine Rückbaupflicht.
Später wurde jedoch im Gespräch deutlich, dass dies eher eine Wunschvorstellung war, denn man konnte nur zwei Interessenten vorweisen und zeigte sich erstaunt, dass Bremen die Liegenschaft beim Angebotspreis von 160.000 € nicht übernommen habe. Als Grund für diese schwierige Verkaufssituation, nannte man eine Reihe von Hürden, von denen direkt die Aktivitäten der Blumenthaler Bürger und der Bürgerinitiative aufgeführt wurden.
Daher ist der Bund inzwischen nicht mehr an einem maximalen Verkaufspreis interessiert, sondern will vor allem die Liegenschaft „los sein.“
Die Schäden sollen aus der Sicht der BimA gutachterlich festgehalten werden, sodass ihre Beseitigung nach dem Verursacherprinzip abgerechnet werden kann. Dabei hielt man es für durchaus angemessen, wenn eine Privatfirma für Störfälle Rücklagen bilden muss.
Außer der Position des Eigentümers beim Verkauf des Tanklagers wurden die Mitarbeiter aus Schwaneweder auf das in der Gewerbeaufsicht vorgebrachte Geheimhaltungsargument angesprochen. Die zeigten sich darüber irritiert.
Am Ende der vorab festgelegten Gesprächszeit waren sich alle Teilnehmer einig, dass noch viel Klärungsbedarf existiere. Daher hielt Herr Beckmeyer eine Fortsetzung des Kontakts für notwendig und empfahl, damit nicht zu lange zu warten.
Eine Anwohnerversammlung im Lokalradio und weltweitem Internet
Die im Dezember 2012 gegründete „Bürgerinitiative zur Erhaltung des Wasserschutzgebietes Blumenthal und Aufklärung der Verseuchung von Grund, Wasser und Boden durch das Tanklager Farge“ hatte Anfang Februar mit monatlichen Anwohnertreffen in Farge begonnen. Ein besonderes Highlight sollte das 4. Anwohner-Treffen am 6. Mai werden, zu dem neben dem Umweltsenator auch die Mitglieder der Umweltdeputation eingeladen worden waren.
Während das Interesse der Anwohner beträchtlich war, blieb die Resonanz bei den Politikern minimal, denn nur die grüne Umweltpolitikerin Dr. Schaefer erschien, um sich den kritischen Fragen vor allem zum Verhalten ihres Parteifreundes, des Umweltsenators, zu stellen.
Thematisch wurde an diesem Abend nach einem Abriss der kurzen Geschichte der Bürgerinitiative über die Erfahrungen aus den Gesprächen bei der Gewerbeaufsicht und bei Herrn Beckmeyer sowie im Tanklager zu berichtet.
Der besondere Clou dieser Veranstaltung war, dass sie später in großen Auszügen über Radio Weser TV an zwei Tagen als Radiosendung ausgestrahlt wurde, sodass sich auch Interessierte, die am ursprünglichen Termin verhindert waren, die Diskussion nacherleben konnten, und das nicht nur über die Radiosender in Bremen, sondern auch als weltweiter Live-Stream im Internet.
Verwässerte Signifikanzen und Gesundheitssorgen: Die Krebsstudie
Nach einigen Vorankündigungen, die schon den Ansatz des Bremer Krebsregisters erkennen ließen, wurde mit einem speziellen Vorspiel am 14. Mai das Gutachten „Kleinräumige Analyse zur Krebsinzidenz in der Region um das Tanklager Farge“ veröffentlicht. Dabei gab es nach einer langen Zeit des Wartens und der Andeutungen eine richtige Inszenierung. Immerhin hatten sich die Auftraggeber dafür auch eine längere Vorbereitungszeit zugebilligt, da das Gutachten selbst bereits im März abgeschlossen worden war. Anschließend hatte man dann auf grünes Licht von dem Beirat des Krebsregisters gewartet, um „sicherzustellen, dass die Methodik guten wissenschaftlichen Standards entspricht.“
Da nach den ersten Auskünften der Gesundheitsbehörde nach dem Schema der Krebsstudie zur BWK-Region und zur Stahlwerke-Region ganze Ortsteile einbezogen worden waren, war klar, dass man sich nicht mit den Bürgeranträgen zur Gesundheitsproblematik beschäftigt hatte, sondern einen „vorsorglichen“ Auftrag des Blumenthaler Ortsamtsleiters und vom Gesundheitsamts erfüllt hatte.
So war absehbar, dass die Untersuchung nicht den Unterschied von Kontaminationen der Luft, wie sie bei den BWk-Nachfolgebetrieben und den Stahlwerken vermutet wurden, und solchen des Grundwassers und des Bodens berücksichtigt hatte. Offensichtlich wurden die Einwohner, die auf der Kontaminationsfahne leben und durch die Umweltbehörde vor der Verwendung des Grundwassers gewarnt worden waren, nicht als Untersuchungsgruppe betrachtet, sondern waren nur eine Teilmenge aller Einwohner der betroffenen Ortsteile. Bereits durch den Ansatz waren damit mögliche karzinogene Effekte der Kontaminationsfahne verwässert, da nur eine Minderheit der Einwohner von Farge und Rönnebeck auf der Kontaminationsfahne lebt.
Die Weichen waren somit bereits vorab für die in diesen kleinräumigen Krebsuntersuchungen nicht gerade seltenen nicht signifikanten Ergebnisse gestellt. Die Veröffentlichung der Studie in merkwürdigen Trippelschritten erschien daher zunächst überraschend, lässt sich jedoch im Nachhinein als besondere Einführung in die spätere Interpretation der Ergebnisse verstehen.
Bevor die Öffentlichkeit und damit auch die unmittelbar Betroffenen die Studie selbst lesen konnten, wurden in dieser Inszenierung drei Filterstufen vorgeschaltet, die anscheinend den Interessierten die Mühe abnehmen sollten, einen längeren wissenschaftlichen medizinisch-statistischen Text lesen und verstehen zu müssen. So wurde die Studie zunächst dem Blumenthaler Beirat vorgestellt, worüber am kommenden Tag die Presse berichten konnte, bevor sich dann eingeleitet durch eine „Zusammenfassung“ der Text der Studie auf der Internetseite des Ortsamtes abrufen ließ.
Diese Mühen waren vermutlich sogar aus der Sicht der Tanklagerbefürworter durchaus sinnvoll, denen ganz und gar nicht an signifikant überdurchschnittlich hohen Krebserkrankungen in Farge und Rönnebeck gelegen sein konnte, denn die Ergebnisse der Studie waren eine richtige Überraschung, die man wegen der vorab verwässerten Daten kaum erwarten konnte.
Zwar wurde in der offiziellen Zusammenfassung auf der Ortsamtsseite festgestellt, dass bei sechs von sieben betrachteten Gruppen von Krebserkrankungen „keine signifikanten Unterschiede ermittelt“ wurden.
Dabei wurde hervorgehoben, dass dies „ auch für die Leukämie- und Lymphomerkrankungen“ gilt, „die spezifischer mit einer Benzolexploration in Verbindung gebracht werden könnten.“ Zu dem einzigen ermittelten signifikanten Unterschied beim nicht-melanotischen Hautkrebs gab es dann gleich eine Entwarnung im Hinblick auf das Tanklager: „Hauptrisikofaktor für diese Krebsart ist allerdings die ungeschützte Sonnenexposition. Ein Zusammenhang mit dem Grundwasser wird als sehr unwahrscheinlich betrachtet.“
Für die Grünen und die Linken konnten diese Aussagen nicht ohne eine intensive Diskussion stehen bleiben. So wurden eine Beiratsdiskussion mit einem Referenten der Gesundheitsbehörde gefordert und Nachfragen zur Häufigkeit der Krebserkrankungen bei den Einwohnern gestellt, die auf der Kontaminationsfahne leben.
Eine Klärung der offenen Fragen wurde am 19. Juni in einer Sondersitzung des Blumenthaler Beirats versucht, auf der die beiden Autorinnen der Studie Rede und Antwort stehen konnten.
In der Diskussion wurde vor allem die Verwässerung möglicher gesundheitlicher Effekte des Tanklagers thematisiert, was die angebliche fehlende Signifikanz des Ergebnisses für Benzol-affine Krebserkrankungen erheblich relativierte. Hier wurde jedenfalls für Farge und Rönnebeck eine gegenüber Bremen insgesamt erhöhte Rate an Krebserkrankungen festgestellt, die jedoch nach der Berechnung der Autorinnen nicht signifikant sein soll, also auch ein Produkt des Zufalls sein kann.
Da die durchschnittliche Häufigkeit von Erkrankungen von der Abgrenzung des Untersuchungsregion abhängt, blieb offen, ob die überdurchschnittlichen Werte nicht vor allem durch die unmittelbaren Anwohner des Tanklagers entstanden sind. In diesen Fall läge sogar eine hohe Signifikanz vor.
Als auch eine der Autorinnen in der Antwort auf eine entsprechende Frage, eingestand, dass sie nicht gerade unbesorgt in der Nähe des Tanklagers wohnen würde, sah der Beirat weiterhin die Möglichkeit gesundheitlicher Gefahren durch das Tanklager. Daher wurde einstimmig für einen Bürgerantrag „Umfassende Gesundheitsuntersuchung“ votiert, der den Bürgern die Sorgen vor einer immer noch möglichen Wiederaufnahme des Tanklagerbetriebs nehmen will. Deshalb wird gefordert, dass erst nach einer Gesundheitsuntersuchung, „die sich nicht nur auf Krebserkrankungen beschränkt“ ein derartiger Plan realisiert werden darf. Dabei wird auf die von der Umweltbehörde selbst in ihren Anwohnerinformationen genannten Nierenschädigungen als mögliche gesundheitliche Belastung, aber auch die an anderer Stelle aufgeführten Leber- und chronischen Nervenschäden hingewiesen.
Außerdem stellt der Antrag heraus, dass auch bei den Krebserkrankungen von der Dauer der möglichen Exposition ausgegangen werden muss, wie die Autorinnen der Krebsstudie selbst angemerkt haben. Daher wären neben den Anwohnern auch die Beschäftigten und vor allem die Kinder einzubeziehen, bei denen allein wegen der Latenzzeit noch keine Krebserkrankungen vorliegen können.
Abschließend heißt es in diesem angenommenen Antrag: „Aufgrund der bisher unzureichenden Informationslage kann es der Beirat im Interesse der Gesundheit der betroffenen Bürger für nicht vertretbar halten, wenn ein weiterer Tanklagerbetrieb erfolgt, ohne dass die berechtigten Sorgen vorher unzweideutig ausgeräumt werden konnten.“
Neue Tatsachen durch den Landkreis Osterholz
Während man sich noch in die Krebsstudie vertiefen oder über die Zukunft des Tanklagers grübeln konnte, gab es wenige Tage vor dem Stichtag 31. Mai eine sensationelle Meldung, mit der nach den Auskünften der Bremer Behörden über eine fast eherne Betriebsgenehmigung kaum jemand gerechnet haben dürfte. Unter den Überschriften „Tanklager: Verkauf hakt am Baurecht. Landkreis Osterholz pocht auf Auflagen für interessierte Betreiber. „Stillstandsbetrieb“ ab 1. Juni“ konnte die Norddeutsche am 28.05.2013 von einem Schreiben der Osterholzer Kreisverwaltung an die BImA vom 8. Mai berichten. Darin war nach den Angaben der Zeitung klargestellt worden, dass ein Käufer vertraglich zusagen müsse, „die gesamte Anlagentechnik zu beseitigen, falls der Betrieb des Tanklagers irgendwann aufgegeben wird.“ Dabei hatte man sogar verlangt, dass diese Verpflichtung mit einer entsprechenden Bürgschaft abgesichert werden müsse.
Diese Auflage hatte auch die beiden letzten verbliebenen Interessenten für eine Weiterführung des Tanklager abgeschreckt, nachdem sich die Großen der Branche ohnehin nicht an der Ausschreibung beteiligt hatten.
Die verbliebenen kleinen Interessenten bezeichneten dieser Auflage als „Querschuss aus Osterholz“, da sie nicht einmal daran denken wollten, einen derartigen Wechsel auf die Zukunft zu unterschreiben, da für sie das Risiko einfach zu groß erschien, „auf Kosten in Millionenhöhe sitzen zu bleiben.“
Kurz darauf sah sich am 30. Mai die Kreisverwaltung Osterholz veranlasst, diese Zeitungsmeldung durch eine Pressemitteilung zu präzisieren. Danach entfallen mit der „förmlichen Aufgabe der militärischen Nutzung des Tanklagers Farge .. bisherige baurechtliche Privilegierungen, die so nur für Zwecke der Landesverteidigung gelten.“ Unter dieser Prämisse geht der Landkreis Osterholz von der Auffassung aus, „dass für eine künftige Nutzung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) oder nachfolgende private Erwerber bauplanungsrechtlich dieselben Anforderungen zu gelten haben, wie sie auch andere private Eigentümer erfüllen müssten. Dies gilt namentlich hinsichtlich von Rückbauverpflichtungen nach einer zukünftig irgendwann einmal anstehenden endgültigen Nutzungsaufgabe des Tanklagers und deren tatsächlicher materieller Sicherung.“
Das sollte nach der Pressemitteilung jedoch keineswegs bedeuten, dass af diese Weise eine Veräußerung oder ein Weiterbetrieb des Tanklagers durch Private „grundsätzlich“ verhindern werden soll; denn die Forderung nach einer Übernahme der Rückbauverpflichtung und deren Sicherung richtet sich nicht an potentielle Erwerber sondern an den Bund. Das hält der Landkreis Osterholz auch durchaus für legitim, „da die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches auch für künftige Generationen zukünftig in der politischen und rechtlichen Verpflichtung, aber auch in der finanziellen Verantwortung stehen sollte, die Folgekosten aufgrund der ursprünglichen Errichtung und militärischen Nutzung des Tanklagers zu tragen.“
Mit diesem Vorgehen möchte die Kreisverwaltung vermeiden, „dass irgendwann in der Zukunft einmal erforderliche aufwändige Sicherungs- und Rückbauaufgaben aufgrund einer bereits heute voraussehbaren Leistungsunfähigkeit potentieller privater Erwerber letztlich bei der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene, d.h. bei Landkreis und Gemeinde verbleiben und damit von der Allgemeinheit vor Ort zu tragen wären.“
Es besteht also eine Rückbauverpflichtung, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist, wobei jedoch offen ist, wer sie im Endeffekt trägt.
So kann, wie es offensichtlich geschehen ist, der Eigentümer Bund versuchen, diese Last bei einem Verkauf auf den Käufer abzuwälzen, was dessen Rentabilitätsrechnung zwangsläufig negativ verändert. Hinzu kommt bei kleineren Anbietern die Stellung von Sicherheiten, worauf der Landkreis Osterholz gepocht hat. Das ist sicherlich bei schwach kapitalisierten Unternehmen eine nur zu verständliche Forderung, da andernfalls bei einer schlechten Geschäftslage, wenn die Aufgabe des Tanklagers anstehen kann, kaum genügend Mittel für einen Rückbau vorhanden sein dürften.
Da kein Käufer diese Rückbauauflagen erfüllen wollte oder konnte, wird ab dem 1.6.2013 das Tanklagers stillgelegt. Verantwortlicher Betreiber während dieses sogenannten Stillstandsbetriebs ist das Dienstleistungszentrum Schwanewede der Bundeswehr, das die Betreuung der Tankanlagen WPD
Wartungs- und Prüfungsdienst GmbH aus Speyer übergibt, während die Bewachung und die Betreuung der wassertechnischen Anlagen anderen Firmen übergeben wird.
Die WPD wird daher jetzt, wie die BUISY-Seite unter Verweis auf das Gewerbeaufsichtsamt meldet, die Trockenlegung des Lagers durchführen. Konkret geht es dabei um die Reinigung und Entgasung der Tanks und Zuleitungen, die regelmäßige Wartung der technischen Vorrichtungen und die Durchführung der notwendigen TÜV-Prüfungen.
Die BImA ist jedoch trotz dieser Stilllegung, wie der Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr erklärte, "nach wie vor bestrebt, das Tanklager zu veräußern".
Trotz Stilllegung: Die 3. Anwohnerwarnung
Mit der Stilllegung sind jedoch noch nicht alle Sorgen der Anwohner beseitigt; denn weder werden dadurch weitere Krebserkrankungen wegen der langen Latenzzeiten rasch auf das normale Maß reduziert noch die Ausbreitung der Kontaminationsfahne gestoppt.
So musste am 11. Juni eine 3. Anwohnerwarnung erfolgen, die sich diesmal weniger auf BTEX, sondern auf MTBE bezog und an die Anwohner einiger Grundstücken an Straßen richtete, denen bereits mit der ersten Anwohnerwarnung im Mai 2009 von der Verwendung des Grundwassers abgeraten worden war.
Bisher unerklärlich, ja fast mysteriös, ist in diesem Fall die Verteilung dieses Schadstoffs, dessen höchste Konzentrationen außerhalb des Tanklager in den südöstlich angrenzenden Wohngebieten gemessen wurden. Nach dem Anschreiben der Umweltbehörde beruht diese Warnung auf Untersuchungen, die im „Nachgang der Anwohnerinformation 2009“ durchgeführt wurden und bei denen „in einer 2011 neu erstellten Grundwassermessstelle in der Straße Am Rottpohl .. eine erhöhte Belastung mit MTBE festgestellt“ wurde.
Wie bereits in den beiden älteren Anwohnerinformationen werden die Betroffenen auch jetzt wieder mit Messwerten und anderen Details „verschont“. Sie dürfen der Umweltbehörde schlicht vertrauen, die „weiterhin untersucht“ und informieren wird, „falls sich aufgrund dieser Untersuchungen ein veränderter Informationsbereich oder Änderungen dieser Empfehlungen ergeben sollten.“
Die herausfordernde Webseite der Umweltbehörde
Das Interesse der seit Mitte Juni freigeschalteten Internetseite der Umweltbehörde zur Altlast Tanklager Farge galt daher nicht nur dem angekündigten hohen Informationsgehalt des neuen Webangebots, das nicht nur von Einwohnern Blumenthals durch Bürgeranträge und eine Petition gefordert worden war, sondern von der Bremer Bürgerschaft bereits Ende letzten Jahres beschlossen wurde. Vor allem die Anwohner werden sicherlich vor allem nach den Messdaten gesucht haben, die in ihrer Nähe festgestellt wurden.
Doch das ist auf dieser Seite gar nicht so einfach, da Erläuterungen Mangelware sind und die Messergebnisse in übersichtlichen Tabellen für die einzelnen Messstellen und –termine völlig fehlen. Hier müssen sich also interessierte Laien durch das vom Ingenieurunternehmen HPC gelieferte Rohmaterial arbeiten. Man kann daher den Satz, dass gut’ Ding Weile haben will, nicht unhinterfragt umkehren, da in diesem Fall nur die längere Entwicklungszeit für die Seite sicher ist, während man sich über das von der Bürgerschaft gewünschte ausreichende Informationsangebot zumindest streiten kann. Danach sollen die Informationen zudem gut zugänglich und so aktuell wie möglich sein.
Eine sachgerechte Einordnung und Bewertung der Messergebnisse wird durch das Fehlen üblicher Erläuterungen sehr erschwert. Das ist in diesem Fall besonders nachteilig, da die Konzentrationen der Giftstoffe ganz unabhängig von den Sanierungsmaßnahmen im Jahresverlauf erheblich schwanken, man kann also an den Messwerten nicht ohne statistische Aufbereitung klare lineare Trends ablesen. Verantwortlich hierfür sind vor allem Niederschläge, die die Konzentration in größeren Grundwassermengen senken, und die geologische Beschaffenheit des Bodens. Daher kann es sogar bei benachbarten Messstellen deutliche Unterschiede zwischen den Messwerten geben. Die sogenannte Kontaminationsfahne ist also bildlich gesprochen ein Körper aus relativ unabhängigen Zellen, in denen sich die Konzentrationen von BTEX, MTBE, PAK usw. im Jahresverlauf stark ändern.
Trotz dieser Messproblematik, auf die nicht eingegangen wird, behauptet der kurze Einleitungstext, dass durch die Sanierungsmaßnahmen am Verladebahnhof II seit Juli 2010 „die Schadstoffmaximalkonzentration in diesem Bereich“ bis Ende 2012 „um über 90 Prozent gesenkt werden“ konnte.
Diese Aussage über eine Schadstoffmaximalkonzentration hängt von einem am 4. August 2010, also kurz nach Beginn der Sanierungsmaßnahmen gemessenen Ausreißerwert ab, der ein Vielfaches des vorangegangenen Messwertes ausmacht und Anfang 2013 bereits um fast 50 % nach untern korrigiert werden musste. Wenn man ohne Rücksicht auf immer mögliche Messfehler und abweichende Grundwassersituationen den Erfolg von getroffenen Maßnahmen beurteilen will, könnte man mit demselben Recht von einer neuen Schadstoffmaximalkonzentration sprechen, die entweder mit dem Beginn der Sanierung oder neuerlichen Leckagen zusammenhängen muss, denn zwischen dem 20.7. 2010 und dieser ominösen Messung ist die BTEX-Konzentration an dem besonders stark kontaminierten Sanierungsbrunnen GWMS 2-08 von 22.671 μg/l um mehr als das 14-fache auf 331.790 μg/l gestiegen.
Schließt man derartige Extremwerte aus, was bei solchen extremen Schwankungen die übliche statistische Konvention ist, kommt man hingegen zu Messwerten, die bestenfalls unter Schwankungen einen geringen Erfolg der Sanierungsmaßnahmen anzeigen. Das deutet nicht gerade auf einen schnellen Abschluss der Sanierung hin.
Neben den Messungen an den Sanierungsbrunnen dürften wegen ihrer Rätselhaftigkeit und der aktuellen Anwohnerwarnung die MTBE-Messungen in der Straße „Am Rottpohl“ besonderes Interesse verdienen. Hier kann man sich durchaus fragen, ob nach einem fundierten Messkonzept vorgegangen wird, denn bereits im Jahr 2011 hatte man an einer anderen Messstelle relativ hohen MTBE-Konzentrationen von bis zu 922 μg/l ermittelt. Trotzdem fanden 2012 keine weiteren Messungen statt, bis man im Januar 2013 eine neue Messstelle startete, wo die Konzentration sogar bei 2.200 μg/l lag.
Während sich diese Daten mit etwas Mühe aus dem kartierten Rohmaterial herausfiltern lassen, fehlen für andere Teile des Tanklagers weiterhin veröffentliche Messergebnisse. Man kann also auch in Zukunft darüber rätseln, ob hier keine Belastungen vorliegen, möglichen Belastungen noch nicht gemessen wurden oder Messergebnisse - aus welchen Grünen auch immer - nicht auf dieser Informationsseite der Umweltbehörde eingestellt worden sind.
Ein Blick in die weiterhin unsichere Zukunft
Durch das Internetangebot der Umweltbehörde wurde daher nicht unbedingt deutlich mehr Licht in die Kontaminationssituation des Tanklagers Farge gebracht, wenn man einmal von den aktuellen Messdaten vom Anfang dieses Jahres absieht. Aber das da sind Einzeldaten, die kaum etwas über mögliche weitere Kontaminationen auf dem Gelände aussagen.
Das ist jedoch keineswegs nur eine akademische Frage, denn prinzipiell bleibt die Zukunft des Tanklagers weiterhin offen, da zumindest theoretisch immer noch eine Wiederaufnahme des Tanklagerbetriebs möglich ist. Die Anlage wird schließlich gewartet und vom TÜV überprüft.
Allerdings wurden deutliche Markierungen gesetzt, die ein unterschiedliches Gewicht besitzen. Einen fast unumstößlichen Pfeiler hat dabei der Landkreis Osterholz gesetzt, der sich auf die Pflicht zum Rückbau von Anlagen im Außenbereich bezieht. Auch wenn diese Kosten inzwischen bei einem hohen zweistelligen Millionenbetrag liegen sollen, nachdem zuvor in Blumenthal noch von 500 Mio. € gesprochen wurde, dürfte kein kleinerer Tanklagerbetreiber diese Auflage schultern können.
Auch bei Kosten, die an der Nähe der unteren Grenze liegen, dürfte sich das Tanklager, das aufgrund seiner Konstruktion ohnehin überdurchschnittlich kostenintensiv arbeitet, kaum rentabel betreiben lassen, wenn man an die Erwirtschaftung dieser großen zusätzlichen Kostenposition denkt.Daher dürfte sich ein privater Betreiber nur finden lassen, wenn der Bund diese Position übernimmt. Das hat er bei der Ausschreibung in diesem Jahr noch abgelehnt. Nur dürfte die jetzige Stilllegung, die mit jährlichen Unterhaltskosten von ca. 8 Mio. verbunden sein soll, keine Dauerlösung für den Eigentümer sein. Der Bund wird also über kurz oder lang eine Lösung suchen müssen, die nicht jährlich Geld kostet, sondern wenigstens eine kleine Summe für diese Problemimmobilie in die Kasse des deutschen Fiskus bringt.
Eine mögliche Lösung wäre dabei eine kooperative Verwertung in Abstimmung mit Bremen und Schwanewede, die auf der Fläche durch Bebauungspläne neue Nutzungen ermöglichen können. Allerdings sieht die Bremer Finanzsenatorin hierfür bisher kein öffentliches Interesse. Aber das kann sich im Laufe der Zeit und angepasster Preise möglicherweise noch ändern.
Eine weitere Markierung, die zwar nicht das Gewicht der juristisch abgesicherten Forderung des Landkreises Osterholz besitzt, haben die Bürger im Stadtbezirk Blumenthal gesetzt. Das gilt ganz generell für ihre Aktivitäten und die Organisation einer Bürgerinitiative. Damit ist klar, die Bürger lassen sich, nachdem sie vor allem durch eine Fernsehsendung aufgerüttelt wurden, die ihnen ihr Vertrauen in die Arbeit der Umweltbehörde genommen hat, nicht mehr unkritisch in Sicherheit wiegen.
Ein Beispiel besonderer Art ist dabei der Bürgerantrag „Umfassende Gesundheitsuntersuchung“, mit dessen Verabschiedung der Blumenthaler Beirat erklärt, dass im Interesse der Gesundheit der betroffenen Bürger kein weiterer Tanklagerbetrieb erfolgen darf, bevor nicht vorher die berechtigten Sorgen der Anwohner unzweideutig ausgeräumt werden konnten.
Damit müssen der Eigentümer und mögliche Käufer des Areals zur Kenntnis nehmen, dass es einen Kreis Osterholz gibt, der auf die Rückbaupflicht achtet, sowie Blumenthaler Bürger und Beiräte, denen die Gesundheit, der Verfall der Preise der Grundstücke und der Schutz des Trinkwassers nicht gleichgültig sind.
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