Samstag, 29. Juni 2013

Tanklager 3: Stilllegung

Tanklager Farge: Eine Wende nicht durch Bremen, sondern durch Osterholz. 


Neue Gefahren und eine Stilllegung


Im April und Mai 2013, also den letzten Monaten vor dem angekündigten Ende der Bundeswehrzeit im Tanklager, mussten Entscheidungen über die Zukunft fallen. Der Zeitpunkt der Konversion war schließlich mit dem 31.5. 2013 vorgegeben. Es stand nur nicht fest, was sich anschließend ereignen würde, sodass für Spannung, aber auch für Ängste und Hoffnungen bei den unmittelbar Betroffenen gesorgt war.

Die Spannweite möglicher Alternativen hatte sich bereits in der März-Sitzung des Blumenthaler Beirats abgezeichnet, als neben den Anwohnern und der Tanklager-Bürgerinitiative auch Befürworter einer weiteren Nutzung des Areals als Tanklager ihre Position vorgetragen hatten. 
Bevor die Tanklager-Story kurz vor Toresschluss Ende Mai eine überraschende Wende nehmen sollte, gab es zunächst noch ein Wechselbad der Erwartungen und Gefühle bei den Anwohnern der kontaminierten Flächen.



Neue Hindernisse auf dem Weg zum Phantom Betriebsgenehmigung



Der April schien für die Tanklager-Interessierten mit einer erfreulichen Überraschung zu beginnen. Oder war es eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit, die es allerdings in Bremen aus kaum erklärlichen Gründen nicht zu sein schien?

So hatte eine Anwohnerin durch einen Bürgerantrag im Blumenthaler Beirat Einblick in die Betriebsgenehmigung des Tanklagers Farge erbeten. Daraufhin erhielt sie am 21. März eine Antwort, die sogar näher auf die Besonderheiten dieser staatlichen Erlaubnis einging, indem „gewichtige“ Details mitgeteilt wurden. „Tatsächlich liegen die Genehmigungsunterlagen bei uns im Amt“, hieß es da, „sie sind aber zu umfangreich, um sie zu versenden. Die Anlage ist in den 1970ern als Altanlage in den Geltungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetz übergegangen und gilt seit dem als nach dem BImSchG genehmigt. Ein einzelnes Schriftstück als Betriebsgenehmigung gibt es also nicht, sondern man muss die Akten chronologisch lesen, um die Entwicklung des Tanklagers nachzuvollziehen.“

Obwohl eine Betriebsgenehmigung, wenn auch in dieser ungewöhnlichen Form, also wirklich zu existieren scheint, nur eben nicht transportfähig oder digital darstellbar ist, folgte ein Angebot, das sogar unabhängig von einem Beschluss eines Beirats für jeden Bürger besteht. „Sie können formlos nach dem Umweltinformationsgesetz Akteneinsicht verlangen, wir könnten Ihnen ab Mitte April die Akten bei uns im Amt zeigen.“

Daraufhin wurde als Termin der 23. April vereinbart und interessierte Bürger machten sich erste Gedanken, wie man dieses Aktenkonvolut in den Amtsräumen sinnvoll lesen und auswerten könnte.

Diese Vorfreude auf ein juristisch zentrales Papier, von dessen Inhalt der Fortbestand des Tanklagers und damit weiterer Sorgen der Anwohner nach der Auskunft von Umweltbehörde und Gewerbeaufsicht abhängen sollte, währte nur bis kurz vor dem vereinbarten Termin, als einem der Teilnehmer eine Absage des Termin mitgeteilt wurde.

Trotzdem nutzen einige Mitglieder der Bürgerinitiative den vereinbarten Termin zu einem Besuch bei der Gewerbeaufsicht, wo man ihnen tatsächlich die Einsicht in die Tanklager-Betriebsgenehmigung verweigerte. Dabei variierte die Begründung für diese Maßnahme zumindest in der Erinnerung der beteiligten Bürger. So war danach sowohl von militärischer Geheimhaltung als auch den Auswirkungen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens die Rede.

Die technisch versierten Gesprächteilnehmer konnten daher mit den Herren der Gewerbeaufsicht nur über die angewandten Kontrollverfahren fachsimpeln, was nicht gerade zu einem höheren Vertrauen in die Kompetenz der Prüfer und damit die Tanklagersicherheit führte.

Da das Umweltinformationsgesetz eine Weigerung in dieser Form nicht vorsieht, wandte sich die Antragstellerin unmittelbar nach diesem frustrierenden Besuch bei der Gewerbeaufsicht erneut an ihren dortigen Mailpartner, der sie einige Wochen zuvor eingeladen und ihr die Einsichtnahme in die Betriebsgenehmigung ohne Wenn und Aber versprochen hatte. Dabei wies sie darauf hin, dass bei der ursprünglichen Einladung von Einschränkungen wie einer möglichen „militärischen Geheimhaltung“ keine Rede gewesen war und man ihr nicht einmal als minimale Höflichkeitsgeste eine begründete Stornierung der Einladung geschickt habe.

Die Antwort kam umgehend gleich am selben Tag, was nach den Widersprüchen am Besuchstag bereits auf eine interne Absprache schließen lässt. Das wurde auch durch den Inhalt der Mail bestätigt, in der es hieß: „wir hatten gehofft, bis Mitte April die Genehmigung der Bundeswehr zur Aktenfreigabe zu erhalten, dies ist leider nicht der Fall. Unser Jurist vom Umweltsenator hat die Bundeswehr aufgefordert, einer Aktenfreigabe zuzustimmen, die Antwort steht noch aus. Wir haben uns behördenintern geeinigt, vor einer entsprechenden Stellungnahme keine Akten heraus zu geben. Wenn sich die Lage ändert, werden Sie es erfahren.“

Diese zwiespältige Lage zwischen den Rechten des Umweltinformationsgesetzes und den restriktiven Möglichkeiten militärischer Geheimhaltung scheint sich seitdem aus der Sicht der Gewerbeaufsicht nicht geändert zu haben, obwohl sich inzwischen noch einiges im Hinblick auf den Einfluss der Bundeswehr getan hat. Eine Mail mit einer neuen Einladung ist jedenfalls noch nicht eingetroffen.


Endlich an der Gefahrenquelle: ein Besuch im Tanklager 



War bisher nur über das Tanklager diskutiert worden - für zumindest ein Beiratsmitglied sogar zu oft und zu viel - kam schließlich Mitte April eine Besichtigung des Tanklagers für ein ausgewähltes Publikum zustande, wie sie u.a. die Linke und die SPD im Blumenthaler Beirat bereits zur Zeit der Jahreswende beantragt hatten.

So wurde für Dienstag, den 16. April 2013, um 13 Uhr zu einer nichtöffentlichen Sitzung des Beirats im Tanklager Bremen-Farge eingeladen. Darin sollte in Verbindung mit der Tanklager-Besichtigung ein Gespräch der Beiräte zur aktuellen und zukünftigen Situation des Tanklagers Farge mit „Vertretern des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums Schwanewede, der Abteilung Bundesbau von Immobilien Bremen und der Betreiberfirma TanQuid GmbH einerseits sowie der Bürgerinitiative andererseits geführt werden.

Zur Vorbereitung dieser Expedition in ein nahes, aber dennoch durch die Absperrungen unbekanntes Terrain wurde den Besuchern empfohlen, sich mit festem Schuhwerk um 12.45 Uhr am Haupteingang des Tanklagers in der Betonstraße zu treffen.

An diesem Tag wurde trotz dieser aufregenden ersten Besichtigungsmöglichkeit jedoch ein anderes Ereignis zum großen Thema, denn kurz bevor das Tanklager seine Tore für die handverlesenen Besucher öffnete, wurden die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen deutlich sichtbar, nachdem bereits Anfang des Jahres berichtet worden war, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen die Bundeswehr aufgenommen. Jetzt ging es nicht mehr um eine verbale Meldung im Radio oder in der Presse, sondern um die Sicherung von umfangreichen Mengen an Beweismaterial. So wurden von der Bremer Polizei unter anderem die Geschäftsräume der TanQuid, also der Betriebsführungsgesellschaft des Tanklagers Farge, durchsucht und zahlreiche Akten beschlagnahmt. Gleichzeitig stellte man Beweismaterial in der TanQuid-Zentrale in Duisburg sowie im Bundeswehr-Dienstleistungszentrum in Schwanewede sicher. Dazu erklärte die Staatsanwaltschaft: „Es hat diese Durchsuchungen gegeben, weil wir ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Gewässer- und Bodenverunreinigung führen“


Die Besichtigung des Tanklager am 16. April verlief für die Teilnehmer eher enttäuschend, da sie nichts wirklich Neues sehen konnten, was sich nicht auch von außen durch den Maschendraht erspähen lässt. Vor allem die fünf Mitglieder der Bürgerinitiative hatten sich von dieser Begehung des Tanklager und den Gesprächen mit den verantwortlichen Mitarbeiter bessere Informationen über den Umfang der Kontaminationen auf dem Tanklagergelände und die dort vorhandenen Sicherheitseinrichtungen versprochen.

So konnte man sich auf diese abgeriegelte unübersichtliche Wald- und Heidelandschaft konzentrieren, die mit ihren 3,2 qkm siebenmal größer als der Vatikanstaat, nur eben mit Tanks, Rohrleitungen, Pumpstationen, Löschteichen, künstlichen Hügeln, Straßen und Schneisen ganz anders genutzt wird. Botaniker sollen während des interessanten Programms sogar Wasserlobelien entdeckt haben.

Offensichtlich wollten die Gastgeber vor allem mit dem Eindruck der Größe imponieren. Über Details konnte man hingegen kaum etwas Konkretes erfahren. Das galt etwa für die Effektivität einer „Kläranlage“, die in ihren Ausmaßen an eine „Minitechnikumsanlage“ erinnerte und dafür sorgen soll, dass das Abwasser beim Einlauf in die Weser so sauber „ist“, dass man damit Kaffee kochen könnte. Allerdings durften die Besucher von dieser „Wundermaschine“ nur den äußeren Container in Augenschein nehmen. Über die Arbeitsweise in dieser Black Box sowie die Leistung und den erreichten Reinigungsgrad gab es hingegen bei diesem Anlass keinerlei Angaben. Auch wurde der möglicherweise beweiskräftige Kaffeetest von keinem Bremer Senator praktisch vorgeführt.

Den Technikern unter den Besuchern fielen einige Anlagen auf, die nicht dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Das galt sowohl für die Verladeeinrichtungen als auch die verwendeten einwandigen, nicht begehbaren insgesamt ca. 125 km langen Rohrleitungen, die unterirdisch im Sandbett verlegt sind und sich daher nur schwer kontrollieren lassen.

Wenig überzeugend war auch der Genauigkeitsgrad des Messverfahrens, mit dem man den Füllstand der Tanks ermitteln und damit mögliche Leckagen entdecken kann.

Ein relativ sorgloser Umgang mit den Kohlenwasserstoffen zeigte sich auch bei den Dichtheitsprüfungen der Leitungen, die vor jedem Pumpvorgang bereits durch Abdrücken mit dem zu fördernden Medium erfolgt.

Kritisch sah man auch das Fehlen von Störfallplänen für die Erzieherinnen des Farge-Rekumer Kindergartens, obwohl sich in seiner unmittelbaren Nähe ein Belüftungs- und Revisionsschacht befindet.



Das aufgetauchte HPC-Gutachten



Mitte April konnte die Norddeutsche dann unter dem Titel „Schadstoffbelastetes Wasser in Farge. Gift-Flächen schon länger bekannt“ eine kleine journalistische Sensation präsentieren, da ihr ein Gutachten vorlag, über das die Öffentlichkeit vorher wenig wusste.

Es handelte sich um eine Erfassung und Erstbewertung von Kontaminationsflächen, die vom 30. Juli 2010 datiert und als Grundlage eine Begehung des gesamten Areals in den Monaten Mai und Juni 2010 hat.

Die Gutachter von HPC unterscheiden dabei zwischen den vier Kontaminationsflächen Verladebahnhof I (KF1), dem Hafenanleger (KF2), der Kanisterabfüllfläche (KF3) und dem Verladebahnhof II (KF4) sowie insgesamt 119 Kontaminationsverdachtsflächen (KVF).

Nach diesen Unterlagen hat sich die Bundeswehr zwischen 2006-8 vorrangig mit dem „großen Schadstoffvorrat“ am Verladebahnhof beschäftigt, um vor allem „den derzeit anhaltenden Abstrom von der Liegenschaft“ zu minimieren. Daher war zunächst die Sanierung dieses Belastungszentrums für Mitte 2010 vorgesehen.

Als weitere Altlasten hatte man bereits 1976 am Hafenanleger Kraftstoffe im Grundwasser festgestellt, bei denen die HPC-Gutachter von einem hohen Kontaminationsrisiko sprechen.

Zusätzlich war es zu kleineren Kontaminationen vor allem durch einen zu laxen Umgang mit den Treibstoffen auf der Kanisterabfüllfläche gekommen.

Dieser Zeitungsartikel vom 18. April führte anschließend zu mehreren Anträgen im Blumenthaler Beirat, in denen Bürger und die Linke eine Veröffentlichung des Gutachtens und weitere Einzelheiten über die „mindestens 119 Verdachtsflächen“ forderten.



Hintergründiges aus einer informellen Gesprächsrunde beim SPD-MdB



Außerhalb formeller Einbindungen kam am 30. April ein informelles Gespräch zwischen der Tanklager-Bürgerinitiative und dem direkt gewählten Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Bremen II – Bremerhaven zustande. Zu diesem Treffen im Vegesacker Abgeordnetenbüro hatte Herr Beckmeyer auch hochrangige Mitarbeiter der Bundesanstalt für Immobilenaufgaben (BimA) aus Magdeburg und Oldenburg, des Bundeswehrdienstleistungszentrum Schwanewede und der Leitstelle des Bundes für Boden- und Grundwasserschutz bei der OFD Niedersachsen aus Hannover eingeladen, sodass man direkt von den entscheidenden Vertretern des Eigentümers des Tanklagers Auskünfte erhalten konnte.

Einige der angesprochene Themen sollten im Nachhinein noch in einem veränderten Licht erscheinen, nachdem knapp einen Monat später eine wichtige Entscheidung über das Tanklager bekannt wurde.

Ende April wurde von der BimA zunächst betont, dass sie eine Weiterführung des Tanklagerbetriebs anstrebe, da auf diese Weise der höchste erzielbare Wert für diese Liegenschaft erreichbar sei. Hinderungsgründe sah man dabei nicht, da das Tanklager nach allen technischen Maßnahmen der letzten Jahre und der kontinuierlichen Überprüfung als Tanklager absolut sicher sei, so dass keinerlei Gefahr für die Anwohner bestehe. 
Für einen Rückbau sah man daher keine Notwendigkeit. Auch verneinte man sowohl für einen zukünftigen Käufer als auch den Bund eine Rückbaupflicht.

Später wurde jedoch im Gespräch deutlich, dass dies eher eine Wunschvorstellung war, denn man konnte nur zwei Interessenten vorweisen und zeigte sich erstaunt, dass Bremen die Liegenschaft beim Angebotspreis von 160.000 € nicht übernommen habe. Als Grund für diese schwierige Verkaufssituation, nannte man eine Reihe von Hürden, von denen direkt die Aktivitäten der Blumenthaler Bürger und der Bürgerinitiative aufgeführt wurden.

Daher ist der Bund inzwischen nicht mehr an einem maximalen Verkaufspreis interessiert, sondern will vor allem die Liegenschaft „los sein.“

Die Schäden sollen aus der Sicht der BimA gutachterlich festgehalten werden, sodass ihre Beseitigung nach dem Verursacherprinzip abgerechnet werden kann. Dabei hielt man es für durchaus angemessen, wenn eine Privatfirma für Störfälle Rücklagen bilden muss.

Außer der Position des Eigentümers beim Verkauf des Tanklagers wurden die Mitarbeiter aus Schwaneweder auf das in der Gewerbeaufsicht vorgebrachte Geheimhaltungsargument angesprochen. Die zeigten sich darüber irritiert.

Am Ende der vorab festgelegten Gesprächszeit waren sich alle Teilnehmer einig, dass noch viel Klärungsbedarf existiere. Daher hielt Herr Beckmeyer eine Fortsetzung des Kontakts für notwendig und empfahl, damit nicht zu lange zu warten.


Eine Anwohnerversammlung im Lokalradio und weltweitem Internet



Die im Dezember 2012 gegründete „Bürgerinitiative zur Erhaltung des Wasserschutzgebietes Blumenthal und Aufklärung der Verseuchung von Grund, Wasser und Boden durch das Tanklager Farge“ hatte Anfang Februar mit monatlichen Anwohnertreffen in Farge begonnen. Ein besonderes Highlight sollte das 4. Anwohner-Treffen am 6. Mai werden, zu dem neben dem Umweltsenator auch die Mitglieder der Umweltdeputation eingeladen worden waren.

Während das Interesse der Anwohner beträchtlich war, blieb die Resonanz bei den Politikern minimal, denn nur die grüne Umweltpolitikerin Dr. Schaefer erschien, um sich den kritischen Fragen vor allem zum Verhalten ihres Parteifreundes, des Umweltsenators, zu stellen.

Thematisch wurde an diesem Abend nach einem Abriss der kurzen Geschichte der Bürgerinitiative über die Erfahrungen aus den Gesprächen bei der Gewerbeaufsicht und bei Herrn Beckmeyer sowie im Tanklager zu berichtet.

Der besondere Clou dieser Veranstaltung war, dass sie später in großen Auszügen über Radio Weser TV an zwei Tagen als Radiosendung ausgestrahlt wurde, sodass sich auch Interessierte, die am ursprünglichen Termin verhindert waren, die Diskussion nacherleben konnten, und das nicht nur über die Radiosender in Bremen, sondern auch als weltweiter Live-Stream im Internet.



Verwässerte Signifikanzen und Gesundheitssorgen: Die Krebsstudie



Nach einigen Vorankündigungen, die schon den Ansatz des Bremer Krebsregisters erkennen ließen, wurde mit einem speziellen Vorspiel am 14. Mai das Gutachten „Kleinräumige Analyse zur Krebsinzidenz in der Region um das Tanklager Farge“ veröffentlicht. Dabei gab es nach einer langen Zeit des Wartens und der Andeutungen eine richtige Inszenierung. Immerhin hatten sich die Auftraggeber dafür auch eine längere Vorbereitungszeit zugebilligt, da das Gutachten selbst bereits im März abgeschlossen worden war. Anschließend hatte man dann auf grünes Licht von dem Beirat des Krebsregisters gewartet, um „sicherzustellen, dass die Methodik guten wissenschaftlichen Standards entspricht.“


Da nach den ersten Auskünften der Gesundheitsbehörde nach dem Schema der Krebsstudie zur BWK-Region und zur Stahlwerke-Region ganze Ortsteile einbezogen worden waren, war klar, dass man sich nicht mit den Bürgeranträgen zur Gesundheitsproblematik beschäftigt hatte, sondern einen „vorsorglichen“ Auftrag des Blumenthaler Ortsamtsleiters und vom Gesundheitsamts erfüllt hatte.

So war absehbar, dass die Untersuchung nicht den Unterschied von Kontaminationen der Luft, wie sie bei den BWk-Nachfolgebetrieben und den Stahlwerken vermutet wurden, und solchen des Grundwassers und des Bodens berücksichtigt hatte. Offensichtlich wurden die Einwohner, die auf der Kontaminationsfahne leben und durch die Umweltbehörde vor der Verwendung des Grundwassers gewarnt worden waren, nicht als Untersuchungsgruppe betrachtet, sondern waren nur eine Teilmenge aller Einwohner der betroffenen Ortsteile. Bereits durch den Ansatz waren damit mögliche karzinogene Effekte der Kontaminationsfahne  verwässert, da nur eine Minderheit der Einwohner von Farge und Rönnebeck auf der Kontaminationsfahne lebt.

Die Weichen waren somit bereits vorab für die in diesen kleinräumigen Krebsuntersuchungen nicht gerade seltenen nicht signifikanten Ergebnisse gestellt. Die Veröffentlichung der Studie in merkwürdigen Trippelschritten erschien daher zunächst überraschend, lässt sich jedoch im Nachhinein als besondere Einführung in die spätere Interpretation der Ergebnisse verstehen.

Bevor die Öffentlichkeit und damit auch die unmittelbar Betroffenen die Studie selbst lesen konnten, wurden in dieser Inszenierung drei Filterstufen vorgeschaltet, die anscheinend den Interessierten die Mühe abnehmen sollten, einen längeren wissenschaftlichen medizinisch-statistischen Text lesen und verstehen zu müssen.
So wurde die Studie zunächst dem Blumenthaler Beirat vorgestellt, worüber am kommenden Tag die Presse berichten konnte, bevor sich dann eingeleitet durch eine „Zusammenfassung“ der Text der Studie auf der Internetseite des Ortsamtes abrufen ließ.

Diese Mühen waren vermutlich sogar aus der Sicht der Tanklagerbefürworter durchaus sinnvoll, denen ganz und gar nicht an signifikant überdurchschnittlich hohen Krebserkrankungen in Farge und Rönnebeck gelegen sein konnte, denn die Ergebnisse der Studie waren eine richtige Überraschung, die man wegen der vorab verwässerten Daten kaum erwarten konnte.

Zwar wurde in der offiziellen Zusammenfassung auf der Ortsamtsseite festgestellt, dass bei sechs von sieben betrachteten Gruppen von Krebserkrankungen „keine signifikanten Unterschiede ermittelt“ wurden.

Dabei wurde hervorgehoben, dass dies „ auch für die Leukämie- und Lymphomerkrankungen“ gilt, „die spezifischer mit einer Benzolexploration in Verbindung gebracht werden könnten.“ Zu dem einzigen ermittelten signifikanten Unterschied beim nicht-melanotischen Hautkrebs gab es dann gleich eine Entwarnung im Hinblick auf das Tanklager: „Hauptrisikofaktor für diese Krebsart ist allerdings die ungeschützte Sonnenexposition. Ein Zusammenhang mit dem Grundwasser wird als sehr unwahrscheinlich betrachtet.“

Für die Grünen und die Linken konnten diese Aussagen nicht ohne eine intensive Diskussion stehen bleiben. So wurden eine Beiratsdiskussion mit einem Referenten der Gesundheitsbehörde gefordert und Nachfragen zur Häufigkeit der Krebserkrankungen bei den Einwohnern gestellt, die auf der Kontaminationsfahne leben.


Eine Klärung der offenen Fragen wurde am 19. Juni in einer Sondersitzung des Blumenthaler Beirats versucht, auf der die beiden Autorinnen der Studie Rede und Antwort stehen konnten. 

In der Diskussion wurde vor allem die Verwässerung möglicher gesundheitlicher Effekte des Tanklagers thematisiert, was die angebliche fehlende Signifikanz des Ergebnisses für Benzol-affine Krebserkrankungen erheblich relativierte. Hier wurde jedenfalls für Farge und Rönnebeck eine gegenüber Bremen insgesamt erhöhte Rate an Krebserkrankungen festgestellt, die jedoch nach der Berechnung der Autorinnen nicht signifikant sein soll, also auch ein Produkt des Zufalls sein kann. 


Da die durchschnittliche Häufigkeit von Erkrankungen von der Abgrenzung des Untersuchungsregion abhängt, blieb offen, ob die überdurchschnittlichen Werte nicht vor allem durch die unmittelbaren Anwohner des Tanklagers entstanden sind. In diesen Fall läge sogar eine hohe Signifikanz vor.

Als auch eine der Autorinnen in der Antwort auf eine entsprechende Frage, eingestand, dass sie nicht gerade unbesorgt in der Nähe des Tanklagers wohnen würde, sah der Beirat weiterhin die Möglichkeit gesundheitlicher Gefahren durch das Tanklager. Daher wurde einstimmig für einen Bürgerantrag „Umfassende Gesundheitsuntersuchung“ votiert, der den Bürgern die Sorgen vor einer immer noch möglichen Wiederaufnahme des Tanklagerbetriebs nehmen will. Deshalb wird gefordert, dass erst nach einer Gesundheitsuntersuchung, „die sich nicht nur auf Krebserkrankungen beschränkt“ ein derartiger Plan realisiert werden darf. Dabei wird auf die von der Umweltbehörde selbst in ihren Anwohnerinformationen genannten Nierenschädigungen als mögliche gesundheitliche Belastung, aber auch die an anderer Stelle aufgeführten Leber- und chronischen Nervenschäden hingewiesen.

Außerdem stellt der Antrag heraus, dass auch bei den Krebserkrankungen von der Dauer der möglichen Exposition ausgegangen werden muss, wie die Autorinnen der Krebsstudie selbst angemerkt haben. Daher wären neben den Anwohnern auch die Beschäftigten und vor allem die Kinder einzubeziehen, bei denen allein wegen der Latenzzeit noch keine Krebserkrankungen vorliegen können.

Abschließend heißt es in diesem angenommenen Antrag: „Aufgrund der bisher unzureichenden Informationslage kann es der Beirat im Interesse der Gesundheit der betroffenen Bürger für nicht vertretbar halten, wenn ein weiterer Tanklagerbetrieb erfolgt, ohne dass die berechtigten Sorgen vorher unzweideutig ausgeräumt werden konnten.“


Neue Tatsachen durch den Landkreis Osterholz


Während man sich noch in die Krebsstudie vertiefen oder über die Zukunft des Tanklagers grübeln konnte, gab es wenige Tage vor dem Stichtag 31. Mai eine sensationelle Meldung, mit der nach den Auskünften der Bremer Behörden über eine fast eherne Betriebsgenehmigung kaum jemand gerechnet haben dürfte. Unter den Überschriften „Tanklager: Verkauf hakt am Baurecht. Landkreis Osterholz pocht auf Auflagen für interessierte Betreiber. „Stillstandsbetrieb“ ab 1. Juni“ konnte die Norddeutsche am 28.05.2013 von einem Schreiben der Osterholzer Kreisverwaltung an die BImA vom 8. Mai berichten. Darin war nach den Angaben der Zeitung klargestellt worden, dass ein Käufer vertraglich zusagen müsse, „die gesamte Anlagentechnik zu beseitigen, falls der Betrieb des Tanklagers irgendwann aufgegeben wird.“ Dabei hatte man sogar verlangt, dass diese Verpflichtung mit einer entsprechenden Bürgschaft abgesichert werden müsse.


Diese Auflage hatte auch die beiden letzten verbliebenen Interessenten für eine Weiterführung des Tanklager abgeschreckt, nachdem sich die Großen der Branche ohnehin nicht an der Ausschreibung beteiligt hatten. 

Die verbliebenen kleinen Interessenten bezeichneten dieser Auflage als „Querschuss aus Osterholz“, da sie nicht einmal daran denken wollten, einen derartigen Wechsel auf die Zukunft zu unterschreiben, da für sie das Risiko einfach zu groß erschien, „auf Kosten in Millionenhöhe sitzen zu bleiben.“

Kurz darauf sah sich am 30. Mai die Kreisverwaltung Osterholz veranlasst, diese Zeitungsmeldung durch eine Pressemitteilung zu präzisieren. Danach entfallen mit der „förmlichen Aufgabe der militärischen Nutzung des Tanklagers Farge .. bisherige baurechtliche Privilegierungen, die so nur für Zwecke der Landesverteidigung gelten.“ Unter dieser Prämisse geht der Landkreis Osterholz von der Auffassung aus, „dass für eine künftige Nutzung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) oder nachfolgende private Erwerber bauplanungsrechtlich dieselben Anforderungen zu gelten haben, wie sie auch andere private Eigentümer erfüllen müssten. Dies gilt namentlich hinsichtlich von Rückbauverpflichtungen nach einer zukünftig irgendwann einmal anstehenden endgültigen Nutzungsaufgabe des Tanklagers und deren tatsächlicher materieller Sicherung.“

Das sollte nach der Pressemitteilung jedoch keineswegs bedeuten, dass af diese Weise eine Veräußerung oder ein Weiterbetrieb des Tanklagers durch Private „grundsätzlich“ verhindern werden soll; denn die Forderung nach einer Übernahme der Rückbauverpflichtung und deren Sicherung richtet sich nicht an potentielle Erwerber sondern an den Bund. Das hält der Landkreis Osterholz auch durchaus für legitim, „da die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches auch für künftige Generationen zukünftig in der politischen und rechtlichen Verpflichtung, aber auch in der finanziellen Verantwortung stehen sollte, die Folgekosten aufgrund der ursprünglichen Errichtung und militärischen Nutzung des Tanklagers zu tragen.“

Mit diesem Vorgehen möchte die Kreisverwaltung vermeiden, „dass irgendwann in der Zukunft einmal erforderliche aufwändige Sicherungs- und Rückbauaufgaben aufgrund einer bereits heute voraussehbaren Leistungsunfähigkeit potentieller privater Erwerber letztlich bei der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene, d.h. bei Landkreis und Gemeinde verbleiben und damit von der Allgemeinheit vor Ort zu tragen wären.“

Es besteht also eine Rückbauverpflichtung, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist, wobei jedoch offen ist, wer sie im Endeffekt trägt.

So kann, wie es offensichtlich geschehen ist, der Eigentümer Bund versuchen, diese Last bei einem Verkauf auf den Käufer abzuwälzen, was dessen Rentabilitätsrechnung zwangsläufig negativ verändert. Hinzu kommt bei kleineren Anbietern die Stellung von Sicherheiten, worauf der Landkreis Osterholz gepocht hat. Das ist sicherlich bei schwach kapitalisierten Unternehmen eine nur zu verständliche Forderung, da andernfalls bei einer schlechten Geschäftslage, wenn die Aufgabe des Tanklagers anstehen kann, kaum genügend Mittel für einen Rückbau vorhanden sein dürften.

Da kein Käufer diese Rückbauauflagen erfüllen wollte oder konnte, wird ab dem 1.6.2013 das Tanklagers stillgelegt. Verantwortlicher Betreiber während dieses sogenannten Stillstandsbetriebs ist das Dienstleistungszentrum Schwanewede der Bundeswehr, das die Betreuung der Tankanlagen WPD 

Wartungs- und Prüfungsdienst GmbH aus Speyer übergibt, während die Bewachung und die Betreuung der wassertechnischen Anlagen anderen Firmen übergeben wird.

Die WPD wird daher jetzt, wie die BUISY-Seite unter Verweis auf das Gewerbeaufsichtsamt meldet, die Trockenlegung des Lagers durchführen. Konkret geht es dabei um die Reinigung und Entgasung der Tanks und Zuleitungen, die regelmäßige Wartung der technischen Vorrichtungen und die Durchführung der notwendigen TÜV-Prüfungen.

Die BImA ist jedoch trotz dieser Stilllegung, wie der Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr erklärte, "nach wie vor bestrebt, das Tanklager zu veräußern".



Trotz Stilllegung: Die 3. Anwohnerwarnung


Mit der Stilllegung sind jedoch noch nicht alle Sorgen der Anwohner beseitigt; denn weder werden dadurch weitere Krebserkrankungen wegen der langen Latenzzeiten rasch auf das normale Maß reduziert noch die Ausbreitung der Kontaminationsfahne gestoppt.

So musste am 11. Juni eine 3. Anwohnerwarnung erfolgen, die sich diesmal weniger auf BTEX, sondern auf MTBE bezog und an die Anwohner einiger Grundstücken an Straßen richtete, denen bereits mit der ersten Anwohnerwarnung im Mai 2009 von der Verwendung des Grundwassers abgeraten worden war.

Bisher unerklärlich, ja fast mysteriös, ist in diesem Fall die Verteilung dieses Schadstoffs, dessen höchste Konzentrationen außerhalb des Tanklager in den südöstlich angrenzenden Wohngebieten gemessen wurden. Nach dem Anschreiben der Umweltbehörde beruht diese Warnung auf Untersuchungen, die im „Nachgang der Anwohnerinformation 2009“ durchgeführt wurden und bei denen „in einer 2011 neu erstellten Grundwassermessstelle in der Straße Am Rottpohl .. eine erhöhte Belastung mit MTBE festgestellt“ wurde.


Wie bereits in den beiden älteren Anwohnerinformationen werden die Betroffenen auch jetzt wieder mit Messwerten und anderen Details „verschont“. Sie dürfen der Umweltbehörde schlicht vertrauen, die „weiterhin untersucht“ und informieren wird, „falls sich aufgrund dieser Untersuchungen ein veränderter Informationsbereich oder Änderungen dieser Empfehlungen ergeben sollten.“ 


Die herausfordernde Webseite der Umweltbehörde


Das Interesse der seit Mitte Juni freigeschalteten Internetseite der Umweltbehörde zur Altlast Tanklager Farge galt daher nicht nur dem angekündigten hohen Informationsgehalt des neuen Webangebots, das nicht nur von Einwohnern Blumenthals durch Bürgeranträge und eine Petition gefordert worden war, sondern von der Bremer Bürgerschaft bereits Ende letzten Jahres beschlossen wurde. 
Vor allem die Anwohner werden sicherlich vor allem nach den Messdaten gesucht haben, die in ihrer Nähe festgestellt wurden. 

Doch das ist auf dieser Seite gar nicht so einfach, da Erläuterungen Mangelware sind und die Messergebnisse in übersichtlichen Tabellen für die einzelnen Messstellen und –termine völlig fehlen. Hier müssen sich also interessierte Laien durch das vom Ingenieurunternehmen HPC gelieferte Rohmaterial arbeiten. Man kann daher den Satz, dass gut’ Ding Weile haben will, nicht unhinterfragt umkehren, da in diesem Fall nur die längere Entwicklungszeit für die Seite sicher ist, während man sich über das von der Bürgerschaft gewünschte ausreichende Informationsangebot zumindest streiten kann. Danach sollen die Informationen zudem gut zugänglich und so aktuell wie möglich sein.

Eine sachgerechte Einordnung und Bewertung der Messergebnisse wird durch das Fehlen üblicher Erläuterungen sehr erschwert. Das ist in diesem Fall besonders nachteilig, da die Konzentrationen der Giftstoffe ganz unabhängig von den Sanierungsmaßnahmen im Jahresverlauf erheblich schwanken, man kann also an den Messwerten nicht ohne statistische Aufbereitung klare lineare Trends ablesen. Verantwortlich hierfür sind vor allem Niederschläge, die die Konzentration in größeren Grundwassermengen senken, und die geologische Beschaffenheit des Bodens. Daher kann es sogar bei benachbarten Messstellen deutliche Unterschiede zwischen den Messwerten geben. Die sogenannte Kontaminationsfahne ist also bildlich gesprochen ein Körper aus relativ unabhängigen Zellen, in denen sich die Konzentrationen von BTEX, MTBE, PAK usw. im Jahresverlauf stark ändern.

Trotz dieser Messproblematik, auf die nicht eingegangen wird, behauptet der kurze Einleitungstext, dass durch die Sanierungsmaßnahmen am Verladebahnhof II seit Juli 2010 „die Schadstoffmaximalkonzentration in diesem Bereich“ bis Ende 2012 „um über 90 Prozent gesenkt werden“ konnte.

Diese Aussage über eine Schadstoffmaximalkonzentration hängt von einem am 4. August 2010, also kurz nach Beginn der Sanierungsmaßnahmen gemessenen Ausreißerwert ab, der ein Vielfaches des vorangegangenen Messwertes ausmacht und Anfang 2013 bereits um fast 50 % nach untern korrigiert werden musste. Wenn man ohne Rücksicht auf immer mögliche Messfehler und abweichende Grundwassersituationen den Erfolg von getroffenen Maßnahmen beurteilen will, könnte man mit demselben Recht von einer neuen Schadstoffmaximalkonzentration sprechen, die entweder mit dem Beginn der Sanierung oder neuerlichen Leckagen zusammenhängen muss, denn zwischen dem 20.7. 2010 und dieser ominösen Messung ist die BTEX-Konzentration an dem besonders stark kontaminierten Sanierungsbrunnen GWMS 2-08 von 22.671 μg/l um mehr als das 14-fache auf 331.790 μg/l gestiegen.

Schließt man derartige Extremwerte aus, was bei solchen extremen Schwankungen die übliche statistische Konvention ist, kommt man hingegen zu Messwerten, die bestenfalls unter Schwankungen einen geringen Erfolg der Sanierungsmaßnahmen anzeigen. Das deutet nicht gerade auf einen schnellen Abschluss der Sanierung hin.

Neben den Messungen an den Sanierungsbrunnen dürften wegen ihrer Rätselhaftigkeit und der aktuellen Anwohnerwarnung die MTBE-Messungen in der Straße „Am Rottpohl“ besonderes Interesse verdienen. Hier kann man sich durchaus fragen, ob nach einem fundierten Messkonzept vorgegangen wird, denn bereits im Jahr 2011 hatte man an einer anderen Messstelle relativ hohen MTBE-Konzentrationen von bis zu 922 μg/l ermittelt. Trotzdem fanden 2012 keine weiteren Messungen statt, bis man im Januar 2013 eine neue Messstelle startete, wo die Konzentration sogar bei 2.200 μg/l lag.

Während sich diese Daten mit etwas Mühe aus dem kartierten Rohmaterial herausfiltern lassen, fehlen für andere Teile des Tanklagers weiterhin veröffentliche Messergebnisse. Man kann also auch in Zukunft darüber rätseln, ob hier keine Belastungen vorliegen, möglichen Belastungen noch nicht gemessen wurden oder Messergebnisse - aus welchen Grünen auch immer - nicht auf dieser Informationsseite der Umweltbehörde eingestellt worden sind.


Ein Blick in die weiterhin unsichere Zukunft

Durch das Internetangebot der Umweltbehörde wurde daher nicht unbedingt deutlich mehr Licht in die Kontaminationssituation des Tanklagers Farge gebracht, wenn man einmal von den aktuellen Messdaten vom Anfang dieses Jahres absieht. Aber das da sind Einzeldaten, die kaum etwas über mögliche weitere Kontaminationen auf dem Gelände aussagen.

Das ist jedoch keineswegs nur eine akademische Frage, denn prinzipiell bleibt die Zukunft des Tanklagers weiterhin offen, da zumindest theoretisch immer noch eine Wiederaufnahme des Tanklagerbetriebs möglich ist. Die Anlage wird schließlich gewartet und vom TÜV überprüft.

Allerdings wurden deutliche Markierungen gesetzt, die ein unterschiedliches Gewicht besitzen. Einen fast unumstößlichen Pfeiler hat dabei der Landkreis Osterholz gesetzt, der sich auf die Pflicht zum Rückbau von Anlagen im Außenbereich bezieht. Auch wenn diese Kosten inzwischen bei einem hohen zweistelligen Millionenbetrag liegen sollen, nachdem zuvor in Blumenthal noch von 500 Mio. € gesprochen wurde, dürfte kein kleinerer Tanklagerbetreiber diese Auflage schultern können.

Auch bei Kosten, die an der Nähe der unteren Grenze liegen, dürfte sich das Tanklager, das aufgrund seiner Konstruktion ohnehin überdurchschnittlich kostenintensiv arbeitet, kaum rentabel betreiben lassen, wenn man an die Erwirtschaftung dieser großen zusätzlichen Kostenposition denkt.
Daher dürfte sich ein privater Betreiber nur finden lassen, wenn der Bund diese Position übernimmt. Das hat er bei der Ausschreibung in diesem Jahr noch abgelehnt. Nur dürfte die jetzige Stilllegung, die mit jährlichen Unterhaltskosten von ca. 8 Mio. verbunden sein soll, keine Dauerlösung für den Eigentümer sein. Der Bund wird also über kurz oder lang eine Lösung suchen müssen, die nicht jährlich Geld kostet, sondern wenigstens eine kleine Summe für diese Problemimmobilie in die Kasse des deutschen Fiskus bringt. 

Eine mögliche Lösung wäre dabei eine kooperative Verwertung in Abstimmung mit Bremen und Schwanewede, die auf der Fläche durch Bebauungspläne neue Nutzungen ermöglichen können. Allerdings sieht die Bremer Finanzsenatorin hierfür bisher kein öffentliches Interesse. Aber das kann sich im Laufe der Zeit und angepasster Preise möglicherweise noch ändern.

Eine weitere Markierung, die zwar nicht das Gewicht der juristisch abgesicherten Forderung des Landkreises Osterholz besitzt, haben die Bürger im Stadtbezirk Blumenthal gesetzt. Das gilt ganz generell für ihre Aktivitäten und die Organisation einer Bürgerinitiative. Damit ist klar, die Bürger lassen sich, nachdem sie vor allem durch eine Fernsehsendung aufgerüttelt wurden, die ihnen ihr Vertrauen in die Arbeit der Umweltbehörde genommen hat, nicht mehr unkritisch in Sicherheit wiegen.

Ein Beispiel besonderer Art ist dabei der Bürgerantrag „Umfassende Gesundheitsuntersuchung“, mit dessen Verabschiedung der Blumenthaler Beirat erklärt, dass im Interesse der Gesundheit der betroffenen Bürger kein weiterer Tanklagerbetrieb erfolgen darf, bevor nicht vorher die berechtigten Sorgen der Anwohner unzweideutig ausgeräumt werden konnten.

Damit müssen der Eigentümer und mögliche Käufer des Areals zur Kenntnis nehmen, dass es einen Kreis Osterholz gibt, der auf die Rückbaupflicht achtet, sowie Blumenthaler Bürger und Beiräte, denen die Gesundheit, der Verfall der Preise der Grundstücke und der Schutz des Trinkwassers nicht gleichgültig sind.

Samstag, 22. Juni 2013

Tanklager_ Webseite



Information oder Desinformation?


Die Tanklager-Webseite der Umweltbehörde


Die neue Webseite des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) bietet nicht die Informationen, die in einer Reihe von Bürgeranträgen gewünscht und von der Bremer Bürgerschaft verlangt wurden.

Zwar lassen sich über eine Reihe von Links wichtige Dokumente zu dieser Thematik und vor allem auch relativ aktuelle Karten mit Messwerten abrufen. Jedoch fehlen die notwendigen Erläuterungen, die auch Laien ohne längere Einarbeitsphase einen sachgerechten Überblick über das Ausmaß der Kontaminierung und die Fortschritte bei der Sanierung geben.

Gerade die kurze Einschätzung, nach der mehr als 90% der Schadstoffe bereits entfernt wurden, ist irreführend, da sie sich auf zwei Ausreißern unter 150 breit streuenden Messwerten bezieht. Zwar konnten durch eine Abschöpfungstechnik an den Sanierungsbrunnen zunächst deutliche Mengen an BTEX entfernt werden, womit dieses Verfahren jetzt jedoch an seinen Grenzen stößt. 


So konnte die Schadstoffkonzentration im Bereich der Sanierungsbrunnen am Verladebahnhof II, wenn man von Extremwerten absieht, die noch zudem deutlich korrigiert werden mussten, teilweise um bis zu 50 % gesenkt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Werte für einen Sanierungsbrunnen immer noch beim mehr als 1000-fachen des Geringfügigkeitswertes von 20 μg/l liegen.

Zudem haben sich an einigen Messstellen außerhalb des Tanklagerareals die Werte erhöht und betragen sogar an neuen Messstellen mehr als das Hundertfache der Geringfügigkeitsmenge. Das gilt neben BTEX auch für MTBE, dessen Ausbreitung ebenso wie die von PAK in der Vergangenheit weniger intensiv untersucht wurde.

Für die weiterhin extrem hohen Messwerte, die teilweise auch bei den letzten Messungen noch gestiegen sind, werden keine Erklärungen angeboten. Man verweist vielmehr weiterhin ausschließlich auf Leckagen, die weit in der Vergangenheit liegen sollen.

Die neue Webseite bietet damit kaum ausreichende, gut zugängliche und aktuelle Informationen, sondern dient vor allem der Selbstdarstellung der Position der SUBV. Nutzer, die nicht nur diese eine Position kennenlernen wollen, bleiben also weiterhin auf andere Angebote angewiesen und können die neue 
Webseite vor allem als Linksammlung für Materialien der Umweltbehörde und als Quelle für eigene Auswertungen der komplexen Messergebnisse verwenden. Das wird allerdings durch eine wenig übersichtliche Anordnung der Dokumente und Karten erheblich erschwert.

Bürgerschaftsbeschluss und Bürgerwünsche


Sie hat viel Geduld in einer langen Wartezeit erfordert und die Mühen mehrerer Bürgeranträge und einer Petition gekostet. Immer wieder wurde der Bremer Umweltbehörde eine mehr als zurückhaltende Informationspolitik im Hinblick auf die Grundwasser- und Bodenkontaminationen im Bereich des Tanklagers Farge vorgeworfen. Ja, es war nicht nur von einem Mangel an Transparenz, sondern sogar von einer Vertuschungsabsicht die Rede. 


Alle diese Vorwürfe scheinen jetzt zumindest aus der Sicht des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) ins Leere zugehen, denn am 17. Juni konnte die Pressestelle des Senats unter der Überschrift „Zusammenfassung im Internet: Informationen zur Altlast "Tanklager Farge" jetzt auf einen Blick“ melden: „Die vielfältigen Informationen“ über „das Tanklager Farge und die von dort ausgehende Grundwasserverunreinigung in Bremen-Nord“ sind „in einer Stelle zusammengefasst. Dort werden nach derzeitigem Stand Dokumente der Verwaltung und Kartenmaterial publiziert. Ebenso veröffentlicht sind viele Fragen, die bisher an die Behörden gestellt und von den jeweiligen Fachabteilungen umfassend beantwortet wurden. Eine Beschreibung der Zuständigkeiten und die jeweiligen Ansprechpartner sind ebenfalls im Informationspool enthalten. Die Internetseite wird bei neuem Informationsstand aktualisiert, der Fragenkatalog entsprechend erweitert."


Die so sehr gewünschte Internetseite ist also online und ihr offizielles Porträt klingt sehr vielversprechend, denn bisher mussten die stark Interessierten sich die Einzelinformationen mühevoll an verschieden Stellen und mithilfe von Suchmaschinen zusammentragen, was bereits eine abschreckende Schwelle darstellte. Dieser Zeitaufwand soll also jetzt ein Ende haben, indem man die Vorteile des Internets in den Dienst einer bürgernahen Verwaltung stellt, die informierte, die mitdenken können, als wesentliche Voraussetzung benötigt.

Zudem gab es sogar ein ganz besonderes Versprechen, und zwar zu einer Frage, die vorher schon für viel Kritik und Unmut gesorgt hat. Aber auch dabei scheint in der Tanklager-Diskussion jetzt ein neues Informationszeitalter zu beginnen; denn es werden nicht nur Dokumente an einer Stelle zusammengefasst, sondern auch Fragen „von den jeweiligen Fachabteilungen umfassend beantwortet“, wie es heißt.

Gerade die Einlösung dieses Versprechens dürfte vielen Kritiker einer bisher intransparenten Aufklärung den Wind aus den Segeln nehmen können. Man darf also gespannt sein, ob die Webseiten ihren selbst gesteckten Zielen und den Erwartungen der interessierten Bürger tatsächlich gerecht wird.

Auftraggeber für dieses Internetangebot war die Stadtbürgerschaft, die am 20.11. 2012 den Senat aufgefordert hatte, „öffentlich, zum Beispiel im Internet, einsehbare Informationen über Grundwasserkontaminationen bereitzustellen, sodass jeder Bürger/jede Bürgerin sich über Kontaminationen im Grundwasser ausreichend informieren kann. Die Informationen sollen gut zugänglich und so aktuell wie möglich sein.“
Auch wenn die Formulierung dieses Auftrags von einer elektronischen Präzision weit entfernt ist und eher an die Talkshow-Sprache von Politikern erinnert, werden einige Ziele formuliert, deren Erfüllung sich mehr oder weniger gut überprüfen lässt. Die Information und damit das Internetangebot soll vom Umfang her ausreichend, von der Anordnung her übersichtlich und vom Nachrichtencharakter her aktuell sein.

Da die durch einen Fernsehbericht der Panorama-Redaktion und mehrere Zeitungsartikel das Vertauen der Bürger in den Wahrheitsgehalt von Informationen aus der Umweltbehörde Ende letzten Jahres gelitten hatte und sich offenbar im Hinblick auf eine Realisierung der Vorgaben der Bürgerschaft nichts tat, forderten betroffene Bürger aus dem Stadtteil Blumenthal auf mehreren Wegen mehr Transparenz für die Mess- und Sanierungsarbeiten. Auch waren ihre Wünsche erheblich präziser als der grobe Rahmen der Parlamentarier.

Kritik entzündete sich dabei vor allem auch an dem bürokratischen Verhalten der Umweltverwaltung, für die Entwicklungen des Informationszeitalters und des Internets Neuland zu sein schienen. Das zeigte sich in einer Antwort auf einen ersten Bürgerantrag vom 1. Dezember, in der nach einer Möglichkeit zur Einsicht in die Messergebnisse und einen Maßnahmen- und Zeitplan gefragt worden war, da damals keine diese Informationen öffentlich zugänglich war.

In der Antwort wurde den Bürgern angeboten, mit dem Referat 24 der Umweltbehörde einen Termin abzusprechen, um die Unterlagen einsehen zu dürfen.

Da dieses antiquierte Verfahren im Internetzeitalter für eine Zumutung gehalten wurde, die nicht nur die Bürger Zeit und Geld kostet, wurde die Umweltbehörde über den Blumenthlaer Beirat am 10. Februar dieses Jahres aufgefordert „kontinuierlich einen Sanierungsplan fortzuschreiben und auf der Webseite des Ortsamtes zu publizieren.“ Diese Information sollte durch eine Veröffentlichung der Messergebnisse der Wasseruntersuchungen und der noch ausstehenden Messung der bodennahen Luft ergänzt werden, nachdem erstmals am 10 Dezember 2012 in der Blumenthaler Beiratssitzung in einer Präsentation Messdaten aus dem Bereich des Verladebahnhofs II der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren.


Da es weiterhin keine Hinweise auf den Start eines speziellen Internetangebots der Umweltbehörde zum Tanklager Farge gab, begann am 11. Februar die Mitzeichnung einer Online-Petition „Maßnahmen für mehr Transparenz über die Grundwasser- und Bodenkontamination durch das Tanklager Farge“. Darin wurde die Einrichtung eines „zentralen Internetportals“ gefordert, „auf dem die Erkenntnisse der Umweltbehörde, des Bauamts, des Gewerbeamts und des Gesundheitsamts zusammengefasst und veröffentlicht werden.“ Besonders betont wurde dabei ein „einfacher Zugang“ zu aktuellen Messdaten, damit „die Gefährdungslage von den Bewohnern individuell eingeschätzt - und gegebenenfalls durch Dritte wie z.B. Umweltverbände (BUND, Greenpeace, Robin Wood etc.) durch eigene Messungen verifiziert werden“ kann.

Schließlich wurden noch in einem Bürgerantrag vom 27. März gefordert, dass die Gutachten der Boden- und Grundwasserproben im Blumenthaler Ortsamt ausgelegt und zusätzlich auf eine Webseite gestellt werden, da es „nicht zumutbar sei, für die Einsicht in die Unterlagen nach Bremen fahren zu müssen.“
  

Der Aufbau der Seite 


Ein Blick auf die neue Webseite zeigt jetzt, was die Umweltbehörde aus den Vorgaben der Parlamentarier und den Wünschen der Blumenthaler Bürger gemacht hat.


Dort folgen auf einen kurzen einführenden Text mit den Abschnitten „Grundwasserverunreinigungen – die Last aus der Vergangenheit“, „Reinigung des Grundwassers“ und „Für mehr Transparenz - alle Informationen auf einen Blick“ drei zentrale Bereiche. So lassen sich wichtige Dateien unter „Dokumente der Verwaltung“ aufrufen. Daran schließt sich eine Auswahl von „Fragen und Antworten“ an, die teilweise bereits in Blumenthaler Bürgeranträgen thematisiert wurden. Den Schluss bildet eine Liste von Ämtern und Personen, die „für weitere Fragen zuständig“ sind.

Einfach lesbar sind dabei die „Fragen und Antworten“, die allerdings keine neuen Erkenntnisse bringen. So erfährt man weiterhin nichts zu einigen Aspekten der aktuellen Diskussion, die Merkmale der Umweltbelastung in Farge hinterfragen, da sie von „normalen“ Kontaminationsfällen deutlich abweichen. Das gilt für die ungewöhnliche Größe der Kontaminationsfahne und den Befund, dass sich die Grundwasserbelastung in mehreren Jahrzehnten anscheinend auf natürliche Weise so gut wie gar nicht abgebaut hat.


Das selektive Prinzip


Im Kernbereich der Dokumente fällt auf, dass fast ausschließlich Unterlagen der Umweltverwaltung verwendet werden, also Berichte der Umweltverwaltung an die Bürgerschaft und die Umweltdeputation, die Warnschreiben an Anwohner sowie Karten, die in der Regel auch Messdaten enthalten und von der HPC AG als Planverfasser erstellt wurden.


Allerdings gibt es eine Ausnahme. Man kann per Link auch auf die Tanklager-Krebsstudie des Bremer Krebsregisters zugreifen.

Andere wichtige Unterlagen, die in der Diskussion eine Rolle gespielt haben, lassen sich hingegen nicht finden. Das trifft sogar für Anordnungen und Präsentationen des SUBV zu; denn die Anordnung vom 17.05.2010, in der Sanierungsziele operationalisiert sind, und eine erste Präsentation von Messdaten im Blumenthaler Beirat, die allerdings inzwischen korrigiert wurden, muss man auch trotz dieser Materialsammlung in den Weiten des Internets suchen, obwohl sie auf der Informationsseite erwähnt werden.

Dasselbe gilt für die Protokolle der Sitzungen der Umweltdeputation, sodass man auf eigene Recherchen angewiesen bleibt, wenn man sich für das Schicksal der aufgeführten Vorlagen der Umweltbehörde interessiert.


Zu diesen Lücken zählen auch die Betriebsgenehmigung für das Tanklager und das HPC-Gutachten „Erfassung von kontaminationsverdächtigen Flächen (KVF) im Rahmen der Phase I“, das vom 30.7.2010 datiert und eine Bestandaufnahme aller belasteten Flächen vornimmt, während die weiteren Unterlagen jeweils nur Teilbereiche genauer darstellen.

Dabei dürften einem komfortabeln Zugriff auf diese wichtigen Unterlagen keine prinzipiellen Gründe entgegenstehen, denn zum HPC-Gutachten heißt es, dass es dem SUBV vorliegt und „im Rahmen einer Akteneinsicht eingesehen werden kann.“


Die Analyse- und Sanierungspläne

Wie bereits die Überschriften des Textteils erkennen lassen, wird an keiner Stelle eine Übersicht über die Mess- und Sanierungspläne gegeben. Hier muss der User jetzt zwar nicht im gesamten Internet suchen, aber er hat auf sein Glück beim Aufspüren auf der neuen SUBV-Seite zu vertrauen; denn für die Aneinanderreihung der Materialien lässt sich kein Ordnungsprinzip erkennen. Hier wurde nicht einmal auf eine chronologische Anordnung geachtet.
In ganz besonderer Weise gilt diese Informationsorganisation, die dem Zufallsprinzip sehr nahe kommt, für die Karten mit den vor allem interessierenden aktuellen Messwerten. Hier verzichten die Autoren der Webseite sogar ganz auf genauere inhaltliche Hinweise und lassen den Leser unter „Kartenmaterial (u.a. aus den Gutachten)“ suchen, ob er auch das findet, was ihn interessiert. Wer also wissen will, ob in der Nähe seiner Wohnung eine Messung erfolgte, wird nicht auf Anhieb fündig werden, da die sorgfältig angeführten Größen der Dateien dabei kaum hilfreich sein dürften.

Was für Einzelmessung gilt, trifft entsprechend für das Gesamtbild der Kontamination zu. Hier kann man einiges aus den Messdaten auf den diversen Karten erschließen. Auch kann man unter „Fragen und Antworten“ nachsehen, wo man allerdings auch nicht eben umfassende Hinweise erhält.
Dabei ist allerdings an keiner Stelle von einem längerfristigen Plan die Rede, sondern nur von aktuellen Aktivitäten. Man erfährt also nichts über die weiterhin anstehenden Maßnahmen und vor allem nicht, mit welchen Erfolgen bei den Anschlussmaßnahmen nach dem ersten Abschöpfen zu rechnen ist.

Ganz offen ist hier vor allem, was eine ausreichende Information ist, wie sie Stadtbürgerschaft von dieser Internetseite gefordert hat. Ist es etwa ein Hinweis auf einen „Maßnahmenplan für die Sanierungsmaßnahme am Verladebahnhof“, der vorliegt und eine Sanierung, die betrieben wird, „bis die Sanierungszielwerte gemäß Anordnung vom 17.05.2010 erreicht worden sind“, wenn der Leser nichts weiter über die Maßnahmen und diese Sanierungszielwerte erfährt, ja, man sogar die Anordnung vom 17.Mai 2010 vergeblich unter den Dokumenten sucht?

Hier wird also die Tradition der ausweichenden fast inhaltsleeren Antworten fortgesetzt, mit denen die Umweltbehörde bereits mit ihrer Reaktion auf die ersten Bürgeranfragen aus dem Blumenthaler Beirat begonnen hatte. Der eindeutige Tenor war dabei, dass die Umweltbehörde alles sachverständig erledigt und die Bürger daher über Einzelheiten nichts wissen müssen. So wird Altbekanntes wiederholt: „Die Sanierung wird durch regelmäßige Überwachung (Beprobung und Analytik) durch einen Sachverständigen begleitet. Die Ergebnisse werden der Behörde vorgelegt.“


Da darf sich dann auch jeder Leser, sofern er sich die relevanten Teilinformationen zusammensucht, errechen, was es heißt, wenn die Sanierung so lange betreiben wird, „bis die Sanierungszielwerte gemäß Anordnung vom 17.05.2010 erreicht worden sind.“ Falls man diese Anordnung gefunden hat, stellt man fest, dass z.B. bei BTEX mindestens die Unbedenklichkeitsschwelle von „20 μg/l auf Dauer unterschritten“ werden soll, was durch Messergebnisse zu belegen ist.


Die Entdeckung der Kontaminationen durch den interessierten Leser


Da die Webseite keinen Wegweise zu den jeweils interessierenden Messdaten enthält, muss sich ein Leser ohne ein entsprechendes Navi auf die Suche machen. Immerhin muss er nicht selbst Messstellen anlegen und Proben auswerten, sondern muss nur das vorhandene Angebot an Karten durchklicken, um festzustellen, ob er dort das findet, was er sucht.


Kontaminierung und Sanierungserfolge


Einen groben Teilüberblick über die Kontaminationssituation soll anscheinend eine Tabelle vermitteln, die sich unter dem komplexen Stichwort „Parameter & Ergebnisse Bereich Verladebahnhof II u. Abstrom außerhalb der Liegenschaft“ aufrufen lässt, selbst jedoch keine Überschrift oder Legende besitzt. Man ist also auf Vermutungen angewiesen, die man durch ein mühsames Studien des übrigen Kartenmaterials plausibel werden lassen kann.


Intuitiv legen die Zahlen für BTEX und Benzol für den Zeitraum 2010 –2012 einen deutliche Abnahme der Konzentration nahe, wobei die Werte für das letzte Jahr allerdings immer noch deutlich über der Geringfügigkeitsschwelle liegen. So besteht beim Benzol eine Relation von 5.010 zu 1. Trotz aller anscheinenden Sanierungserfolge kann also von Entwarnung noch lange keine Rede sein.

Allerdings wird diese generalisierende Tabelle von den Autoren der Webseite nicht besonders herausgestellt, sodass man über ihren Stellenwert im Unklaren gelassen wird. Diese Vorsicht ist auch durchaus angebracht, wie eine nähere Beschäftigung mit den Einzeldaten der Karten zeigt.


Das Messprogramm von HPC


Nach den Karten mit Messdaten, die HPC im Auftrage von Immobilien Bremen AÖR erstellt hat, begannen die Messungen am 20.10.2009. Nach der Anfangserhebung folgte dann erst am 20.7.2010 eine weitere Messung. Insgesamt wurden 2010 sieben Messungen durchgeführt, von denen jeweils zwei in den Monaten Juli und August erfolgten. 2011 schlossen sich in einem monatlichem Turnus elf Messungen an, wobei der Monat Juli ausgespart blieb. Ein ähnliche Verteilung erfolgte 2012 mit insgesamt zehn Messterminen, und zwar ohne die Monate Februar und Mai. Für 2013 wird bisher von drei Messungen in den Monaten Januar, Februar und März berichtet.


Messungen der Kontaminationsfahne


Wie die Messergebnisse illustrieren, macht man sich leicht ein falsches Bild von der Kontaminationsfahne. Darunter darf man sich nicht einen Grundwassersee vorstellen, der an verschiedenen Messpunkten dieselbe Konzentration von Schadstoffen aufweist, wobei diese Werte – von Sanierungseingriffen einmal abgesehen – relativ stabil sind. Richtiger ist eher ein Bild, in dem die Fahne aus einer Vielzahl von Fähnchen oder Zellen besteht, die relativ unabhängige Kontaminationswerte aufweisen.

Zudem verändern sie sich im Jahresverlauf vor allem wegen des Oberflächenwassers ganz erheblich, da die schwankende Grundwassermenge die Konzentration der Schadstoffe deutlich beeinflusst. Das lässt sich beispielsweise deutlich an den Messwerten für den Sanierungsbrunnen GWMS 2 – 08 ablesen, bei dem die Schadstoffkombination im Verlauf des Jahres 2012 schwankte, wobei sich zumindest kein eindeutig fallender Trend und damit kein erkennbarer Sanierungserfolg abgezeichnet hat. So wurde – wie die Messziffer angibt - im März ein minimaler Wert erhoben, der dann im Juli auf das Fünffache anstieg, bevor er dann unter Schwankungen bis zum Jahresende auf eine Verdoppelung fiel. Insgesamt gab es dabei an dieser Messstelle einen leichten Anstieg der Konzentration um gut 20 %.

Die normale Schwankung der BTEX-Konzentration (in μg/l ) im Jahresverlauf (GWMS 2 - 08)

Datum         BTEX-Konzentration      Messziffer
                                              
09.01.2012        16.762                     177
07.03.2012          9.471                    100
23.04.2012        27.570                     291
08.06.2012        25.150                     266
09.07.2012        47.950                     506
08.08.2012        25.390                     268
04.09.2012        24.374                     257
17.10.2012        30.210                     319
26.11.2012        15.912                     168
19.12.2012        20.720                     219

Da in der Regel an allen Sanierungsbrunnen am selben Tag die BTEX-Konzentration gemessen wurde, lässt sich aus den deutlich unterschiedlichen Werte für benachbarte Messstellen eine ausgeprägte innere Segmentierung der Fahne erkennen. Als Beispiel können die Daten vom 21.12.2911 dienen. Dabei zeigten sich ganz erhebliche Abweichungen. Während die Grundwassermessstelle 3-09 einen besonders niedrigen Wert aufwies, galt das nicht für die übrigen vier Brunnen, wo zum selben Zeitpunkt 27- bis 93mal höhere Konzentrationen gemessen wurden, und zwar mit weiteren deutlichen Unterschieden.

Der Begriff Kontaminationsfahne deckt damit die Realität nur sehr oberflächlich ab, da sie nicht nur im Jahresverlauf sehr veränderlich ist, sondern auch gleichzeitig an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Bodentiefen erheblich abweichende Schadstoffkonzentrationen aufweist.



Die räumliche Verteilung der BTEX-Kontaminationen am 21.12.2011 (in μg/l)
        
Messstelle
Messwert
Messziffer
GWMS 1 - 09
7.141,6
3.440
GWMS 2 - 08
19.305,0
9.299
GWMS 2 - 09
5.757,5
2.773
GWMS 3 - 09
207,6
100
GWMS 4 - 09
6.224,6
2.998

Zwischen den einzelnen Segmenten der Gesamtfahne scheint dabei eine ausgeprägte Unabhängigkeit zu bestehen, da sich die Teile innerhalb eines Monats recht unterschiedlich entwickeln können. Dabei treten sogar, wie die Daten für den 19.2. und 19.3. dieses Jahres zeigen, gegenläufige Entwicklungen auf.

Die Entwicklung der BTEX-Kontaminationen in der Fläche


Messstelle
Messwert 19.2.2012
Messwert 19.3.2013
Entwicklung in %
GWMS 1-09
5.358
2.787
-48
GWMS 2-08
28.580
23.910
-16,3
GWMS 2-09
9.882
10.100
2,2
GWMS 3-09
3.696
1.724
-53,4
GWMS 4-09
3.592
2.484
-30,8


Messkapriolen und –wunder

Die Messdaten sind jedoch nicht nur im Zeitablauf extrem volatil und erfordern eine dichte kleinräumliche Verteilung der Messpunkte, wenn man die
tatsächliche Kontamination im Bereich einer gesamten Fahne adäquat erfassen will.

Diese Eigenschaften der realen Kontaminationsfahne erschweren verallgemeinernde Aussagen. Es ist also praktisch unmöglich, den
 Kontaminationsgrad im Durchschnitt eines Jahres anzugeben, da dieser Wert nicht allein von der Menge der Giftstoffe wie BTEX oder MTBE abhängt, sondern auch von der Organisation der Messung. Wenn man sich bei Messungen auf GWMS mit hohen Konzentrationen beschränkt und vor allem in Monaten wie Juli und August misst, erhält man hohe Werte. Fügt man hingegen Messstellen mit geringeren Konzentrationen hinzu und misst vor allem in den Monaten Dezember und Januar, scheint die Konzentration deutlicher geringer zu sein und man kann leicht irrtümlicherweise auf Sanierungserfolge schließen. 

Das ist das ganz gewöhnliche Problem von Kontaminationsmessungen wie sie auch im Bereich des Tanklagers Farge vorgenommen werden. Hier kommen jedoch noch zwei Merkwürdigkeiten hinzu, die zumindest eine Erläuterung erfordern. Die wird allerdings weder in der Legende der Karten noch im Textteil der SUBV-Webseite zum Tanklager Farge gegeben.

So überraschen die jetzt vorgelegten Karten mit den neuen Zahlen durch eine Änderung vieler Messwerte der Vergangenheit, die in der Präsentation im Blumenthaler Beirat erst vor einem halben Jahr veröffentlich wurden. Dabei handelt es sich nicht gerade um Stellen hinter dem Komma, denn für hohe Konzentrationen wurden die Werte um über 40 % nach unten revidiert. Da es für diese gravierende Änderung keine Erklärung gibt, sondern nur die alten Daten samt der gesamten Präsentation nicht in der Materialliste auftauchen, kann dieser Vorgang nicht unbedingt das Vertrauen in die generelle Zuverlässigkeit der Messungen stärken.




Korrektur der BTEX-Messdaten (in μg/l)

Datum
GWMS 2-08

Korrektur in %
GWMS 2-09

Korrektur in %

alt
korrigiert

alt
korrigiert

20.07.2010
21.730
22.671
4,3
8.400
9.002,8
7,2
28.07.2010
19.940
21.033
5,5
9.307
11.542,4
24,0
04.08.2010
594.990
331.790
-44,2
16.078
8.414,8
-47,7


Wenig plausibel sind auch einige Sprünge bei den Messwerten, die innerhalb sehr kurzer Zeit aufgetreten sein sollen. So ist es einerseits schon erklärungsbedürftig, wenn innerhalb einer Woche zwei Termine liegen, da sich so ein ganzes Jahr mit den üblichen 10 – 11 Erhebungen nicht systematisch abdecken lässt. Andererseits verlangt dieses Messkonzept noch dringender nach Erläuterungen, wenn innerhalb dieser kurzen Zeitspanne ein Wert auf das 15-fache angestiegen sein soll. Das ist wenig plausibel, zumal in demselben Zeitraum an anderen Messpunkten eine deutliche Reduzierung der Konzentration erfolgte. Vor allem muss man in diesem Fall jedoch die große Bedeutung sehen, die gerade diesem Messwert zugesprochen wird, da er als Stützpfeiler für den angebliche Sanierungserfolg von über 90% dient.

Wochen-Sprünge der BTEX-Werte (in μg/l)


Messstelle
Messwert 28.7.2010
Messwert 4.8.2010
Entwicklung in %
GWMS 1-09
5360,3
3693,3
-31,1
GWMS 2-08
21033,0
331790,0
          1.477,5
GWMS 2-09
11542,4
8414,8
-27,1
GWMS 3-09
6446,2
10495,2
62,8



Die BTEX-Belastung in Wohngebieten

Bezogen sich diese Messungen auf die Sanierungsbrunnen im Bereich des Verladebahnhofs II, wo man bisher eine größere Menge BTEX abgeschöpft hat, wurden die Messungen inzwischen verstärkt auf die Wohngebiete ausgerichtet, die an das Tanklager angrenzen. Hier liegen allerdings bisher nur weniger systematische Erhebungen der Kontaminationssituation vor, die den saisonalen Schwankungen Rechnung tragen. Das gilt beispielsweise für die Messstelle 9-09 an der Richard-Taylor-Str.. Hier liegen die Messwerte sehr deutlich über der Geringfügigkeitsschwelle von 20 μg/l, ohne dass man begründet feststellen kann, ob die während des letzten Jahres abgesunkene Konzentration ein Sanierungsfortschritt oder ein ausschließlich jahreszeitlicher Effekt ist. Relativ deutlich ist hingegen eine relative Verlagerung der Belastung in eine größere Tiefe.



BTEX-Kontaminationen an der GWMS 9-09 (Richard-Taylor-Str.) in μg/l


Datum
Tiefe: 18 m
Tiefe: 28 m
20.10.2009
884,0
616,0
31.01.2011
100,7
299,8
20.05.2011
106,3
677,7
28.11.2011
119,8
960,7
06.06.2012
507,0
1.420,0
07.01.-29.01.2013
313,0
927,0




Der Verladebahnhof I


Wenig aussagefähig sind die für den Bereich des Verladebahnhof I veröffentlichten Messdaten, die sie sich ausschließlich auf den 11.3.2013 beziehen und von HPC als „Erkundung von Kontaminationsverdachtsflächen Phase IIb“ bezeichnet werden. Anscheinend handelt es sich hierbei um erste Sondierungen, worauf die Messungen in verschiedenen Tiefen hindeuten.

Ein Beispiel für diese Vorgehensweise sind die Angaben zur KVF4-DP27 zwischen der Pumpstation 2 und der Unterkunft am Bahnhof I.


Kontaminationen an der KVF4-DP27 am 11.3.2013 in μg/l

Tiefe
BTEX
Benzol
MTBE
PAK
5,2 –6,2  m
389,0
54,0
33,0
7,52
9 – 10 m
1.124,0
98,0
7,8
1,19
14 – 15 m
440,0
52,0
17,0
0,1
19 – 20 m
963,0
37,0
350,0
0,1
24 – 25 m
156,0
1,0
0,7
0,33
Geringfügigkeitsschwelle
20,0
1,0
15,0
0,2



Auch hier werden also die Schwellenwerte deutlich überschritten, was nicht zuletzt zu dem Warnschreiben an Anwohner im März 2013 geführt haben dürfte. Dabei sind die Konzentrationen im Beispiel keineswegs Maximalwerte. So wurden etwa an der KVF4-DP26 mit 5.170 μg/l BTEX und 4.900 μg/l Benzol sowie an der KVF4-DP7 mit 837 μg/l MTBE bzw. an der KVF4-DP6 mit 30,4 μg/l PAK deutlich höhere Werte gemessen.


Die mysteriöse MTBE-Belastung

Eine ganz besondere Rolle im Tanklager-Skandal spielt die Belastung mit dem aliphatischen Ether MTBE, der als Zusatzstoff im bleifreien Benzin verwendet wird. Durch den Nachweis dieses Stoffes im Grundwasser von Gärten in der Nachbarschaft des Tanklagers hat die Panorama-Redaktion im November letzten Jahres die Kontaminationen in Farge und Rönnebeck zu einem aktuellen politischen Thema gemacht, da damit die bis dahin von der Umweltbehörde vertretene Mär, nach der die Schadstoffbelastung durch weit zurückliegende Wirren in den letzten Kriegstagen entstanden sein soll, widerlegt war. Das hat die Umweltbehörde verständlicherweise viel Glaubwürdigkeit gekostet. Später hat der Umweltsenator dann diesen Nachweis benutzt, um den Zeitraum einer Leckage einzugrenzen.

Da MBTE in Deutschland erst seit der Einführung von bleifreiem Benzin Mitte der 1980er Jahre dem Kraftstoff beigefügt wird, terminierte der Umweltsenator in der Deputationssitzung vom 6.12.2012 die Kontamination auf den Zeitraum zwischen 1984 und 1987, denn nach der Aussage des Referatsleiters Bodenschutz der Umweltbehörde erfolgte ab diesem Zeitpunkt „in Farge kein Umschlag von Kraftstoffen mehr“, „weil eine dann erforderliche Gaspendelanlage nicht vorhanden sei.“ Daher hielt es der Senator für erwiesen, „dass es sich um Schäden aus der Vergangenheit handele, zum einen aus den Kriegs- oder Nachkriegsjahren und zum Anderen aus der Zeit zwischen 1984 und 1987. Neue Leckagen seien nicht festgestellt worden.“

Auf der neuen Webseite scheint die Umweltbehörde diese Terminierung noch weiter in die Vergangenheit rücken zu wollen, wenn es heißt: „Es gibt allerdings Hinweise, dass MTBE bereits weit vor der allgemeinen Markteinführung in Deutschland z.B. bestimmten militärisch genutzten Kraftstoffen beigemischt worden war. Der Zeitpunkt des Schadenseintritts kann rückblickend nicht präzise bestimmt werden.“

Allerdings scheinen die gleichzeitig veröffentlichten Messdaten die Erklärung des Umweltsenators nicht gerade zu bestätigen; denn an der Grundwassermessstelle GWMS 13 - 12 (Am Rottpohl) wurde zwischen dem 7.1. und 29.1. 2013 eine Konzentration von 2.200 μg/l MBTE gefunden. Das ist in Relation zu der G
eringfügigkeitsschwelle von 15,0 μg/l nicht eben wenig und hat immerhin dazu geführt, dass ein knappes halbes Jahr nach diesen Messungen eine Warnung an betroffene Anwohner verschickt wurde. Ähnlich hohe und seit 2011 sogar steigende Konzentrationen wurden in 25 m Tiefe an der GWMS 02-10 ebenfalls am Rottpohl gefunden. 

Während hier hohe Werte in der Tiefe zu finden sind, zeigt sich an der GWMS 08-09 (Heinrich-Steffens-Str.) ein anderes Bild, da hier die Belastungen eher rückläufig sind und näher an der Oberfläche liegen.

Zumindest ohne eine Erläuterung ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum bei den bereits 2011 nachgewiesenen hohen Belastungen am Rottpohl hier im folgenden Jahr gar nicht gemessen wurde. Ist das etwa eine Grund dafür, warum sich die Umweltbehörde so beharrlich weigert, die Kriterien für die Auswahl der Messstellen und der Messtermine sowie die geplanten und durchgeführten Sanierungsmaßnahmen offenzulegen?

MTBE-Belastungen an der Messstellen „Heinricht-Steffens-Str.“ und „Am Rottpohl“ (in μg/l)


Datum
GWMS 8-09:
18 m Tiefe
GWMS 8-09:
28 m Tiefe
GWMS 02-10:
18 m Tiefe
GWMS 02-10:
25 m Tiefe
GWMS 13-12:
25 m Tiefe
20.05.2011
kM
kM
6,7
779
kM
28.11.2011
882
56
22,4
922
kM
07.01.-29.01.2013
530
40
6,9
1.800
2.200

Bei der Messung ist nicht nur die absolute Höhe zu beachten, sondern auch das damit verbundene Erreichen eines neuen Maximalwertes bei den MBTE-Messungen außerhalb des Tanklagers überhaupt. Der bisherige Höchstwert lag hier bei „nur“ 922 μg/l (Info der Umweltbehörde vom 10.12.2012 (Stand der Daten: Juni 2012 ) bzw. 1.600 μg/l (Info der Umweltbehörde vom 6.12).

Von einer Entwarnung bei der Kontamination mit MTBE kann also keine Rede sein. Auch der Versuch, die Entstehung der MBTE-Leckage möglichst weit in die Vergangenheit zu verschieben, dürfte aufgrund dieser Messbefunde gescheitert sein. Besonders mysteriös ist bei dieser Kontamination, dass die höchsten Kontaminationen außerhalb des Tanklager gefunden wurden. Oder liegt das nur daran, dass man innerhalb des Tanklagers noch nicht an den „richtigen“ Stellen gesucht hat?


Die Gefährdung des Trinkwasserschutzgebietes


Während für die Sanierungsbrunnen am Verladebahnhof II und für einige weitere neuralgische Punkten vor allem in den Wohngebieten in der Nachbarschaft des Tanklagers Messwerte bis zum März dieses Jahres vor, bleiben die Auswirkungen der Kontamination auf das Trinkwasserschutzgebiet weitgehend im Dunklen.


Hier wird dem Nutzer der neuen Webseite eine Karte zur Orientierung angeboten, die Teil des Wasserschutzgebietsantrag des Wasserwerks vom 4.5.2010 war und auf der das Tanklager nicht einmal eingezeichnet ist. Das ist also ein Angebot ausschließlich für ausgefuchste Karten- und Heimatkenner.

Auf einer weiteren Karte, die die Kontaminationsfahne darstellt und auf der die Grenze des Wasserschutzgebietes Blumenthal III A eingetragen ist, findet man zwar Grundwassermessstellen. Nur sucht man die entsprechenden Messwerte vergeblich.

Hier ist also für einen ganz wichtigen Aspekt der Grundwasservergiftung eine Fehlanzeige zu konstatieren. Man kann daher kaum von einer ausrechenden Information sprechen, wie sie der Umweltbehörde von der Bürgerschaft aufgetragen worden ist. Das ist vor allem besorgniserregend, weil in der Karte für 2009 Konzentrationen in der Bandbreite 5.000 – 10.000 μg/l eingezeichnet sind.


Weitere „vergessenen“ Messgebiete



Allerdings sucht ein interessierter Leser nicht nur Daten zur Belastung im Trinkwasserschutzgebiet vergeblich. Dasselbe gilt für den Bereich der Verladestation an der Weser. Auch die veröffentlichen Ergebnisse über BTEX-Messungen in den angrenzenden Wohngebieten dürften kaum den Informationswünschen der betroffenen Bewohner gerecht werden.


Der Sanierungsfortschritt


Das alles sind zwar wichtige Gesichtspunkte, aber für die Gesamtbeurteilung nicht entscheidend, denn die meisten Leser werden auf der Webseite nach verlässlichen Informationen über den Grad der Grundwasserbelastung und den Stand der Sanierung suchen. Das haben die Autoren des Webangebotes offensichtlich auch so gesehen, denn sie stellen in ihrem spartanisch kurzen Erläuterungstext einen deutlichen Erfolg heraus:


„Im Juli 2010 begann die Grundwassersanierung am Verladebahnhof II, dabei wird das Grundwasser in speziellen Brunnen gefördert und die dabei aufschwimmenden Kohlenwasserstoffe (BTEX) abgeschöpft. Bis Ende 2012 konnten so ca. 17.200 Kilogramm Schadstoffe entsorgt und die Schadstoffmaximalkonzentrationen in diesem Bereich um über 90 Prozent gesenkt werden.“

Deutliche quantitative Angaben werden also an hervorragender Stelle gemacht. Es stellt sich nur die Frage, ob diese Daten auch die ganze Wahrheit sind oder sie nur einen Blick auf viel Kosmetik geben.

Eine etwas detailliertere Aufstellung findet man in einer Tabelle, die nicht von HPC, sondern aus der Umweltbehörde stammt und auf die bereits kurz hingewiesen wurde. Nach einem Blick auf die komplexen Details der Messungen lassen sich die Angaben jetzt erheblich konkreter beurteilen.


BTXE-Konzentration im Bereich des Verladebahnhofs II in μg/l

Jahr
SUBV-Werte
Minimaler Messwert
Maximaler Messwert
2010
31.585,0
925,9
331.790,0
2011
14.499,8
207,6
168.198,1
2012
9.010,1
1600,0
47.950,0
2013

1724,0
29.831,0


Für die Jahreswerte wird nicht angegeben, wie die hier in der Tabelle als „SUBV-Werte“ gekennzeichneten Daten ermittelt wurden. Falls es sich um einen Mittelwerte handeln sollte, veranschaulichen die minimalen und maximalen Messwerte für die Sanierungsbrunnen, wie wenig aussagekräftig bei dieser Ergebnisspanne die Berechnung eines Durchschnitts ist, der ganz erhebliche durch einen Ausreißerwert beeinflusst wird. Betrachtet man daher beispielsweise nur die minimalen Werte, ist kein Sanierungsfortschritt mehr zu erkennen.

Diese Schwierigkeit, allgemeine Aussagen über die Situation zu machen, wird auch bei einem Vergleich ausschließlich von Märzergebnissen an den Sanierungsbrunnen deutlich, bei denen keine Extremwerte gemessen wurden. Auch hier kann man nur unter großen Vorbehalten von einem Trend bei der GWMS 1 – 09 sprechen, während an der GWMS 2 – 09 das keineswegs der Fall ist. Hier wurde man nach einem starken Abfall der Konzentration zwischen 2011 und 2012 durch einen deutlichen Anstieg bei der Messung in diesem Jahr überrascht. Es ist also praktisch nicht möglich, sichere Prognosen für einzelne Messstellen abzugeben oder gar eine generelle Aussage über die gesamt Kontaminationsfahne.


Sanierungsbrunnen mit relativ stabilen BTEX-Messergebnissen (μg/l) im
März

Datum
GWMS 1- 09
GWMS 2-09
25.03.2011
5.319,6
10.070,5
07.03.2012
4.476,6
3.479,4
19.03.2013
2.787,0
10.100,0


SUBV-Webseite und Kontaminationsrealität

Angesichts dieser Situation haben sich die Autoren der SUBV-Seite zur Altlast „Tanklager Farge“ vermutlich bemüht, die Sicht ihrer Behörde komprimiert darzustellen. 

Eine Sammlung von Fakten – und das gilt vor allem für ein Rohmaterial, wie es die Karten mit den Messwerten sind – stellt jedoch noch keine Information dar, mit deren Hilfe sich ein interessierter Nutzer, der sein Brot nicht mit Kontaminationsmessungen verdient, leicht einen Überblick über die Belastungssituation im und am Tanklager Farge verschaffen kann. Dazu sind die Messergebnisse einfach zu variabel und die Kontaminationsfahne in sich zu heterogen.


Sogar Fachleute werden das Material zunächst aufbereiten müssen, um sachgerechte Urteile fällen zu können. Vor allem fehlen Daten, die für eine Beurteilung der Situation dringend erforderlich sind. So hat man zwar die Kontaminationsfahne mit festen Grenzen kartografisch erfasst und im Querschnitt dargestellt, jedoch keine Modellrechnung veröffentlicht, in der die Menge an BTEX, MTBE oder PAK geschätzt wird, die sich im Grundwasser befindet. Daher erhält ein Leser keine Anhaltspunkte, um beurteilen zu können, welche Strecke auf dem Weg zur vollständigen Sanierung bereits zurückgelegt wurde. Die angebenden mehr als 90 % geben die Wirklichkeit jedoch völlig falsch wider, da sich diese Behauptung auf punktuelle Ausreißer unter den Messwerten bezieht, die die komplexe Realität der gesamten Kontaminationsfahne völlig falsch abbilden. Hat man vielleicht auf eine Schätzung der Kontaminationsmenge verzichtet, weil die Experten die Annahme einer einmaligen Leckage in der Vergangenheit nicht teilen, sodass sie gar nicht von einer festen Menge ausgehen?

Daneben kann man auch über Unzulänglichkeiten nicht hinwegsehen, die zumindest, wenn sie unkommentiert sind, den Wert der Messergebnisse mehr oder weniger in Frage stellen. Zu nennen sind hier die korrigierten Messdaten, die schnell die Frage aufkommen lassen, ob die aktuellen Daten schon die abschließende Korrektur darstellen.

Auch fallen einige Feinheiten, die bei professionellen Messungen allerdings nicht passieren dürfen, zumindest im Vergleich dazu weniger ins Gewicht. Sie beschränken jedoch die Vergleichbarkeit der Daten, wenn bei zahlreichen Messungen angemerkt werden muss, dass die Benzole TMB, Cumol und Styrol nicht gemessen wurden.


Die SUBV-Webseite eignet sich so als Link-Sammlungen, um rasch auf eine Reihe von Dokumenten der Umweltverwaltung und vor allem relativ aktuelle Karten mit Messergebnissen zugreifen zu können. Sie bietet jedoch dem interessierten Nutzer, der sich rasch und ohne eigene zusätzliche Recherchen für den Stand der Messungen und Sanierungsarbeiten informieren will, keinen halbwegs umfassenden Überblick. Dazu fehlen die notwendigen Erläuterungen zu den Messdaten und eine halbwegs verständliche sachgerechte Auswertung der zahlreichen Einzeldaten. In der jetzigen Form ist die Seite daher eher ein farbig gestalteter Datenfriedhof als eine komprimierte verständliche und geordnete Information zu den Fragen, die vor allem interessieren dürften.

Ein Leser, der sich von der Belastungssituation ein realistisches Bild machen will, ist daher auf recht mühsame eigene Auswertungen oder andere Internetangebote angewiesen. Das ist allerdings nur sehr bedingt möglich, da der SUBV über das Monopol bei den Messungen und Sanierungsmaßnahmen und vor allem auch bei der Kommunikation der Messdaten verfügt.

Die ach so schwierige transparente Information


Diese Anmerkungen zu der neuen Webseite müssen jedoch nicht mit Kritik schließen. Es soll vielmehr konkrete Anregungen geben, wie die Umweltbehörde den Vorgaben der Bürgerschaft und den Anträgen der Bürger aus dem Stadtteil Blumenthal nach mehr Transparenz gerecht werden kann.

Vieles davon sollte eigentlich selbstverständlich sein, da es nur die Beachtung einfacher redaktioneller und statistischer Regeln bedeutet, die nicht eingehalten wurden. Wie in vielen derartigen Fällen kann man nach den Ursachen fragen. War es schlichte Unkenntnis? Oder ein Desinteresse an dieser von außen aufgebürdeten Arbeit? Aber ausgeschlossen ist natürlich auch nicht, dass man mit diesen Mängeln bei den Informationen Fehler bei der Messung und Sanierung, ja, vielleicht sogar bei den Aussagen über die Leckagen verschleiern will.

Die Dokumenten sollten nach erkennbaren Regeln angeordnet werden, was eine schnelle Orientierung erst möglich macht. Das könnte etwa eine zeitliche Reihung sein. Auch bei den „Frage und Antworten“ ließe sich mit ganz einfachen Mitteln ein wirklich transparentes Angebot einer bürgerfreundlichen Verwaltung konzipieren. Man müsste nur, wie es praktisch bei jedem kommerziellen Anbieter Usus ist, eine Eingabefolie anbieten, auf der jeder Leser Fragen stellen kann, die anschließend beantwortet werden und für weitere Nutzer lesbar bleiben.



Der Mess- und Sanierungsplan

Ein erhebliches Manko der Webseite ist das Fehlen jeglicher Erläuterungen zu den Karten mit den Messwerten. Hier sucht man Angaben vergeblich, die Außenstehenden erklären, warum wo welche Messungen vorgenommen wurden. Daher gerät ein Leser von einem Fragezeichen, das er mental hinter einem Wert anbringen muss, zum nächsten Fragezeichen. So ist offen, warum nach der ersten besorgniserregenden Messung im Jahr 2009 erst eine Pause von neun Monaten bis zur nächsten Messung eingelegt wurde, warum manche Monate bei den Messungen ausgespart blieben, während später innerhalb kurzer Zeit mehrere Messungen vorgenommen wurden usw. usf.

Diese ganze Problematik ließe sich leicht vermeiden, wenn man die Kriterien für die Entscheidungen offen legen würde. Wenn die Autoren der Webseite allerdings glauben, eine Antwort wie „Die Sanierung wird betrieben, bis die Sanierungszielwerte gemäß Anordnung vom 17.05.2010 erreicht worden sind“ sei eine ausreichende Auskunft, dürfte bei den beteiligten Behördenmitarbeitern das Modul für eine bürgernahe Informationspolitik unterentwickelt sein; denn dieser Satz klingt fast wie Durchhalteparolen bis zum Sieg.

Kritische Beobachter schließen aus diesem Verhalten häufig nicht zu unrecht, dass Fehler und Versäumnisse vertuscht werden sollen. Das wird doch hier wohl nicht auch der Fall sein?


 Die Entwicklung an den Sanierungsbrunnen

Für die Beurteilung der Kontamination sind die Messwerte an den Sanierungsbrunnen von ganz besonderem Interesse, da nur hier seit Mitte 2010 mehrfach im Jahr die Konzentration von BTEX erfasst wurde, auch wenn die Zahl und Verteilung der Messungen nicht immer nachvollziehbar ist. Da Experten eines renommierten Ingenieursunternehmens beteiligt sind, wird es dafür sicherlich Erklärungen geben. Nur warum will man sie den „Laien“ oder auch den Éxperten unter den Lesern vorenthalten?

Schließlich sind sie es, für die die Verwaltung arbeitet und die letzthin die Mess- und Sanierungsarbeiten bezahlen müssen.


Ein zentrales Problem ist bei der Auswertung die erhebliche Volatilität der Messwerte, die teilweise durch die Niederschlagsmengen und damit saisonal beeinflusst wird. Hier ist eine statistische Darstellung erforderlich, durch die sich ein Verlauf der Kontamination im Zeitablauf prüfen lässt. Das ist schließlich erforderlich, um Erfolge von Sanierungsmaßnahmen festzustellen, aber auch mit Sicherheit unbekannte Leckagen ausschließen zu können.

In der Statistik wurden für diese Aufgabe verschiedene Mittelwerte vorgeschlagen, die auf die jeweilige Datensituation zugeschnitten sind. Die ist hier an dem besonders stark belasteten Sanierungsbrunnen GWMS 2 –08 durch zwei Ausreißerwerte gekennzeichnet, die teilweise mehr als 20mal so hoch sein sollen wie die zeitlich benachbarten Werte und die im letzten halben Jahr sehr deutlich korrigiert worden sind.

Wer sein statistisches Handwerkszeug beherrscht, wird in diesen Fällen keinen Durchschnitt betrachten, sondern durch die Wahl des Medians bzw. eines bereinigten Durchschnitts, bei dessen Berechnung die höchsten und niedrigsten Messwerte ausgeschlossen sind, eine Kennziffer für eine Beurteilung des Gesamtjahres bilden. Die Ergebnisse zeigt die folgende Tabelle.


Jährliche Mittelwerte der Kontamination an der GWMS 02 –08 in μg/l


Jahr
Zahl der Messungen
Bereinigter Durchschnitt
Unbereinigter Durchschnitt
2010
5
22.671
24.197
84.920
2011
11
26.732
31.653
42.052
2012
10
24.762
23.261
24.351
2013
3
(28.580)
(28.580)
(27.440)


Sowohl der Median als auch der bereinigte Durchschnitt lassen hier keinen deutlichen Erfolg der Sanierungsmaßnahmen erkennen. Vielmehr ist die Konzentration zunächst von 2010 auf 2011 sogar angestiegen und erst anschließend im Jahre 2012 etwa wieder auf das Niveau von 2010 gefallen. Die ersten drei Messungen für 2013 deuten bisher auch noch auf keinen Durchbruch dank der Maßnahmen hin.

Wer daher mit Hilfe der Ausreißer, deren Entstehen eher fragwürdig zu nennen ist, von einem mehr als 90-prozentigen Sanierungserfolg spricht, scheint den Bezug zur Realität völlig verloren zu haben.

Wenigstens sollte er erläutern, warum die üblichen statistischen Konventionen bei der Auswertung dieser Messdaten keine Anwendung finden, während die Autorinnen in der auf der neuen Webseite angeführten Krebsstudie so energisch auf die Konventionen über statistische Signifikanzen pochen.

Statistiken, die ganz nach Opportunitätsgesichtspunkten zurechtfrisiert werden, sind unglaubwürdig und stehen für das Gegenteil einer transparenten Information. Sie kommen zumindest dem sehr nahe, was üblicherweise mit Manipulation bezeichnet wird.

Hier wäre also eine faire Darstellung der Probleme bei der Auswertung angezeigt, wobei als Ergebnis Mittelwerte als Zusammenfassungen präsentiert werden, die nach den üblichen statistischen Konventionen dem Datenmaterial angemessen sind, wie es in der Tabelle oben versucht ist.



Die Belastung der angrenzenden Wohngebiete

Wie die Petition zur Informationspolitik belegt, sind viele Betroffene vor allem an den Messungen in ihren Wohngebieten interessiert, da sie straßenweise die jeweiligen Belastungen ablesen wollen, ohne sich vorher durch das gesamte Kartenmaterial wühlen zu müssen und mühsam Messstellen, Straßennamen und Messdaten zu verbinden.

Eine derartige Aufbereitung der Rohdaten in den Karten ist durchaus möglich, wie die folgende Tabelle exemplarisch zeigt. Allerdings fällt dabei auf, dass diese Messungen bisher recht unsystematisch durchgeführt wurden. Obwohl in einem großen Gebiet die Geringfügigkeitsschwelle deutlich übertroffen wird, wurde z.B. MTBE erstmals am 20.5.2011 gemessen, bevor dann 2012 wieder eine völlige Messpause eintrat.


Die Belastung der angrenzenden Wohngebiete in μg/l


Messstelle

Straße
Schadstoff
Letzter Messwert
Tiefe
Messdatum
Geringfügigkeitsschwelle
03 - 10
Am Rottpohl (östlich)
MTBE
855
25 m
28.11.2011
15,0
13 – 12
Am Rottpohl (zentral)
MTBE
2.200
25 m
7.1.-29.1.2013
15,0
02 - 10
Am Rottpohl (westlich)
MTBE
1.800
25 m
7.1.-29.1.2013
15,0
09 - 09
Richard-Taylor-Str.
MTBE
140
18 m
7.1.-29.1.2013
15,0
09 - 09
Richard-Taylor-Str.
MTBE
300
28 m
7.1.-29.1.2013
15,0
07 - 09
Samlandstraße
MTBE
180
18 m
7.1.-29.1.2013
15,0
08 - 09
Samlandstraße
MTBE
530
18 m
7.1.-29.1.2013
15,0
01 - 12
BTEX
1.227
7 m
11.03.2013
20,0
02 - 12
Am Depot
BTEX
1.487
13 m
11.03.2013
20,0
03 - 12
Am Depot
BTEX
822
23 m
11.03.2013
20,0


Die Vorteile von Transparenz


Zu dem diffusen Hintergrund der Erfolgsmeldung der Umweltbehörde zu den Sanierungsmaßnahmen, die teilweise an die Siegesparolen in Produktionsschlachten untergegangener Staaten erinnert, lassen sich, wie diese Beispiele zeigen, bei den vorhandenen Messdaten durchaus sachgerechte Informationen aufbereiten, die allerdings dann ein deutlich anderes Bild zeichnen. Man muss diese handwerklich korrekte Darstellung nur wollen. Auch darf eine Behörde nicht dafür zurückschrecken, dass dadurch Fragen von Lesern auftauchen, denen nicht jeder Messentscheidung plausibel erscheint.

Die deutliche Korrektur von Messergebnissen und die falsche Bildung von Mittelwerten zeigen jedoch deutlich, dass auch Experten irren können. Mehr Transparenz kann daher zu richtigeren Ergebnissen führen, wenn nicht nur ein kleiner Kreis von Auserwählten informiert ist, sondern auch andere Interessierte mitdenken und dank sachlicher Informationen urteilen können.

Anhang:

Korrigierte Messergebnisse 
(in μg/l) für die Sanierungsbrunnen im Bereich des Verladebahnhofs II (Stand: 23.4.2013)



Datum GWMS 1-09 GWMS 2-08 GWMS 2-09 GWMS 3-09 GWMS 4-09
20/10/2009 10.650,0 33.180,0 15.820,0 10.616,0
20/07/2010 5.452,1 22.671,0 9.002,8 14.216,1
28/07/2010 5.360,3 21.033,0 11.542,4 6.446,2
04/08/2010 3.693,3 331.790,0 8.414,8 10.495,2
24/08/2010 4.527,0 kM 6.050,0 5.597,0
29/09.2010 7.320,5 kM 9.173,6 9.934,7
29/10/2010 5.250,3 28.886,0 11.013,1 10.901,0
29/11/2010 3.889,4 20.219,9 10.821,8 7.712,0
10/01/2011 4.931,3 9.494,0 3.065,5 925,9
22/02/2011 14.876,1 45.997,0 21.614,2 4.953,0
25/03/2011 5.319,6 22.756,3 10.070,5 4.340,9
26/04/2011 10.161,8 26.731,7 6.243,5 4.715,2
31/05/2011 4.343,8 28.474,0 8.720,4 2.514,5
23/06/2011 2.364,8 22.567,9 5.324,9 2.557,6
25-26/08/2011 4.160,5 71.610,0 8.156,1 2.086,8
19/09/2011 2.657,4 29.063,5 5.643,7 3.544,8
27/10/2011 3.824,6 168.198,1 11.136,9 1.119,5
28/11-6/12/2011 1.640,2 18.370,0 2.282,1 kM 12.652,0
21/12/2011 7.141,6 19.305,0 5.757,5 207,6 6.224,6
09/01/2012 3.782,5 16.762,0 3.516,5 kM 4.520,6
07/03/2012 4.476,6 9.471,0 3.479,4 3.164,8 6.039,6
23/04/2012 6.054,0 27.570,0 9.948,0 4.192,0 5.704,0
08/06/2012 3.756,0 25.150,0 4.666,0 2.452,02,506,0
09/07/2012 6.340,0 47.950,0 7.443,0 4.808,0 4.356,0
08/08/2012 2.901,0 25.390,0 9.140,0 2.024,07.104,0
04/09/2012 3.057,0 24.374,0 5.721,0 2.914,0 2.987,0
17/10/2012 4.576,0 30.210,0 10.260,0 5.003,0 6.925,0
26/11/2012 3.731,0 15.912,0 7.590,0 1.600,0 7.525,0
19/12/2012 2.829,0 20.720,0 6.807,0 2.883,0 3.044,0
18/01/2013 3.929,0 29.831,0 9.136,0 1.941,0 4.022,0
19/02/2013 5.358,0 28.580,0 9.882,0 3.696,0 3.592,0
19/03/2013 2.787,0 23.910,0 10.100,0 1.724,0 2.484,0

kM: keine Messung