Die Bremer Woll-Kämmerei (BWK)
Gründung, Aufstieg und Siechtum eines weltumspannenden Wollkonzerns
Wollkämmereien am Rande Bremens
Historisch gesehen liegt es, wenn wir an Ereignisse aus
dem alten Rom oder dem Mittelalter denken, noch gar nicht sehr lange zurück,
und doch erscheint vieles, was sich vor vielleicht erst 100 Jahre ereignet hat,
wie eine Geschichte aus einer anderen Welt. Dabei kann man die Reste dieses
wahren Märchens tagtäglich sehen und sogar anfassen. Solche teilweise
verblüffenden Eindrücke kann sogar ein ganz nüchterner Tatsachenbericht von der
Geschichte der Bremer Wollkämmerei vermitteln, von ihrer einstigen Größe und
ihrem langwierigen Siechtum.
Hier wurden zwar bereits 1784 mit der Textilfabrik Cromford in Ratingen die erste mechanische Baumwollspinnerei gegründet und um
1830 die ersten mechanischen Webstühle eingesetzt. Diese Fabriken nutzen jedoch
kaum die Dampfkraft und blieben auf begrenzte regionale Märkte ausgerichtet.
Die Bearbeitung der Schafwolle stellte dabei zunächst eine besondere technische Herausforderung dar; denn es sind vor dem Spinnen noch Bearbeitungsschritte erforderlich, um eine saubere Faser zu erhalten. So sind die Rohwolle bzw. der Wollvliese, wie sie bei der Schur gewonnen werden, so stark verschmutzt, dass der Anteil des reinen Wollhaares nur zwischen 50 % und 40% liegt. Durch die Wollwäsche müssen daher neben diversen Verunreinigungen auch der Wollschweiß, also die eingetrocknete Hautausdünstung des Schafes, und das Wollfett entfernt werden, das als Lanolin u.a. in der kosmetischen Industrie verwendet wird.
Wegen dieser komplexen Anforderungen wurde erst erheblich Zeit nach den
Spinn- und Webmaschinen in einem damaligen Zentrum der industriellen Wollverarbeitung, dem belgischen Verviers, das sich heute „Wallonische Hauptstadt des Wassers“ nennt, mit dem sogenannten Léviathan eine
Waschmaschine entwickelt, mit der sich Rohwolle von allen Verunreinigungen
befreien ließ, ohne dabei zu verfilzen.
Bekannt wurde diese vom Ingenieur Eugene Mélen um 1860 konstruierte und von der Firma J. D.
Houget & D. Teston gebaute Maschine durch ihre Präsentation auf der Weltausstellung 1867 in Paris.
Diese Waschmaschine, die Rohwolle einweichen,
entfetten, waschen, spülen und trocknen konnte, war nicht nur ein
Multifunktionstalent, sondern imponierte auch durch ihre Größe; denn sie war
über 12 m lang und knapp 2 m breit. Ihr Erfinder benannte sie daher nach dem
biblischen Ungeheuer Leviathan, das gleichzeitig Krokodil, Drache, Schlange und
Wal gewesen sein soll.
Leviathan in Verviers (Foto: N. Drouguet)
So kann es nicht überraschen, dass in Deutschland zwischen 1845 und 1883/4, wie die folgende Übersicht zeigt, für die Verarbeitung der Rohfasern Baumwolle, Flachs und Schafwolle große Kämmereien und Spinnereien entstanden.
In diesen revolutionären Jahren wurde jedoch nicht nur die Handarbeit durch Maschinen ersetzt. Ein weitere Änderung erfolgte bei den verwendeten Materialien, da die heimischen Produkte Flachs und Schafwolle teilweise durch die importierte Baumwolle verdrängt wurden. Aber auch bei der traditionellen Wolle gab es einen Wandel, da dank des maritimen Überseehandels Wolle vor allem aus Australien preiswerter und in größeren Mengen zur Verfügung stand als die der heimischen Schafe.
So war Deutschland bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein Wollexportland. Das änderte sich
jedoch, als durch die Anwendung von Kunstdünger auch schlechtere Böden nicht
mehr als Schafweiden genutzt werden mussten und die Schafzucht in Deutschland
unrentabler wurde. Durch die sinkenden Produktionskosten stieg die Nachfrage
nach Wollprodukten und damit der Bedarf
an Wolle, sodass die Schafzüchter in Australien ihre Herden vergrößern und die
dortige Wollproduktion steigern konnten, da sich die Rohwolle trotz der langen
Seereise unkompliziert nach Europa transportieren ließ. Daher wuchs die Zahl
der in Australien gehaltenen Schafe von einer viertel Million im Jahr 1825 auf
über 62 Millionen im Jahr 1880..
diese Hansestadt abgewickelt und um die Jahrhundertwende soll es hier rund 200 Wollimportfirmen gegeben haben.
Für den Mikrostandort waren zwei zusätzliche Überlegungen von Bedeutung. So trat Bremen wie auch die beiden anderen Hansestädte Hamburg und Lübeck erst 1888 dem Zollverein bei. Das war in den Nachbarstaaten Hannover und Oldenburg anders, die bereits 1854 zum Zollverein gehörten, sodass von hier aus Waren zollfrei in die anderen Staaten des Zollvereins geliefert werden konnten.
Man suchte daher im Bremer Umland und fand gleich zwei geeignete Standorte: Blumenthal und Delmenhorst. Die Bremer Wollkämmerei in Blumenthal wurde am 13. April 1883 als Aktiengesellschaft gegründet, die in Delmenhorst folgte ein Jahr später.
Die Kapital der Blumenthaler Gründungsaktionäre in Höhe von 2,25 Millionen Mark stammte aus bekannten Bremer Familien. Darunter waren J. Hachez aus der Kaufmannsfamilie Hachez und C. Kulenkampff, dessen Familie verwandtschaftlich entfernt mit Ludwig Knoop verbunden war, also dem Bremer Großkaufmann, der durch seine Textilunternehmen zu den erfolgreichsten Unternehmern des 19. Jahrhunderts zählt und in jungen Jahren die maschinelle Baumwoll-Spinnerei und –Weberei sozusagen an ihrer Wiege in Manchester kennengelernt hatte.
Handschriftliche Gründraktie der BWK und Aktie aus der Kapitalerhöhung von 1899 mit den Unterschriften von Ullrich und Zschörner (Quelle: Sir Charles (Förderverein))
Die Gründer bestimmten Ferdinand Ullrich zum
kaufmännischen und Paul Zschörner zum technischen Direktor, der als Standortes für das Werk ein 500.000 Quadratmeter großes
Areal zwischen der Aue und der Weser in Blumenthal wählte, das damals als
Gemeinde der preußischen Provinz Hannover bereits zum Zollverein gehörte und am
1. April 1885 Kreisstadt wurde.
Die Größe des Fabrikgeländes kann man sich gut
verdeutliche, wenn man sie mit der Vatikanstadt, also dem kleinsten Staat der
Welt vergleicht. Hier ist das Kämmerei-Reich etwas größer, denn die
Vatikanstadt bringt es nur auf eine Fläche von 0,44 qkm.
Dieser Standort hat sich dank seiner Größe, günstigen
Verkehrsanbindungen vor allem durch die Weser und ausreichender, guter
Wasserressourcen, die es neben der Weser auch in eigenen Tiefbrunnen gab, bis
Ende 2008 als tragfähig erwiesen.
Gut ein Jahr nach der juristischen Gründung konnte bereits
am Herbst 1884 die Produktion mit 150 Arbeitern beginnen.
Rasch
erwies sich die BWK als weitsichtige und rentable Investition; denn schon 1896
wurden 2.000 Arbeiter beschäftigt, darunter viele aus Polen, Schlesien, Ost-
und Westpreußen, Sachsen und dem Rheinland. Bis 1930 stieg die Arbeitnehmerzahl
sogar auf 3.700.BWK (Quelle: Museumsverein)
Genauer betrachtet war die BWK eine Wollwäscherei und
–kämmerei, die nach der Schafhaltung und –schur die erste industrielle Stufe in
der Wollverarbeitung darstellt. Dabei wird die geschorene Rohwolle zunächst
gewaschen, was mit einem hohen Wasserbedarf verbunden ist, der in Blumenthal
durch eigene Tiefbrunnen gedeckt wurde. Dieses Waschwasser musste nach der Reinigung
der Wolle von Urin, Wollfett und vielfältigen Verunreinigungen auch durch Pestizide
sowie den verwendeten Waschmitteln geklärt werden, bevor es in die Weser
geleitet werden konnte, was eine entsprechende Kläranlage erforderte.
In einem zweiten Arbeitsgang wird die gewaschene Wolle gekämmt,
d.h. man entfernt durch spezielle Kämme Einstreu und
kurze Fasernester, sodass man gestreckte und absolute parallele Fasern erhält,
die man als Kammzug bezeichnet und die den anschließenden Spinnvorgang
erheblich erleichtern.
Während das Schwesterunternehmen in Delmenhorst
auch diese Garnherstellung leistete, hat die BWK das Waschen und Kämmen als
Auftragsarbeit für Spinnereien erledigt, so beispielsweise für die Augsburger
Kammgarnspinnerei. Das Blumenthaler Unternehmen war also ein sehr
spezialisiertes Unternehmen, das innerhalb des Arbeitsprozesses, der Rohwolle
in Wollbekleidung verwandelt, nur das Waschen und Kämmen erledigt hat, zwei
Tätigkeiten, die einerseits recht arbeitsintensiv waren, andererseits die
Umwelt belastet haben, da man viel Wasser benötigte, das anschließend vom Dreck
der Schafe und der australischen Weiden zu befreien war.
Das junge Führungsteam der BWK aus dem
Direktor Ferdinand Ullrich, dem Technik-Chef Paul Zschörner, der sich zuvor im
Ausland mit den damals neuesten Stand der Wollwasch- und –kämmereimaschinen
vertraut gemacht hatte, und Richard Jung, der später das Ruder in Blumenthal
übernehmen sollte, konnten sehr erfolgreich starten. Das belegen bereits die
ersten Bilanzen; denn nur zwei Jahre nach Produktionsbeginn konnten 16 Prozent
Dividende an die die Aktionäre 16 Prozent Dividende auf ihr eingezahltes
Kapital ausgeschüttet werden. In den Jahren 1889 und 1898 stieg der Wert dann
sogar auf 25 Prozent. (Fiedler)
Grabmal der Fam. Ullrich (Quelle: wikipedia)
Als Ferdinand Ullrich 1915 starb, hatte die
BWK 1350 Mitarbeiter. Sein Nachfolger wurde Richard Jung, der bereits 1888 als
damals 23jähriger nach seiner Ausbildung in der Kammgarnspinnerei Wernshausen
seine Karriere in Blumenthal begonnen hatte. Unter seiner Leitung erlebte das
Unternehmen trotz des 1. Weltkrieges, der unruhigen Zeiten nach Kriegsende und
der heraufziehenden Weltwirtschaftskrise eine insgesamt äußerst positive
Entwicklung, denn die Zahl der Mitarbeiter verdreifachte sich beinahe auf
4.000.
Als während seiner Amtszeit 1916 die Firma Wätjen & Co in
Konkurs ging, erwarb die BWK eine Hälfte des Blumenthaler Parks, der damals
noch größer war als der heutige Wältjens Park und bis zur Weser reichte,
während die andere Hälfte vom Bremer Vulkan gekauft wurde. Auf dieser Neuerwerbung
baute die BKW später am Weserufer ihre Kläranlage.
Deutsche Kämmereien und Spinnereien
der Gründerzeit
Unternehmen
|
Gründungsjahr
|
Standort
|
Material
|
Stilllegung
|
Max. Beschäftigte
|
1845
|
Augsburg
|
Wolle
|
2002
|
2.400
|
|
1883
|
Blumenthal
|
Wolle
|
2009
|
4.950
|
|
1868/72
|
Hannover
|
Wolle
|
1972
|
2.000
|
|
1884
|
Leipzig
|
Baumwolle
|
1992
|
4.000
|
|
1884
|
Delmenhorst
|
Wolle
|
1981
|
4.500
|
|
1854-7
|
Bielefeld
|
Flachs
|
1974
|
1.700
|
|
1837
|
Augsburg
|
Baumwolle
|
1988
|
4.000
|
Wie die Übersicht zeigt, steht die BWK in einer Reihe mit
einigen ähnlich großen Kämmereien und Spinnereien, die in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts in Deutschland als Aktiengesellschaften gegründet wurden
und zunächst sehr erfolgreich waren, wie die hohen Beschäftigtenzahlen
anzeigen.
Daraus lässt sich auch bereits erkennen, dass die
Mechanisierung hier die menschliche Arbeitskraft nur in begrenztem Maße
verdrängt hatte. Zumindest von Automation konnte noch keine Rede sein. Typisch
war vielmehr ein Fabriksystem, das nach militärischen Vorbildern organisiert
war und hierarchische Unterordnung, aber kaum eigenverantwortliches Handeln
kannte.
Blumenthal: eine BWK-Stadt
Die Gründung der BKW war für Blumenthal ähnlich bedeutsam
wie die von Volkswagen für Wolfsburg oder die von Bayer für Leverkusen. Zwar
hatte Blumenthal mit seiner Burg schon eine eigene Geschichte, die urkundlich
bis 1305 zurückreicht, aber die Gründung der BWK machte erst aus einem
ländlichen Bauern- und Fischerdorf eine kleine Industriestadt.
Zuvor zählte der Ort im Jahr 1880 1.330 Einwohner, für die es gewerbliche Arbeitsplätze nur in einer Gerberei und einer Werft gab. Als Kreisort verfügte man als zentralörtliche Einrichtungen allerdings über eine reformierte Kirche und ein Amtsgericht. (Meyer)
Zuvor zählte der Ort im Jahr 1880 1.330 Einwohner, für die es gewerbliche Arbeitsplätze nur in einer Gerberei und einer Werft gab. Als Kreisort verfügte man als zentralörtliche Einrichtungen allerdings über eine reformierte Kirche und ein Amtsgericht. (Meyer)
Daher konnte man die nötigen Arbeitskräfte auch nicht aus
der heimischen Fischerei und Landwirtschaft rekrutieren, sondern war auf eine systematische
Anwerbung ausländischer Mitarbeiter angewiesen, die man jedoch von Anfang an nicht
als kurzfristige Gastarbeiter betrachtete. Vielmehr baute die BKW wie auch die
anderen großen Textilunternehmen in der damaligen Zeit ganze Straßenzüge mit
Wohnhäusern. So besaß der Konzern zur Zeit des Zweiten Weltkrieges 56.000
qm bebaute Fläche mit Häusern für die eigene Belegschaft. „Migration“
und „Integration“ waren also schon damals, wenn auch nicht als Begriffe,
gelebter Alltag.
Der Namen des Landrats, der vielen seiner Mitbürger im kaiserlichen
Deutschland als „König von Blumenthal“ im Gedächtnis blieb, ist vor allem mit
der Wohnungsbaugenossenschaft Spar- und Bauverein Blumenthal verbunden, die
heute in der größten Wohnungsgesellschaft des Bremer Nordens, der Gewosie, fortbesteht.
Allerdings gab es nicht nur Bewunderer des sichtbaren Aufschwungs im Ort. So erzählt die Reformpädagogin und Schriftstellerin Tami Oelfken in ihrem Roman „Maddo Clüver“ von den damaligen Umweltbelastungen, so von Fischen, die „starben und an Land trieben“ sowie „fünf unmäßig hohen Schornsteinen“, die „Tag und Nacht lange Schwaden vom Rauch in die Luft sandten.
Ein Thema sind auch die zugewanderten Polen, die nach Hunderten zählten
und das „Dorf von Grund auf veränderten.“ Die unverheirateten Polen wohnten
damals nach Geschlechtern getrennt in „Kasernen“. Aber es gab, wie es in einem
Roman nicht anders zu erwarten ist, auch Liebesgeschichten zwischen den
Ethnien. So schildert Tami Olefken einen frisch gekürten einheimischen
Schützenkönig, der unerschrocken zur Gruppe der polnischen Mädchen ging, vor einer
Marinka niederkniete und dieser jungen polnischen Dame den Königskranz aufs
Haar setzte.
Die Wollkämmerei sorgte jedoch nicht nur für einen deutlichen Einwohnerzuwachs. Sie war auch beim Bau der 10,4 km langen Strecke der Farge-Vegesacker-Eisenbahn (FVE) wichtigster Kapitalgeber und später ihr Kunde. Dabei trat allerdings ein gravierendes Problem auf, denn die Bahn wurde zwar Ende 1888 eröffnet, aber das Anschlussgleis zwischen dem Werksgelände und dem Bahnhof Blumenthal durfte zunächst nicht gelegt werden, da es über eine Grabstelle des alten Friedhofs geführt hätte, die der Inhaber nicht aufgeben wollte. Daher mussten bis zum Ende der Liegefrist im Jahr 1910 die mit Wolle beladenen Güterwagen mit einem Stahlschlitten, der von Pferden gezogen wurde, zwischen einer Drehscheibe der Bahnlinie und dem Werksgelände hin und her fahren.
Der Blumenthaler Heimatforscher Ulf Fiedler
weist für diese Zeit des industriellen Aufbruchs auf einen besonderen
Glücksfall für die weitere Entwicklung hin, die er in einem „jungen Team“ aus
den Herren Ullrich und Jung von der BWK sowie Berthold auf der Verwaltungsseite sieht. So zog 1884 der erst 29jährige Paul Berthold als erster preußischer Landrat ins Haus Blomendal, der weitgehend in Kooperation mit dem BWK-Vorstand die Kommunalpolitik der kommenden Jahre prägte.
Allerdings gab es nicht nur Bewunderer des sichtbaren Aufschwungs im Ort. So erzählt die Reformpädagogin und Schriftstellerin Tami Oelfken in ihrem Roman „Maddo Clüver“ von den damaligen Umweltbelastungen, so von Fischen, die „starben und an Land trieben“ sowie „fünf unmäßig hohen Schornsteinen“, die „Tag und Nacht lange Schwaden vom Rauch in die Luft sandten.
Die Wollkämmerei sorgte jedoch nicht nur für einen deutlichen Einwohnerzuwachs. Sie war auch beim Bau der 10,4 km langen Strecke der Farge-Vegesacker-Eisenbahn (FVE) wichtigster Kapitalgeber und später ihr Kunde. Dabei trat allerdings ein gravierendes Problem auf, denn die Bahn wurde zwar Ende 1888 eröffnet, aber das Anschlussgleis zwischen dem Werksgelände und dem Bahnhof Blumenthal durfte zunächst nicht gelegt werden, da es über eine Grabstelle des alten Friedhofs geführt hätte, die der Inhaber nicht aufgeben wollte. Daher mussten bis zum Ende der Liegefrist im Jahr 1910 die mit Wolle beladenen Güterwagen mit einem Stahlschlitten, der von Pferden gezogen wurde, zwischen einer Drehscheibe der Bahnlinie und dem Werksgelände hin und her fahren.
Auch sind der Bau von Schulen, Kirchen und des Kreiskrankenhauses sowie die Straßenbeleuchtung und die allgemeine Stromversorgung bis 1904 auf den Einfluss bzw. die Förderung der BWK zurückzuführen. So wurde im Dezember 1897 ein Stromliefervertrag über zehn Jahre abgeschlossen.
Parallel zur Entwicklung der BWK verdoppelte sich im
damaligen Kreis Blumenthal, der vor allem den heutigen Stadtteil Blumenthal und
die niedersächsische Gemeinde Schwanewede umfasste, zwischen 1890 und 1925 fast
die Einwohnerzahl von 22.500 auf 43.000. 1930 waren davon 3.700 direkt bei der
BWK beschäftigt.
Die große Bedeutung dieses Unternehmens für die Stadt wird
deutlich, wenn man an die damaligen Familienstrukturen denkt. Üblicherweise
waren in den Textilbetrieben junge Frauen und Männer beschäftigt, die in jener
Zeit noch großen Familien allein zu ernähren hatten. Man kann daher grob
gerechnet annehmen, dass ein Beschäftigter unmittelbar durchschnittlich zwei
bis drei Familienangehörige unterhalten musste. Für diese Einwohner war dann
vermutlich noch mindestens eine ähnlich große Zahl von Dienstleistern wie
Handwerkern, Ärzten, Lehrern usw. mit abhängigen Familienangehörigen tätig,
sodass die Verarbeitung der australischen Rohwolle im weiteren Sinne etwa der
Hälfte der Bevölkerung des Kreises Arbeit und Brot gab.
Für diese Einwohner und dank ihrer Steuergelder wurden in
Blumenthal zwischen 1925 und 1927 die Abwasserkanalisation, das Wasserwerks
und der 50 Meter hohe Wasserturm gebaut, der seinerzeit den Ort mit 300.000 Litern Wasser versorgt hat.
Wasserturm (Quelle: wikipedia)
Wasserturm (Quelle: wikipedia)
(Quelle:unbekannt)
Der Siegeszug der neuen Chemiefasern, vor allem aber auch
wirtschaftliche Entwicklungen führten dann jedoch zu einschneidenden
Änderungen. Die deutschen Lohnkosten stiegen, die DM wurde aufgewertet und
Textil- und Bekleidungseinfuhren aus dem Ausland liberalisiert. Dadurch
verschlechterte sich seit Anfang der 1960er Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der
Kämmerei gegenüber der ausländischen Konkurrenz, die ihre Produkte preiswerter
Anbieten konnte.
Die BWK versuchte daher durch Rationalisierungsmaßnahmen
ihre Position zu verbessern, musste aber dennoch wegen sinkender Gewinne ihre
Dividende kürzen. So konnten für 1961 nur noch 8% ausgeschüttet werden, nachdem
es 1960 noch 11 % gewesen waren. Auch begann jetzt ein ständiger Prozess zur
weiteren Automation der Produktion, wodurch die Zahl der Beschäftigten von fast
4000 (1962) auf etwa 1000 (1975) sank. Davon war ab 1968 auch die
Chemiefaserverarbeitung betroffen, die man bereits in den 1930er Jahren
aufgenommene hatte.
Die veränderte Markteinschätzung lässt sich an der
Entwicklung der Hamburger BWK-Beteiligung ablesen. Dort war die Hamburger
Wollkämmerei AG durch die Flutkatastrophe am 16. Februar 1962 stark in
Mitleidenschaft gezogen und wurde wegen Lage der deutschen Textilindustrie
nicht wieder aufgebaut werden.
Neben der ständigen Rationalisierung vollzog die BWK als
Reaktion auf die Strukturveränderungen im internationalen Handel mit Wolle und
Wollprodukten seit den 1980er Jahren die Wende von der früher vorherrschenden
Produktorientierung zur nunmehr entscheidenden Marktorientierung. Aus der
ehemaligen Lohnkämmerei, einem Produzenten für fremde Rechnung, wurde ein
Anbieter von Kammzügen aus Wolle, Chemiefasern und Mischungen, der jedoch
weiterhin profitabel arbeitete.
So hieß es noch 1988 in einer Publikation zu den
Bremischen Häfen über die BWK: "Die tausend heutigen Mitarbeiter
bearbeiten pro Tag 70 Prozent mehr Wolle als die 5000 Beschäftigten vor 30
Jahren". Es ist im Drei-Schichten-Betrieb jeden Tag die Wolle von 60.000
Schafen. Wolle nimmt immer noch 60 Prozent der Produktionsleistung ein, die
Chemiefasererzeugung macht die restlichen 40 Prozent aus.“
Mit diesen Problemen musste sich die BWK jedoch keinesfalls allein herumschlagen, denn sie waren nicht hausgemacht. Wie die Übersicht zeigt, konnten sich viele große deutsche Textilunternehmen diesen Veränderungen des Marktes nicht anpassen, sondern mussten Insolvenz anmelden. Unter den aufgeführten Aktiengesellschaften begann diese Entwicklung bei der Döhrener Wolle und der Ravensberger Spinnerei bereits um 1970, während 1980 der Nachfolgebetriebe der Nordwolle in Delmenhorst, 1988 die Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Augsburg (SWA), dann im Zuge der Wende 1992 die Leipziger Baumwollspinnerei und schließlich 2002 die Augsburger Kammgarnspinnerei folgten.
In allen diesen Fällen wurden die Grundstücke, da sie als frühe Industriebauten, in der Nähe der Stadtzentren lagen, rasch neu genutzt. So kaufte etwa in Bielefeld die Stadt das Grundstück samt den Gebäuden aus der Konkursmasse und verwandeltes dieses Industriedenkmal nach einigen Querelen in einen attraktiven Sitz für ihre Volkshochschule und ihr historisches Museums, die von einem Park umgeben sind.
Ravensberger Spinnerei (Quelle: wikipedia)
In Döhren errichtete man auf dem Werksgelände eine Neubausiedlung und die sanierten Arbeiterhäuser stehen inzwischen unter Denkmalschutz.
Auch für das Areal der Delmenhorster Parallelgründung zur BWK hat man inzwischen eine vielseitige Verwendung gefunden, zu der auch das Museum für IndustrieKultur zählt. Eine ganz besondere Nutzung gelang in Leipzig, wo heute in den Gebäuden der Baumwollspinnerei die Ateliers von Malern und Galerien vor allem der Kunstrichtung „Neuen Leipziger Schule“, die durch Neo Rauch weltbekannt ist, ein angemessenes Domizil gefunden haben.
In Augsburg schließlich, wo u.a. die Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) und die Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Augsburg (SWA) produzierten, setzt sich eine Bürgeraktion Textilviertel e.V. „für ein modernes lebenswertes Stadtquartier unter Berücksichtigung der historisch und traditionell gewachsenen Besonderheiten des Textilviertels ein.“ Hier kam es bisher zur einer Mischung aus Abrissen und Sanierungen, die zu einer vielfältigen Nutzung durch Kunst- und Geschichtsmuseen, aber auch Wohnungen in diesem „Kunstpark“ geführt haben.
Ein Schachzug gegen die erodierende Wettbewerbsposition Blumenthals
1993 startete die BWK einen
Versuch, um eine Antwort auf die ständigen Umsatzverluste zu geben, die
unabhängig von den heftigen Schwankungen des Wollmarktes wegen der notwendigen
Rationalisierungsinvestitionen und Sozialplankosten zu jährlichen Verlusten
führten, die das Eigenkapital schmelzen ließen. Da diese Situation kein neues
Kapital anlocken konnte, stellten man die Weichen für eine neue BWK, die sich
nicht mehr auf die Kämmerei in Blumenthal beschränken wollte, sondern den Wollhandel als zweites
Standbein erheblich ausbaute und einen Produktionsstandort außerhalb Europa
suchte.
Wirtschaftliche Entwicklung des BWK-Konzerns 1993 – 1999 (in Mio.
DM)
Jahr
|
Umsatz
|
Mitarbeiter
|
Eigenkapital
|
Verbindlichkeiten
|
Konzernjahresüberschuss
|
1993
|
509,3
|
1160
|
88,6
|
218,8
|
-10,80
|
1994
|
880,8
|
1066
|
109,6
|
302,6
|
7,6
|
1995
|
833,2
|
972
|
89,3
|
284,0
|
-16,70
|
1996
|
766,7
|
881
|
85,6
|
274,1
|
-6,4
|
1997
|
773,2
|
877
|
152,2
|
271,1
|
12,70
|
1998
|
652,3
|
788
|
124,3
|
283,2
|
-21,80
|
1999
|
531,3
|
600
|
123,8
|
224,7
|
-11,7
|
(Quellen: aktiencheck.de und
wallstreet-online.de)
So wurden in diesem Jahr die Wollhandelsfirmen Neues Wollkontor in Essen, Booth, Hill & New in Sydney und J.S. Brooksbank im neuseeländischen Wellington für 20 Mio. DM von der Metro International übernommen. Damit sah sich die BWK als „globaler Anbieter“ von Rohwolle, gewaschener Wolle und Kammzug und erwartete damals ein stärkeres Engagement dieses Handelskonzerns auch als zuverlässigen Aktionärs. So erklärte der BWK-Chef: "Es ist immer gut, Anteilseigner zu haben, die nicht von jedem Wind umgeweht werden".
Diese Expansion galt jedoch nur für den Konzern insgesamt, hingegen nicht für die Kämmerei in Blumenthal, denn hier trat im April 1994 ein Haustarif in Kraft. Darin hat die Belegschaft eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 (37,5) Wochenstunden ohne Mehrentgelt sowie eine Kürzung des Jahresurlaubs um 3 Tage und der Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) auf 60% zugestimmt. Im Gegenzug garantierte die BWK 800 Arbeitsplätze und sicherte eine 20%ige Beteiligung der Mitarbeiter am Jahresüberschuss zu. Diese „Arbeitsplatzgarantie“ bedeutete allerdings einen möglichen Abbau von etwa weiteren 200 Arbeitsplätzen.
Ein teures Expansionsabenteuer
Diese kritischen Jahre konnte die BKW durchstehen, da sie
nicht nur ihre Wäscherei und Kämmerei in Blumenthal betrieb, die immer weniger
konkurrenzfähig wurde, sondern auch im profitablen Wollhandel tätig war, also
Rohwolle in Australien einkaufte und die in Blumenthal gewaschene und gekämmte
Wolle an Spinnereien vor allem in Deutschland und Europa verkaufte.
Der BWK-Konzern reagierte auf die Verlagerung der
Spinnerei- und vor allem der Bekleidungsherstellung von Europa nach Asien neben
dem Ausbau der Handelsaktivitäten noch durch eine weitere Strategie: die
Expansion der Kämmereiaktivitäten ins Ausland. So beschloss man 1992 den Sprung
nach Australien, dem wichtigsten Erzeugerland von Wolle. Dort baute die BWK in
der Nähe von Geelong eine eigene Kämmerei, um von hier aus den asiatischen
Markt besser beliefern zu können. Die Kapazität des Werkes wurde zunächst auf 7500 t
Wollkammzug und Kämmling pro Jahr ausgelegt und sollte bei einer Vollauslastung eine Kapazität von 15000 t pro
Jahr erreichen. Dann hätten die Kapazität des Konzerns in Geelong rund 25% betragen,
während die restlichen 75% nach wie vor am Stammsitz Bremen gelegen hätten.
Obwohl diese Entscheidung angesichts der Verlagerung der
Wollhandelsströme gut nachvollziehbar war, hätte diese Entscheidung ein
Jahrzehnt später beinahe zum Aus für die BWK geführt; denn der Vorstand der BWK
musste seinen Aktionären für das Geschäftsjahr 2003 von einem herben Verlust in
Höhe von 36,3 Mio. € berichten. Der Grund war vor allem eine Abschreibung in
Höhe von 17,1 Mio. €, da die Kämmerei Geelong Wool Combing Ltd. (GWC) in
Geelong geschlossen werden musste. Als Grund nannte man langwierige
Auseinandersetzungen mit der zuständigen australischen Gewerkschaft über
flexiblere Arbeitszeiten und Gehaltsstrukturen genannt, und das vor dem
Hintergrund eines dramatischen Konsumrückgang auf dem Welt-Textilmarkt, der
wegen der schwache Nachfrage nach Wollkammzügen zu Überkapazitäten geführt
hatte. Diese Absatzprobleme hatte die SARS-Krise Anfang 2003 noch verstärkt,
die „den asiatischen Textilmarkt über mehrere Monate nahezu völlig blockiert“
hat.
Vor diesem Hintergrund musste im Geschäftsjahr 2003 die erst zehn Jahre alte Kämmerei in Geelong unter Inkaufnahme erheblicher Verluste geschlossen werden. Die Errichtung der Kämmerei in Geelong hat die Bremer Woll-Kämmerei in der Vergangenheit rund 50 Mio. EUR gekostet, die Abschreibungen infolge der Schließung beliefen sich allein auf 16 Mio. € im Geschäftsjahr 2003 haben noch zu weiteren erheblichen Verlusten im folgenden Jahr geführt. Im Sommer 2004 wurde auch die von Elders im Jahr 2000 übernommene Kämmerei Austop in Parkes geschlossen, so dass die BWK mit ihren Kämmereiaktivitäten auf dem fünfe Kontinent völlig gescheitert ist (HV 2005).
Vor diesem Hintergrund musste im Geschäftsjahr 2003 die erst zehn Jahre alte Kämmerei in Geelong unter Inkaufnahme erheblicher Verluste geschlossen werden. Die Errichtung der Kämmerei in Geelong hat die Bremer Woll-Kämmerei in der Vergangenheit rund 50 Mio. EUR gekostet, die Abschreibungen infolge der Schließung beliefen sich allein auf 16 Mio. € im Geschäftsjahr 2003 haben noch zu weiteren erheblichen Verlusten im folgenden Jahr geführt. Im Sommer 2004 wurde auch die von Elders im Jahr 2000 übernommene Kämmerei Austop in Parkes geschlossen, so dass die BWK mit ihren Kämmereiaktivitäten auf dem fünfe Kontinent völlig gescheitert ist (HV 2005).
Heute erinnert in Geelong das National Wool Museum an die australische Schafzucht und die Wollindustrie, die die BWK hier nach dem Blumenthaler
Vorbild langfristig aufbauen wollte.
Nach den beiden Kämmereien in Australien wurde im Februar 2002 „im Zuge weiterer Umstrukturierungen des Konzerns zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eine moderne türkische Kämmerei erworben“, wie die BWK in einer Ad-hoc-Mitteilung meldete. Dieses als „strategische Akquisition“ bezeichnete Unternehmen in Istanbul firmierte unter BWK Eastern Wool Industrial and Trading Joint Stock Corporation und nahm im ersten Quartal 2003 die Produktion auf.
Im Dezember 2005 konnte dann die BWK von einem weitren Erfolg bei ihren internationalen Bemühungen berichten, um „die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns ständig zu verbessern.“ So schloss die noch bestehende australische Kämmerei mit der chinesischen Longkou Kaisheng Textile Company Ltd., die zum Nanshan-Mischkonzern gehört, „einen Joint-Venture-Vertrag ab, um dem Konzern den Zugang zum chinesischen Markt zu öffnen.“ Dort wurden die bestehende kleine Wollkämmerei durch die Maschinen der geschlossenen Kämmerei in Geelong erweitert.
Für die BWK ergab sich draus, wie es in der Unternehmensmeldung heißt, die Gelegenheit einer wirtschaftlichen Weiterverwendung der Geelong Wool Combing-Maschinen, ohne eine Investition in Land und Gebäude tätigen zu müssen.“ Dieses Joint Venture, über dessen Eigentumsverhältnisse nicht publiziert wurde, sollte im 1 Quartal 2007 den Betrieb aufnehmen.
Heute sieht sich dieses chinesische Unternehmen in Longkou als ein Konzern, der die
gesamte industrielle Kette von der Textilherstellung bis zur Fertigung von
Bekleidung abdeckt mit den Stufen der Beschaffung, dem Kämmen, dem Spinnen und
dem Weben von Wolle sowie dem Nähen bis hin zur Entwicklung von Handelsmarken.Vorbild langfristig aufbauen wollte.
Nach den beiden Kämmereien in Australien wurde im Februar 2002 „im Zuge weiterer Umstrukturierungen des Konzerns zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eine moderne türkische Kämmerei erworben“, wie die BWK in einer Ad-hoc-Mitteilung meldete. Dieses als „strategische Akquisition“ bezeichnete Unternehmen in Istanbul firmierte unter BWK Eastern Wool Industrial and Trading Joint Stock Corporation und nahm im ersten Quartal 2003 die Produktion auf.
Im Dezember 2005 konnte dann die BWK von einem weitren Erfolg bei ihren internationalen Bemühungen berichten, um „die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns ständig zu verbessern.“ So schloss die noch bestehende australische Kämmerei mit der chinesischen Longkou Kaisheng Textile Company Ltd., die zum Nanshan-Mischkonzern gehört, „einen Joint-Venture-Vertrag ab, um dem Konzern den Zugang zum chinesischen Markt zu öffnen.“ Dort wurden die bestehende kleine Wollkämmerei durch die Maschinen der geschlossenen Kämmerei in Geelong erweitert.
Für die BWK ergab sich draus, wie es in der Unternehmensmeldung heißt, die Gelegenheit einer wirtschaftlichen Weiterverwendung der Geelong Wool Combing-Maschinen, ohne eine Investition in Land und Gebäude tätigen zu müssen.“ Dieses Joint Venture, über dessen Eigentumsverhältnisse nicht publiziert wurde, sollte im 1 Quartal 2007 den Betrieb aufnehmen.
Die Brewa-Strategie
Das Management entwickelte neben den üblichen Rationalisierungsmaßnahmen
durch eine verstärkte Automation noch eine ganz spezielle Strategie zur
Kostensenkung, die in einem Land mit hohen Umweltstandards überraschen muss. Da
die chinesischen Lohnkosten, wie auf der Hauptversammlung im Jahre 2002
berichtet wurde, nicht einmal 10 Prozent von denen in Blumenthal betrugen,
wollte man neben einer ständigen Steigerung der Produktivität vor allem die
Kosten für die Energie und die Abwasserentsorgung senken. Dabei waren die Ziele
sehr hoch gesteckt; denn die Aufwendungen für die Klärung des Waschwassers
sollten „künftig gegen Null tendieren“ und bei der Strom- und Wärmeerzeugung
erwartete man Zuschüsse für die Nutzung regenerativer Energien.
Um dieses ehrgeizige Ziele zu erreichen, wurden Teile der BWK ausgegliedert und in die brewa überführt. (vgl. „Innovative Sondermüllentsorgung“)
Der
Restrukturierungskampf der BWK: Grundstücke gegen Arbeitsplätze
Kursentwicklung 1992-2007 (Quelle: aktiencheck)
Die ersten drastischen Verluste konnte man noch
durch die Verkäufe der nicht betriebsnotwendigen Grundstücken
"Müllerloch", wo inzwischen das Blumenthal-Center entstanden ist, und
"Wätjens Garten abdecken, die im Dezember 1999
beurkundet und im Ergebnis des Jahres 2000 ausgewiesen wurden. Dabei blieb
sogar noch Liquidität übrig, die für Optimismus sorgte.
Im Mai 2001 präsentierte sich nach dem
Abschluss dieser Maßnahmen daher wieder ein zuversichtliches Management, das
ein neues Investitionsprogramm für den Blumenthaler Standort bis zum Jahr 2003
vorlegte. 50 Mio. DM wollte damals die BWK „in eine Modernisierung ihres
Standortes in Blumenthal investieren und so auch insgesamt den geschwächten
Wirtschaftsstandort Bremen-Nord nach der Vulkankrise stärken“. Dabei wollte man
die benötigte Grundstücksfläche auf eine Drittel und die Belegschaft von 320
auf 160 Mitarbeiter auf die Hälfte reduzieren. (Laubach)
Nach kurzer Zeit musste dieser Ausblick jedoch wieder revidiert haben, als die BWK Mittel August 2002 meldete: „Die Wollverarbeitungsindustrie erlebt
zur Zeit die schwierigsten Bedingungen der jüngsten Vergangenheit. Ein
Umsatzrückgang bei den amerikanischen und bei den meisten europäischen
Textileinzelhändlern, gepaart mit einem deutlich höheren Rohwollpreis, führte
zu diesen unerfreulichen Handelsbedingungen. Unsere Kunden konnten diese
Preiserhöhungen nicht weitergeben, als Folge dessen reduzierten sie ihre
Aufträge. Als Reaktion auf die gesunkene Nachfrage haben wir unsere europäische
Kapazität im Rahmen des Projektes 2004 reduziert.“
Und wieder mussten die Löcher in der Bilanz durch
Grundstücksverkäufe gestopft werden. So einigten sich die BWK und die Stadt
Bremen drauf, für 13,5 Mio. € ein 22-Hektar-Grundstück
an das Land Bremen zu verkaufen. Dazu sicherte „im Gegenzug“ die BKW den
„Erhalt von 230 Arbeitsplätzen zu“. Dieser Vertrag wurde mit Wirkung zum 23.
Dezember 2002 mit der Bremer Investitionsgesellschaft mbH (BIG) abgeschlossen.
Danach gab sich der Vorstandsvorsitzende erneut optimistisch: "Diese Investitionen sichern die Wettbewerbsfähigkeit der Bremer
Kämmerei gegenüber den asiatischen und europäischen Billiglohnländern. Nur wenn
wir technisch und qualitativ auf dem höchsten Niveau arbeiten, können wir uns gegen diese
Wettbewerber behaupten und damit den Standort Bremen mit seinen Arbeitsplätzen
sichern“. Voller Zuversicht terminierte er sogleich gleich die Wende zum Besseren:
„Im 2.Quartal 2004 werden die Rationalisierungseffekte in der Bremer Kämmerei
zum Tragen kommen.“
Über Details der BWK-Geschichte informieren folgende Aufsätze:
Schwarzer oder weißer Ritter? Die Elders-Jahre der BWK (2000 - 2010)
Quellen:Über Details der BWK-Geschichte informieren folgende Aufsätze:
Vor, in und zwischen den Weltkriegen: Die BWK im Kampf gegen Inflation, volatile Preise, Devisenmangel und Kriegsfolgen
Die Bremer Woll-Kämmerei während der NS-Zeit. Zwölf Jahre aus der Sicht der Geschäftsberichte und der Wirtschaftspresse
Währungsreform und Wirtschaftswunder: Die BWK in der Nachkriegszeit (1948-67)
Die BWK in der globalisierten Wollwirtschaft: Vom Blumenthaler Stammwerk zur BWK-Gruppe (1993 – 2000)
Die Bremer Woll-Kämmerei während der NS-Zeit. Zwölf Jahre aus der Sicht der Geschäftsberichte und der Wirtschaftspresse
Währungsreform und Wirtschaftswunder: Die BWK in der Nachkriegszeit (1948-67)
Schwarzer oder weißer Ritter? Die Elders-Jahre der BWK (2000 - 2010)
Carbox. 100 Jahre
Elders, Geschäftstberichte von 1998-2012
Gieseler, Bremer Woll-Kämmerei
Laubach, Corinna, Bremer Wollkämmerei will 50 Millionen Mark investieren, in: Die Welt vom 10.05.2001
Scheil, Detlev, Einst weltweit modernste Fabrik ihrer Art, in: Weser-Kurier vom 17.03.2011
Simon, Armin, Kampf um den Schlot, in: taz vom 19.07.2006.
Internetquellen: www.aktiencheck.de, www.brewa.de, www.bwk-bremen.de und www.wikipedia.de,
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