Montag, 14. März 2016

Aufruf Brücken- schlag


Blumenthal, im März 2016


Blumenthal braucht Brückenbauer, keine Spalter! (1)









Liebe Blumenthalerin, lieber Blumenthaler,
liebe Freundin, lieber Freund Blumenthals,

unser Stadtteil und seine Menschen haben sich in den letzten Monaten verändert. Es scheint ein Riss durch unseren Ort zu gehen, sodass sogar Gespräche mit Nachbarn und Bekannten nicht mehr so freundlich und unbefangen geführt werden wie früher. Stattdessen muss man immer mehr den Eindruck haben, dass zunächst jeder einem von zwei Lagern zugeordnet wird, um dann mit den entsprechenden Vorurteilen versehen in einem von zwei politischen Kästchen zu landen. Darüber sind wir entsetzt und besorgt. 


Unsere Betroffenheit

Noch bedrohlicher sind jedoch die Straftaten, die mit diesem Lagerkampf in Verbindung stehen: die Zerstörung von Wahlplakaten, wachsende Angst vor Kriminalität und der Brandanschlag am Kreinsloger. Und alles das ist Teil einer aufgepeitschten Flüchtlingsdiskussion in ganz Deutschland.

Unsere gemeinsame Verantwortung

Diese Spaltung wollen wir nicht sehenden Auges hinnehmen, da wir sie für unerträglich und gefährlich halten. Daher wenden wir uns mit diesem Aufruf an alle, die sich von dieser Entwicklung ebenfalls betroffen fühlen. Die politische Diskussion muss wieder sachlicher werden und die Kontrahenten müssen sich als Mitbürger und nicht als Agitationsroboter verhalten.

Das beginnt bei der Sprache, die vor allem im Internet kaum noch dem Austausch von Meinungen und Argumenten dient, sondern als Mittel missbraucht wird, um Andersdenkende zu beleidigen und herabzuwürdigen. Unsere Mitbürger sind keine "rassistische Scheiße" und jugendlichen Flüchtlingen kann man in Deutschland nicht ohne ordentliche Gerichtsverhandlung "gleich mit´nem Beil die Hand abhacken".

Inzwischen hat sich dieser Krieg mit Worten zu einem virtuellen Vernichtungsfeldzug gesteigert, in dem Diskussionspartner aus Internetforen ausgeschlossen werden, auch wenn sie deren veröffentlichte Regeln nicht verletzt haben. Hier werden in der aufgeheizten Atmosphäre teilweise persönliche Animositäten digital gerächt, was an einen archaischen Tötungszauber mit Voodoo-Puppen erinnert.

Selbstverständlich sollten in dieser gefährlichen Situation alle Beteiligten und Betroffenen ihr bisheriges Verhalten kritisch überdenken. Allerdings sehen wir auch einen wichtigen Unterschied. Wenn jemand unter einem Pseudonym andere in einem Internetforum beleidigt oder für Flüchtlinge eine menschenunwürdige Behandlung fordert, was dann üblicherweise von den zuständigen Administratoren rasch gelöscht wird, lässt sich das nicht mit ähnlichen Aussagen eines Meinungsmachers auf eine Stufe stellen.

Nach der Lebenserfahrung des Sprichwortes "Der Fisch stinkt vom Kopf her" tragen der Beirat und das Ortsamt eine besondere Verantwortung für unseren Stadtteil. Wir erwarten daher, dass unsere politischen Entscheidungsträger die Spaltung in Blumenthal nicht verstärken, sondern durch ihr Verhalten "moderierend", also mäßigend und vermittelnd wirken, wie es das Bremer Ortsbeirätegesetz vorschreibt. Das dürfte kaum möglich sein, wenn auf ihren Webseiten Andersdenkende als "Müll" bezeichnet werden und "eliminiert" werden sollen, da man ihnen ohne jeden Nachweis abspricht, für "Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit" einzutreten.

Wenn man einmal versucht, unter die teilweise sehr dicke Schicht von Beleidigungen und Vorurteilen zu blicken, kann man einen psychischen Unterschied zwischen den Anhängern der beiden Lager erkennen. Die einen stellen ihr spontanes Mitgefühl, ihr Herz, in den Vordergrund, während die anderen stärker auf notwendige sachliche Erwägungen setzen, also den Verstand. Dabei wird im Kampfgetümmel häufig übersehen, dass wir für eine nachhaltig gute Entscheidung beides brauchen, eben eine mit Herz und Verstand.

Die wahrscheinlichen Gefahren

Das zeigt sich besonders deutlich, wenn wir an die in der nächsten Zeit anstehenden Fragen der Integration der Flüchtlinge vor Ort denken. Mögliche lokale Maßnahmn hängen zwar von den Rahmenbedingungen ab, über die der Bund und das Land Bremen entscheiden. Aber es ist absehbar, dass eine Integration von Flüchtlingen aus anderen Kulturen, die auf Dauer oder zumindest für längere Zeit in Blumenthal leben werden, in dem gegenwärtigen aufgeladenen Klima kaum gelingen kann.

Hier ist zumindest ein Mindestmaß an gegenseitigem Zuhören und an Kompromissen erforderlich. Das beginnt bei einer Verteilung der Flüchtlinge innerhalb des Stadtteils und reicht bis zur Lösung von Konflikten, die aller Erfahrung nach zwischen den Kindern erwartet werden müssen. Auch wird es fast zwangsläufig eine Konkurrenz um preiswerte Wohnungen und Arbeitsplätze mit relativ niedrigen Qualifikationsanforderungen geben. Schwierig kann es auch werden, wenn die unverheirateten jungen Flüchtlinge eine deutsche Freundin suchen. Alle diese absehbaren Probleme erfordern dann viele kühle Köpfe, die ausgleichend wirken, und keine bereits vorher aufgeladene Stimmung.

Die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung auf diese Integrationsphase sollte gerade im Ortsteil Blumenthal bekannt sein, da es hier immer noch nicht gelungen ist, die Flüchtlinge aus den Libanon- und den Jugoslawienkriegen zu einem akzeptierten Teil unserer Gesellschaft zu machen. Obwohl die Zuwanderung bereits Jahrzehnte zurückliegt, müssen hier weiterhin spezielle Fördermittel eingesetzt werden, um einen sozialen Brennpunkt zu entschärfen und dem alten Zentrum Blumenthals eine bessere Entwickungsperspektive zu eröffnen.

Ein Brückenbau zwischen den Lagern wäre damit auch ein Beitrag für ein Blumenthal, das wieder an frühere Zeiten anknüpfen kann. Das gilt nicht zuletzt für die finanzielle Seite; denn Steuergelder sind zweifellos besser investiert, wenn man sie für mehr Bildung und ein attraktives Ortsbild verwendet als für die Finanzierung von Polizeieinsätzen oder die Beseitigung von Sachbeschädigungen.



(1) Anmerkung: Wer diesen Ausruf unterstützen möchte, kann ihn gern über Facebook oder seine Homepage teilen. 


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