Dienstag, 5. August 2014

Einblicke: Sonder-ausgabe 1







E I N B L I C K E

S O N D E R A U S G A B E


anlässlich unserer Ausstellung im August 2014


Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus



Schirmherr: Bürgermeister und Präsident des Senats, Herr Jens Böhrnsen




Liebe Mitglieder und Interessierte,

kein geringerer als unser Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats, Herr Jens Böhrnsen, hat die Schirmherrschaft für unsere Ausstellung übernommen! 


Der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Herr Christian Weber, wird am Eröffnungstag am 5.8.2014 Grußworte an unsere geladenen Gäste richten. Die Ausstellung hat bereits jetzt die Medien und Öffentlichkeit erreicht. Wir, vom Vorstand des FV, würden uns sehr freuen, wenn Sie ebenfalls in den kommenden Tagen einmal einen Blick in die Ausstellung werfen und uns Ihre Eindrücke mitteilen. Vereinsarbeit ist Teamarbeit. Das Team *) hat in den letzten Tagen und Wochen super Arbeit geleistet – oft auch im Verborgenen; wir alle sind ihm zu Dank verpflichtet.

Überzeugen Sie sich davon . . . !

*) Gaby Schüssler, Detlef Adamus, Uwe Böhnisch, Alfred Mühlberger, Peter Wieczorek, Axel Kaufmann, Egbert Baudis, Ralf Ratjen und Dr. Reinhard Landwehr. Während der Ausstellung: Helmut Prigge.

Detlef Gorn, 1. Vorsitzender



Ausstellungskonzept „Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus“


Am 1. November 2014 jährt sich zum 75sten Mal der Tag, an dem das vormals preußische Blumenthal nach Bremen eingegliedert wurde.

In diese Zeit fällt auch ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte: Die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945.

Der Bunkerbau in Farge und die Bahrsplate in Blumenthal stehen für diese Zeit; heute weithin sichtbar als Mahnmal. Die Nordbremer Industrieunternehmen Bremer Wollkämmerei (BWK) und Bremer Vulkan (BV) waren dem System "zwangsverbunden"; ebenso wenig konnten sich seine Bewohner dem nationalsozialistischen Gedankengut entziehen. Der Bau des Tanklagers im sogenannten „Wifo-Wald“ und die Lagerstätten sind weitere Zeitzeugnisse der NS-Zeit.

Diese Zeit hat Blumenthal bekanntlich sehr stark geprägt, war doch die BWK der größte und wichtigste Industriebetrieb in dieser Region.

Aus dieser Zeit besitzt der Förderverein umfangreiches historisches Bildmaterial!

Ziel der Ausstellung

Wir wollen der Bevölkerung unseres Stadtteils und den Interessierten das umfangreiche BWK-Bildmaterial aus der NS-Zeit präsentieren. Die Ausstellung soll das Leben der Menschen auf der BWK zur damaligen Zeit widerspiegeln. Darüber hinaus sollen weitere Institutionen, die sich mit dieser Zeit beschäftigen, unsere Ausstellung ergänzen und bereichern, so dass sich jeder Besucher ein umfassendes Bild von den Geschehnissen in und um Bremen-Blumenthal herum machen kann.

Die Aufbereitung zählt bekanntlich zur sogenannten „Erinnerungskultur“.

Die Bürgerinnen und Bürger haben in der Ausstellungszeit die Möglichkeit, ihre Fotos von dem FV Kämmereimuseum scannen und bearbeiten zu lassen. Der FV Kämmereimuseum erhofft sich dadurch weiteres interessantes Bildmaterial und Zeitzeugengespräche für unsere Dokumentation „Dem Werk ein Denkmal setzen“.


Ausstellungsort


Gebäude der ehemaligen Bibliothek in Blumenthal (rechts vom Rathaus): Ein Ort der Begegnungen (s. Beitrag „Eröffnungsrede des Vorsitzenden“)

Ansprechende großzügige Räumlichkeit! Wir sind im Monat August Mieter und Gäste in der Dependance von Ulla Deetz und Peter KF Krueger, die uns freundlicherweise ihr wunderschönes großräumiges Arbeitsatelier in ihrer Urlaubszeit zur freien Verfügung gestellt haben.

Ausstellungszeit

7. bis 30. August 2014 jeweils am Dienstag, Donnerstag und Samstag von 14 bis 18 Uhr.

Detlef Gorn, 1. Vorsitzender



Ausstellungsschwerpunkte und Vortragsreihe anlässlich der Ausstellung
„Die BWK in der Zeit des Nationalsozialismus“


Schirmherr: Präsident des Senats, Herr Jens Böhrnsen




A. Ausstellungsschwerpunkte des Bildmaterials (über 140 Fotos!)


Einbindung eines Industrieunternehmens in die NS-Ideologie


1. Ertüchtigung durch Werksport

2. Arbeitseinsatz der Ostarbeiter/Fremdarbeiter

3. Werkluftschutz/Pläne

4. Weihnachtsfeiern/Geschenkefertigung

5. Parteibüro - Verbindung zur BWK

6. Bombenschäden

7. Blumenthaler Bürger erinnern sich


Öffnungszeiten:


Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag von 14 bis 18 Uhr (freier Eintritt!)

Landrat-Christians-Str. 109 (alte Bibliothek, rechts vom Rathaus)


Beginn: Donnerstag, d. 5.8. Ende: Samstag, d. 30.08.

An allen Tagen besteht die Möglichkeit, Bilder zu scannen und zu bearbeiten!




B. Vortragsreihe


Am Eröffnungstag am 5.8.2014 um 14.30 Uhr:


Ulf Fiedler, Heimatkundler und Buchautor, berichtet aus dem Leben der Schriftstellerin und Reformpädagogin, Tami Oelfken.

Christine Bongartz, Lesebotschafterin, liest aus dem Buch „Maddo Clüver von Tami Oelfken.


Der Aufbau der BWK und damit einhergehend das sich verändernde Blumenthal ließ Tami Oelfken nicht los. Einfühlsam beschrieb sie die Menschen aus Blumenthal und „Zuzügler“ aus dem Osten, die in eine für sie unbekannte Welt eintraten, um hier in Blumenthal ihren Lebensunterhalt zu verdienen.


1. Karsten Ellebrecht, Friedensschule Bremen, Do. 7.8. um 19.30 Uhr

Thema: NS-Lager auf der Bahrsplate


Auf der Bahrsplate in Bremen-Blumenthal entstand ab 1942 ein Komplex von Lagern, in denen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, darunter auch Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme, als Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft interniert waren. Der Vortrag skizziert die verschiedenen Lagertypen und gibt einen Überblick über die Lebens- und Arbeitsbedingungen, insbesondere der Häftlinge des KZ-Außenlagers.


2. Gerd Meyer, Friedensschule Bremen, Do. 7.8. um 20.15 Uhr

Thema: Bürger gestalten eine Gedenkstätte


Anfang der 80er-Jahre wurde von BürgerInnen in Bremen-Nord (Antifaschistischer Arbeitskreis im G H Bürgerhaus Vegesack / Kirchengemeinde Blumenthal / Ortsamt Blumenthal) das Projekt ***`Rosen für die Opfer`*** für die Gestaltung einer Gedenkstätte auf der Bahrs Plate in Bremen-Blumenthal entwickelt.

Heute erinnern Texttafeln, Skulpturen und Rosenbeete an die Opfer des Faschismus in den Jahren 1933-1945. Gemeinsam mit Teilnehmern aus anderen Ländern, die während des 2. Weltkrieges von Kriegsverbrechen deutscher Besatzungstruppen und von Haft und Tod in NS-Lagern betroffen waren, wurde die Gedenkstätte in den Jahren 1983 bis 2009 schrittweise gestaltet.


*BÜRGER GESTALTEN EINE GEDENKSTAETTE*

war dabei Ziel und konzeptionelle Grundlage des Gestaltungsprozesses

Gerd Meyer vom Projekt `Internationale Friedensschule Bremen` im G.H.
Bürgerhaus Vegesack, berichtet vom Verlauf der einzelnen Projektphasen, von den ersten Planungsgesprächen mit Zeitzeugen 1980 bis zur Einweihung der Skulptur *`Stein der Hoffnung`* Ein Projekt des SZ Alwin-Lonke-Strasse in Kooperation mit der Friedensschule im Jahr 2009.


3. Dr. Marcus Meyer, Denkort Bunker Valentin, Do. 21.8. um 19.30 Uhr

Thema: Johann Seubert und der Bunker Valentin; Bilder der Baustelle
80 Minuten Film und über tausend Fotografien zeigen die Baustelle des Bunkers Valentin. Sie stammen vom Blumenthaler Fotografen Johann Seubert. Was war der Zweck dieser Dokumentation, was zeigen Film und Bilder und vor allem: Was zeigen sie nicht? Dr. Marcus Meyer, wissenschaftlicher Leiter des Denkortes Bunker Valentin, wird in seinem Vortrag anhand einiger Beispiele zeigen, welche Bedeutung die Aufnahmen von Johann Seubert für die Geschichte des Bunkerbaus haben.


4. Prof. Dr. Schminck-Gustavus, Mo. 25.8. 2014 um 18 Uhr

Thema: Hungern für Hitler – Polnische Zwangsarbeiter in Blumenthal 1940 bis 1945


In der Bremer Wollkämmerei haben polnische Wanderarbeiter schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg gearbeitet. Seit der Eroberung und Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht begann dann aber eine Massendeportation polnischer Arbeitskräfte ins Nazi-Reich. Selbst Jugendliche und Kinder wurden aus ihrer Heimat verschleppt und im Reich als Zwangsarbeiter eingesetzt.

Christoph Schminck-Gustavus, pensionierter Professor für Rechts- und Sozialgeschichte an der Universität Bremen, hat in den 80er Jahren ehemalige polnische Zwangsarbeiter in ihrer Heimat besucht und ihre Erinnerungen aufgezeichnet. In einem Lichtbilder-Vortrag wird er über ihre Schicksale berichten.


5. Dr. Heinz-Gerd Hofschen, Do. 28.8. um 19 Uhr

Thema: Erinnerungskultur – warum und zu welchem Zweck
Am 21. August um 19.30 Uhr hält der Historiker und langjährige Leiter der Abteilung Stadtgeschichte im Focke-Museum Dr. Heinz-Gerd Hofschen einen Vortrag mit dem Titel "Erinnerungskultur - warum und zu welchem Zweck?" Betrachtet man die Vielzahl historischer Ausstellungen und die Fernsehprogramme, die täglich geschichtliche Themen behandeln, wobei die Nazi-Zeit in geradezu unendlicher Form thematisiert wird, fragt man sich, welche Art von Erinnerungskultur dies ist und wozu sie dient. Wir brauchen, so die These, ein aktives Geschichtsbewusstsein, das uns fähig macht, aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. Wie so etwas aussehen kann, soll an diesem Abend diskutiert werden.


6. Dr. Rolf-Dieter von Bargen, Fr. 29.8. um 19 Uhr

Thema: Vom Runden Tisch 'Geschichtslehrpfad Lagerstr.' zum Denkort Bunker Valentin


Am 29. August um 19:00 Uhr hält der 1. Vorsitzende des "Dokumentations- und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstr./U-Boot-Bunker Valentin e.V." (kurz: Verein Geschichtslehrpfad Lagerstr.), Dr. Rolf-Dieter v. Bargen, einen Vortrag mit dem Titel "Vom Runden Tisch 'Geschichtslehrpfad Lagerstr.' zum Denkort Bunker Valentin".

Ende der 90er Jahre wurde in Bremen-Farge ein Runder Tisch ins Leben gerufen, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die verschiedenen, in der Erinnerungsarbeit wirkenden Akteure, Institutionen und Verantwortlichen mit dem Ziel zusammenzuführen, die Vision einer Gedenkstätte zu entwickeln. Aus diesem Runden Tisch heraus entstand vor 15 Jahren der Verein Geschichtslehrpfad Lagerstraße, der durch die Einrichtung eines Geschichtslehrpfades, seine Ausstellungen und die enge Kooperation mit politischen Entscheidungsträgern sowie behördlichen Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zum Entstehen des Denkortes Bunker Valentin geleistet hat. Der Abend soll dazu dienen, diese Entwicklung anhand der Chronologie der Jahre 1998 bis 2014 zu dokumentieren und damit zu zeigen, wie aus Visionen das große Projekt "Denkort Bunker Valentin" entstehen konnte.


7. Wiltrud Ahlers, Friedensschule Bremen, Do. 14.8. um 19 Uhr und Di. 26.8. um 19 Uhr mit Stadtrundgang

Thema: Stolpersteine in Bremen-Blumenthal


In Blumenthal erinnern 26 kleine Messingtafeln, die in den Gehweg eingelassen wurden an Menschen, die durch die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten ums Leben gekommen sind. Diese " Stolpersteine " sollen dazu auffordern, innezuhalten und sich daran zu erinnern, dass hier Menschen und ganze Familien gelebt haben, die ausgegrenzt, verfolgt, gedemütigt und schließlich grausam ermordet wurden. Sie wurden Opfer des Terrors, weil sie einen anderen Glauben hatten, eine andere Meinung vertraten, einer anderen Rasse angehörten oder behindert waren. Die Aktion Stolpersteine, ein Projekt von Gunther Demnig, ist ein Versuch, den betroffenen Opfern ihre Geschichte zurückzugeben.

Es soll bei den Veranstaltungen an das Leben und Schicksal der Opfer aus Blumenthal erinnert werden. Am zweiten Termin ist ein Rundgang zu den Gedenksteinen geplant.


8. Olaf Rehnisch, Di. 19.8. um 19.30 Uhr

Thema: Bau des Tanklagers in Bremen-Farge: Zweck, Hintergründe und Folgen


Detlef Gorn, 1. Vorsitzender


Die Faszination eines Fotos



Gerade einmal 5,5 X 8,5 cm (!) misst das alte historische sw-Foto von hervorragender Bildqualität, welches der Förderverein von Reiner Niedergesäss, Sohn von Textil-Ing. Hermann Niedergesäss, Techn. Angestellter bei der BWK, von einer ganzen Reihe von Fotos erhalten hat. Dank der Mithilfe von Joachim Pfadt, Sohn von Dipl.-Ing. Julius Pfadt, ebenfalls BWK-Angestellter (s. Foto), konnten einige Namen auf dem Foto identifiziert und zugeordnet werden.


Hier das Foto in Originalgröße (Format 6 X 9):



                                                     Bildausschnitt ca. 10fach vergrößert





Die Bediensteten des Luftgaues XI erhielten als Dank für ihre Inspektion des BWK-Werkluftschutzes von den damaligen BWK-Oberen das Standardwerk des Buchautors, Robert Bargmann, BREMENS WOLLHANDEL, überreicht.


Das Buch befindet sich ebenfalls im Besitz des FV Kämmereimuseum und wird auf der Ausstellung neben den anderen Fotos von Reiner Niedergesäss präsentiert.








Detlef Gorn, 1. Vorsitzender




Die Bremer Woll-Kämmerei während der NS-Zeit

- Zwölf Jahre aus der Sicht der Geschäftsberichte und der Wirtschaftspresse -


Von unserem Mitglied, Dr. Reinhard Landwehr

Unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers, also seiner Ernennung zum Reichskanzler und der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes, wurde auch die BWK nach dem Führerprinzip „neu geordnet“. Dem „Betriebsführer“ unterstanden jetzt die Mitarbeiter als „Gefolgschaft“, er selbst war jedoch an Weisungen eines staatlich bestellten „Treuhänders der Arbeit“ gebunden.

Die NS-Politik wirkte sich jedoch auch in anderen Bereichen aus. Die deutsche Devisenknappheit und die Autarkiepolitik stellten ein Unternehmen wie die BWK, das fast ausschließlich ausländische Rohwolle zu Kammzügen verarbeitete, die zu einem großen Teil exportiert wurden, vor erhebliche Probleme bei der Auslastung seiner Kapazitäten und damit auch bei der Beschäftigung.

Zusätzlich griffen Vorschriften über die Arbeitszeit und die Gewinnverwendung in die Geschäftspolitik ein. Auch mussten entsprechend dem NS-Frauenbild, das kinderreiche Mütter am heimischen Herd vorsah, zahlreiche weibliche Arbeitskräfte entlassen und durch männliche ersetzt werden.

Erst staatliche Vorschriften über die Verwendung von Zellstoff, der bei den Endkunden wenig beliebt war, führten wieder zu einer besseren Auslastung der Kapazitäten.

In Verlaufe des Krieges wurden die fehlenden deutschen Mitarbeiter durch „Fremdarbeiter“ ersetzt. Schließlich musste man sogar anstelle von Zellstoff die Rohwolle von Merinoschafen durch Bastfasern substituieren.

Über den Erfolg dieser Maßnahmen gibt es allerdings keine genaueren Informationen, da sich im Laufe des Krieges die Geschäftsberichte immer stärker von betriebswirtschaftlichen Darstellungen in Schilderungen einer eher sozial-karitativen Einrichtung wandelten, durch die der Zusammenhalt der „Volksgemeinschaft“ und die Verbindung mit den „bei der Wehrmacht stehenden Arbeitskameraden“ herausgestellt wurde.

Trotz aller Belastungen durch die NS-Wirtschaftspolitik und den Krieg konnte die BWK sogar noch in der im März 1945 erstellten Bilanz einen Gewinn ausweisen und die Ausschüttung einer Dividende vorschlagen.

Insgesamt hat die BWK die zwölf Jahre des „Dritten Reiches“ als intaktes Unternehmen überstanden, das auch von Zerstörungen der Werksanlagen durch Kriegseinwirkungen weitgehend verschont geblieben ist.


               Die BWK nach dem Lageplan von 1934 (Quelle: Förderverein)


Anmerkung Detlef Gorn:

Die gesamte Abhandlung von Dr. Landwehr ist 39 (!) Seiten lang. Wie immer hochinteressant und informativ. Wer sie in Ruhe einmal lesen möchte, hier ist der entsprechende Link:



Eine Zeittafel

- Ereignisse, die die Arbeit der BWK zwischen 1933 -1945 geprägt haben -



Von unserem Mitglied, Dr. Reinhard Landwehr

(nationale Rahmenbedingungen sind kursiv gekennzeichnet)


Zeitpunkt
Ereignis
20.07.32 Preußenschlag“, durch den die SPD-geführte preußische Regierung durch einen Reichskommissar ersetzt, der u.a. den Landkreis Blumenthal auflöst und dessen SPD-Landrat absetzt
06.11.32 Letzte freie Wahl vor 1945 in Deutschland
30.01.33 „Machtergreifung“ Hitlers
24.03.33 „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (Ermächtigungsgesetz)
1933 „Wende zum Besseren“ dank höherer Kammzugpreise, das Beteiligungsunternehmen Wilhelmsburger Wollkämmerei nimmt seinen Betrieb auf
20.01.34 „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“
30.01.34 „Gesetz über den Neuaufbau des Reichs“, wodurch die Länder „gleichgeschaltet“ werden
19.07.34
Erlass der „Faserstoffverordnung“
01.10.34
Neue Betriebsordnung der BWK (u.a. Abschaffung des Betriebsrats und der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat)
15.10.34
Feier zum 50. Jahrestag der Kammzugherstellung bei der BWK
04. 12. 34
Anleihestockgesetz, das die Ausschüttung von Dividenden begrenzt
1934
Vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit auf 24 Stunden pro Woche wegen Wollmangels, Beginn der Verarbeitung von „Kunstspinnfasern“
1935
Fast gänzlicher Ausfall der Auslandskundschaft, weiterhin reduzierte Wochenarbeitszeit aus Mangel an Rohwolle wegen fehlender Devisen, kaum Nachfrage nach Zellstoffprodukten
1.- 12. 8. 1936
Olympische Sommerspiele in Berlin, die der Welt das NS-System positiv vorstellten, so u.a durch den Film „Olympia“ von Leni Riefenstahl
09.09.36
Tod des Vorstandsvorsitzenden Richard Jung
1936
Entlassung einer größeren Zahl von Mitarbeiten wegen Arbeitsmangels
1937
Herstellung von zwei Filmen durch Jonny Seubert über einen kompletten Arbeitstag im Unternehmen und einen Betriebsausflug nach Goslar
1937
Deutlicher Anstieg der Zellstoffbearbeitung und Einstellung von 550 neuen Mitarbeitern
11.-12.3.1938 „Anschluss“ Österreichs und am 1. und 2. 10. des des Sudetenlandes
1938
Anstieg der Produktion um ein Drittel und stabile Beschäftigung aufgrund niedriger Rohwollpreise und weiterhin steigender Zellstoffbearbeitung
01.09.39 Deutscher Angriff auf Polen und Beginn des Zweiten Weltkrieges
01.11.39 Anschluss Blumenthals an Bremen durch die „Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs“
1939
Drosselung der Produktion auf behördliche Anordnung, Einrichtung einer Wohlfahrtskasse, Rückgang er Beschäftigung durch „freiwilligen Abgang“
Ab 1939
Nutzung von Teilen der Werksanlagen für die Kriegsproduktion
1940
Erhebliche Produktionseinschränkung (-28%) wegen der schwierigen Rohstoffversorgung
22.06.41
Angriff auf die Sowjetunion
1941
Anstieg der Produktion durch Aufbau einer Bastfaserabteilung
1942
Weitere „planmäßige“ Einschränkung der Produktion
31.1. u. 2.2.1943
Kapitulation der deutschen Truppen in Stalingrad
18.02.43 Sportpalastrede zum „totalen“ Krieg
1943 Produktionsanpassung aufgrund „kriegswirtschaftlicher Anforderungen“
06.06.44 Landung der Alliierten in der Normandie
1944
Steigerung der Produktion durch „planmäßige Umstellungen“
08.05.45
Bedingungslose Kapitulation Deutschlands

Zusammenstellung: Reinhard Landwehr


Anmerkung Detlef Gorn:

Auch diese Tabelle stammt aus dem bereits weiter oben aufgeführten Link.




Ansprache des 1. Vorsitzenden, Detlef Gorn, anlässlich des Empfangs zur Ausstellungseröffnung „Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus“



Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Präsident Weber!
Liebe Gäste!

Ich heiße Sie alle im Namen meines Fördervereins Kämmereimuseum und meines Teams herzlich willkommen.


Gestatten Sie mir ein paar einleitende Worte zu unserer Ausstellung „Die BWK in der Zeit des Nationalsozialismus“:


Es vergeht fast kein Tag, wo wir nicht etwas über den 1. oder 2. Weltkrieg in den Medien lesen oder uns im Fernsehen anschauen können.
Vor ein paar Tagen – genauer am 20. Juli - überraschte mich ein Artikel im Weser Kurier, in dem stand: „Nach einer jüngst veröffentlichen Umfrage weiß nicht einmal die Hälfte der Deutschen, was am 20. Juli 1944 geschah“.
Wir erinnern uns: Das war der Tag des Attentats auf Adolf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg – heute vor etwas über 70 Jahren.
Ich möchte an dieser Stelle einmal unterstellen, dass das Wissen um die NS-Zeit in Bremen-Nord ähnliche oder gar noch geringere Ergebnisse liefern würde, ist doch dieses Thema in den hiesigen Schulen lange Zeit ausgeblendet worden oder wie Dr. Marcus Meyer in einer Radio Bremen Reportage über den Bunker Valentin zu berichten wusste, „der Standort des Bunkers war in den hiesigen Landkarten regelrecht ausradiert – den gab es gar nicht . . .“.

Wer Bremen-Nord und seine Randgebiete mit offenen Augen durchstreift, der stößt an vielen Stellen auf Zeugnisse der NS-Vergangenheit:

- 81 Stolpersteine in Bremen-Nord, 26 (!) davon hier ganz um die Ecke in Bremen-Blumenthal – mitten unter uns – zeugen von den Opfern!

- Gedenkstätte „Rosen für die Opfer“, die an das Leid der Zwangsarbeiter auf der Bahrsplate erinnern.

Mitglieder der Friedensschule Bremen, hier namentlich Wiltrud Ahlers, Gerd Meyer und Karsten Ellebrecht, zeichnen für deren Umsetzung und Erhalt der Erinnerungen.

- Ein gigantisches Monstrum in der Landschaft- weithin sichtbar:
Der Bunker Valentin in Bremen-Farge. Fotos vom Heimatverein Farge-Rekum, hier in der Ausstellung angebracht, verdeutlichen die gewaltige Dimension! Arend Wessels sei hierfür gedankt. Ein Mahnmal gegen das Vergessen; heute von Dr. Marcus Meyer von der Landeszentrale für politische Bildung zu einem Denkort ausgebaut.

- Der Wifo-Wald, wie er allgemein von der hiesigen Bevölkerung Bremen-Nords und „umzu“ genannt wird. Der Standort eines der größten Tanklager weltweit.
Fast im Verborgenen, in der NS-Zeit unsichtbar für die Bevölkerung. Mit dem Bau wurde bereits 1935 (!) begonnen; die Planungsarbeiten begannen vermutlich 1933. Der Anlass hierfür ist bekannt.

Das Tanklager ist heute wieder ganz stark in den Fokus der Nordbremer Bevölkerung gerückt. Eine Bürgerinitiative um Heidrun Pörtner betreibt mit ihren Recherchen und Erkenntnissen zielstrebig Öffentlichkeitsarbeit – und das nicht immer zum Wohlwollen der verantwortlichen hiesigen Institutionen und Politiker.

Unzählige Baracken und Bunker säumten das Gelände in der NS-Zeit, welches eng an die hiesigen Wohngebiete angrenzte. Zwei Baracken, die die Zeit überdauert hatten, sind heute bekannte Gedenkstätten und erinnern uns an das unmenschliche Leid der hier Zwangsverschleppten und Inhaftierten: Baracke Wilhelmine und Baracke 27.

Harald Grote und Dr. Rolf-Dieter von Bargen zeichnen für diese Erinnerungsstätten heute verantwortlich.

Bei der Sichtung unseres umfangreichen Bild- und Filmmaterials wurde uns sehr schnell bewusst: Hier haben wir etwas ganz Einmaliges, etwas ganz historisch Wertvolles in Blumenthal:

Ein Industrieunternehmen von Weltrang dokumentierte sich in der NS-Zeit quasi selbst!

Die Aussage, „da hat Leni Riefenstahl Pate gestanden“, stammt nicht von uns, sondern von Fachleuten von Radio Bremen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der damalige junge Kreisfilmberichterstatter der NSDAP, Jonny Seubert, der den Bunkerbau in Farge 1944 filmisch dokumentiert hat, auch das größte Industrieunternehmen seiner Heimatstadt Blumenthal, die Bremer Woll-Kämmerei, in bewegten sw-Bildern festgehalten hatte.

Unser Förderverein hat den über einstündigen Film von 1937 mit heutigen Bildaufnahmen zwecks besserer Orientierung ergänzt und mit Zeitzeugenaussagen hinterlegt.

Aus unserem umfangreichen Fundus haben wir für unsere Ausstellung über 150 Fotos ausgewählt und diese nach 5 Themenschwerpunkte geordnet. Sie zeigen und machen deutlich, wie ein riesiges Industrieunternehmen von der NS-Ideologie vereinnahmt und missbraucht wurde.

Die hier erstmalig einer breiten Öffentlichkeit gezeigten historischen Bilder sind, bis auf wenige Ausnahmen, selbstsprechend und bedürfen keiner weiteren Erläuterung.

Wir wollen mit den Bildern der heutigen und der zukünftigen Generation zeigen, was in Bremen-Nord passiert ist.

Wir wollen aber auch die Ausstellungszeit aktiv dazu nutzen, um die letzten noch lebenden Zeitzeugen in Bremen-Nord dazu zu bewegen, dass sie uns ihre Erinnerungen an ihre NSZeit mitteilen – auch wenn sie für den einen oder anderen noch so belanglos erscheinen mögen.

Andrea Hecht, Leiterin der Seniorenbegegnungsstätte der Martin-Luther-Gemeinde Blumenthal, war in dieser Hinsicht schon sehr aktiv und hat gleich ein paar für uns interessante Zeitzeugen mit hierher in die Ausstellung mitgenommen.

In dem eingangs bereits erwähnten Bericht des Weser Kuriers wurde auch ausgeführt: „Angesichts der verbreiteten Unkenntnis über die NS-Zeit sind nach Einschätzung von Fachleuten neue Wege bei der Vermittlung historischen Wissens erforderlich“.

Welche Wege das sein könnten, das erhoffen wir uns auch von den Ergebnissen der Vorträge und Diskussionen, die unsere Ausstellung ergänzen.
Wir haben daher bekannte Persönlichkeiten nach Blumenthal eingeladen.
Stellvertretend für alle anderen möchte ich hier nur erwähnen:
Den Historiker Dr. Gerd Hofschen , langjähriger Leiter der Abteilung Stadtgeschichte im Focke-Museum.

Dr. Hofschen wird uns mit seinem Vortrag: „Erinnerungskultur – warum und zu welchem Zweck“ sicherlich interessante Wege und Möglichkeiten aufzeigen.
Ferner den pensionierten Professor für Rechts- u. Sozialgeschichte an der Universität Bremen, Prof. Christoph Schminck-Gustavus. Prof. Schminck-Gustavus hat in den 80er Jahren ehemalige polnische Zwangsarbeiter in ihrer Heimat besucht, ihre Erinnerungen aufgezeichnet und diese in seinem bekannten Buch „Hungern für Hitler – Polnische Zwangsarbeiter in Blumenthal 1940 bis 1945“ verarbeitet. Hierüber wird uns Prof. Schminck-Gustavus in einem Vortrag berichten.

Zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Ansätze.

Was kann es also Passenderes geben, als eine Vortragsreihe hier in den Räumen der ehemaligen Bücherei in Blumenthal. Und darauf bin ich persönlich ganz besonders stolz: In Räumen, in denen von Anfang an ein kritischer Zeitgeist und Dialog geherrscht hat und sich Persönlichkeiten von Welt gegenseitig die Türklinke in die Hand gegeben haben: Manfred Hausmann, Judy Winter, Carlo Schmid, Alma Rogge, Marion Gräfin Dönhoff, um nur einige von ihnen zu nennen.

Eine Kostprobe dessen, was ich meine, ist heute bereits ein hochinteressanter
Programmpunkt: Unser Blumenthaler Heimatkundler, Schriftsteller, Buchautor, Theaterdarsteller . . . Ulf Fiedler wird uns gleich über das Leben und Wirken der Blumenthaler Reformpädagogin Tami Oelfken berichten. Ihr Geburtshaus steht gleich links neben dem Blumenthaler Rathaus.

Der Aufbau der BWK und damit einhergehend das sich verändernde Blumenthal ließ Tami Oelfken zeitlebens nicht los. Einfühlsam beschrieb sie die Menschen aus Blumenthal und „Zuzügler“ aus dem Osten, die in eine für sie unbekannte Welt eintraten, um hier in Blumenthal ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Es war für mich nicht ganz einfach, jemanden zu finden, die die Empfindungen einer Tami Oelfken so wundervoll und einfühlsam vermitteln kann, wie Christine Bongartz, eine „Lesebotschafterin“ mit Herz.

Christine Bongartz wird an dem Vortrag von Ulf Fiedler anschließen und uns heute aus dem Buch „Maddo Clüver von Tami Oelfken vorlesen.

Das wir heute bis Ende des Monats in diesen Räumen Gäste sein dürfen, verdanken wir den beiden hier tätigen Künstlern Ulla Deetz und Peter F. Krüger, die uns ihre Räumlichkeiten in ihrer Urlaubszeit gerne für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben.

Herzlichen Dank ihnen beide hierfür!

Ein Dankeschön auch an den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Herrn Christian Weber, der unserer Bitte gefolgt ist, ein paar Grußworte an unsere Gäste zu richten. Das war nicht selbstverständlich.

Ebenso ein herzliches Dankeschön an mein Fördervereins-Team, ohne deren tatkräftige Unterstützung dies hier alles nicht möglich gewesen wäre.


Ich möchte nun das Wort an unseren Stadtteilmanager, Peter Nowack, übergeben, der auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Blumenthaler Bürgerstiftung dafür gesorgt hat, dass wir das alles hier auf die Beine stellen und bezahlen konnten. Auch das war nicht selbstverständlich!

Dankeschön Peter Nowack!

Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit!





Medienecho





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