Weiterhin Demokratie wagen!
Eine Dokumention zum SPD-Beiratsantrag "Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen optimieren "
Auf diesen Versuch einer "Gleichschaltung" von Bürgerinitiativen hat das kommunalpolitische Forum "Blumenthal:Probleme und Chancen" schnell reagiert
Dort wurden in vier Postings die verschiedenen Aspekte des SPD-Antrags kritisch beleuchtet. So beschäfigt sich der Beitrag "Gleichschaltung von Bürgerprotesten?" mit den Auswirkungen auf das demokratische Beteiligungsverhalten, unter dem Titel "Verführungsversuch?" werden die Auswirkungen für die Bürgerinitiative Tanklager Farge analysiert, das Posting "Politische Verpackung" sucht nach Motiven hinter dem SPD-Antrag und die Erzählung "2018" will an einem Beispiel zeigen, wie sich eine Annahme des SPD-Antrags auf das Leben in Blumenthals auswirken würde.
Zusätzlich erschien im Weser-Kurier ein Leserbrief, der auf die Gesamtproblematik des Antrags eingegangen ist.
Alle Leserinnen und Leser, die von den im Forum vorgetragenen Argumenten überzeugt waren, werden über das Abstimmungsergebnis im Blumenthaler Beirat sicherlich nicht traurig sein. Es bleibt alles beim Alten. Das wird nicht jeder für gut halten, dürfte jedoch allemal einer "Optimierung" im Sinne des Antrags der SPD-Faktion vorzuziehen sein.
Im Folgenden sind der SPD-Antrag (1), ein Link zum Artikel aus dem Weser-Kurier (4), ein Leserbrief (5), fünf Postings aus dem Forum und Links zu Berichten des BLV (9) und des Weser-Kuriers (10) über die Beiratsabstimmung in chronologischer Reihenfolge zu finden.
1) Der SPD-Antrag vom 4.7.2014
Der Beirat Blumenthal möge beschließen:
Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen optimieren
In den Beiratssitzungen und in der öffentlichen Wahrnehmung macht es den Eindruck, als ob es eine Diskrepanz zwischen der Arbeit von Bürgerinitiativen und der politischen Arbeit des Beirats gibt.
Aktuell geht es dabei um scheinbare Konflikte zwischen Beirat und der Bürgerinitiative Tankla-ger Farge.
Diese scheinbaren Konflikte resultieren sicher in der Tatsache, dass die meisten Beiratsmitglieder nicht so intensiv mit Detailfragen zu diesem gewaltigen Themenkomplex befasst sind und daher bei der kurzfristigen gewünschten Übernahme von Fragen und Thesen aus den Bürgeran-trägen der BI die Beiratsmitglieder überfordert werden und ihrem politischen Auftrag einer Meinungsbildung und Entscheidung im Sinne einer Interessenabwägung nicht ausreichend nach-kommen können.
Diese Situation führt dann zu wechselseitiger Unzufriedenheit, die auch nicht dadurch verbessert wird, in dem man sich oder Teile der jeweiligen Gremien gegenseitig beschimpft.
Der Beirat Blumenthal beschließt, mit der Bürgerinitiative Tanklager Farge in Gespräche über die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu treten und diese einzurichten, wenn die Bürgerinitiative dieses Angebot annimmt.
Diese Arbeitsgruppe soll möglichst häufig nicht öffentlich zusammentreten und die Detail-kenntnisse für den Beirat optimieren und an der Formulierung von Bürgeranträgen aus dem Kreis der BI mitwirken. Dazu soll auch über den optimalen Zeitpunkt der Einreichung solcher Anträge und die Umgangsweise, damit Einvernehmen erzielt werden.
Die Arbeit der Arbeitsgruppe soll im Abstand von jeweils sechs Monaten überprüft werden und dann beispielgebend für die Zusammenarbeit von Beirat und Bürgerinitiativen und Organisationen werden, die sich im Beiratsgebiet gebildet haben oder bilden werden.
Ziel und Ergebnis dieser Arbeitsgruppenarbeit sollen der Umgang mit den vorhandenen und zu erwartenden Gutachten und die daraus abzuleitenden Sanierungsmaßnahmen, für die der jetzige Besitzer, der Bund, verantwortlich zeichnet. Schuldzuweisungen, wer Verursacher der Grundwasserverunreinigungen in der Vergangenheit war, sind nicht zielführend, da der Rechtsnachfolger und damit Verantwortliche bekannt ist. Maßgebendes Ergebnis der Sanierung muss die restlose Entfernung aller nicht natürlichen Stoffe aus dem Erdreich und dem Grundwasser sein, damit das Areal einer anderen, von allen Betroffenen und Verantwortlichen akzeptierten, Verwendung zugeführt werden kann.
Helma Stitz, Alex Schupp und die Fraktion der SPD
Blumenthal, d. 04.07.2014
2) Gleichschaltung von Bürgerprotesten? (Posting vom 5.7.2014)
Für viele Menschen in unserem Land steht die SPD nicht nur für soziale Gerechtigkeit, sondern auch für die Verteidigung und den Ausbau der Demokratie.
Diese Leistungen für die deutsche Demokratie werden besonders augenfällig, wenn man sich im Blumenthal jetzt mit der NS-Zeit beschäftigt, wofür die geplante BWK-Ausstellung und das Anschlussjubiläum Anlässe sein können. So hat sich der SPD-Abgeordnete Otto Wels 1933 in einer eindrucksvollen Rede für die pluralistische Demokratie eingesetzt, in der es einen fairen Wettstreit verschiedener Positionen um ein Beschluss gibt.
Das haben damals andere, und zwar nicht nur die Nationalsozialisten anders gesehen, denen der „als Zerrissenheit verstandene Pluralismus in Staat und Gesellschaft“ nicht gefiel. Sie haben deshalb eine „Gleichschaltung“ gefordert und durchgesetzt, wodurch es kurze Zeit später nur noch eine Meinung geben durfte.
Während also damals und auch später die Sozialdemokraten auf der Seite der Demokratie standen, kann man an einer entsprechenden Haltung ihrer gewählten Beiratsmitglieder in Blumenthal Zweifel haben. Für einige unter ihnen scheint die Demokratie kein besonders hoher Wert zu sein, wenn ihnen Beiratsdebatten lästig erscheinen und es ihnen nichts ausmacht, den totalitären Akt der Angliederung Blumenthals an Bremen mit Saus und Braus auf der Bahrsplate zu feiern.
In dieser unguten eigenen Tradition hat die Blumenthaler SPD-Fraktion jetzt nachgelegt, wenn sie zwar keine Gleichschaltung fordert, aber eine „Optimierung“. Betroffen sind jetzt auch nicht die anderen Parteien, sondern alle in Blumenthal bestehenden und später einmal gegründeten Bürgerinitiativen.
Für diese wichtigen Institutionen einer lebendigen Demokratie sieht ein SPD-Antrag, der sich als Beispiel die Tanklager-Bürgerinitiative ausgewählt hat, eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Beirat und Bürgerinitiative vor.
Wie soll diese Gleichschaltung, Kastrierung oder eben Optimierung nach dem Blumenthaler SPD-Modell jedoch konkret erfolgen? Der Antrag sieht vor, dass die gemeinsame Arbeitsgruppe von Beirat und Bürgerinitiative „möglichst häufig nicht öffentlich zusammentreten und die Detailkenntnisse für den Beirat optimieren und an der Formulierung von Bürgeranträgen aus dem Kreis der BI mitwirken“ soll.
Der Bürgerinitiative will man also ihre wichtigste, wahrscheinlich sogar einzige Grundlage für einen Einfluss nehmen: die Öffentlichkeit, d.h. den Kontakt zu den Medien und zu den Betroffenen, die kaum zu einer Anwohnerversammlung kommen werden, wenn über alle wichtigen Vorgänge zuvor eine „Geheimhaltung“ vereinbart wurde.
Damit aber noch nicht genug! Über „den optimalen Zeitpunkt der Einreichung“ von Anträgen und „die Umgangsweise“, soll einvernehmlich entschieden werden, also mit einem Vetorecht der Beiratsmehrheit.
Nach einer „Gleichschaltung“ der Tanklager Bürgerinitiative sollen dann alle anderen Bürgerinitiativen, die bestehen bzw sich noch irgendwann einmal bilden werden, nach diesem Modell ebenfalls an die Kandare der Beiratsmehrheit gelegt werden. So heißt es im SPD-Antrag: „Die Arbeit der Arbeitsgruppe soll im Abstand von jeweils sechs Monaten überprüft werden und dann beispielgebend für die Zusammenarbeit von Beirat und Bürgerinitiativen und Organisationen werden, die sich im Beiratsgebiet gebildet haben oder bilden werden.“
Blumenthal und seine „innovativen“ Sozialdemokraten werden sich mit diesem Vorschlag zur Domestizierung von Bürgerinitiativen sicherlich in Bremen erneut ins demokratische Abseits manövrieren. Aber das kennen sie ja bereits seit ihrem Plan einer Anschlusssause auf der Bahrsplate.
3) Verführungsversuch? (Posting vom 9.7.2014)
In der Politik gibt es manchmal Knartsch. Das ist auch ganz natürlich, weil nicht alle Bürger dieselben Ziele verfolgen. Das gilt vor allem dann, wenn sie in ganz unterschiedlicher Weise betroffen sind, sich also beispielsweise die einen von Umweltschäden durch das Tanklager Farge bedroht fühlen, während die anderen zwar für Blumenthal politisch verantwortlich waren, jedoch noch vor wenigen Monaten für ein Weiterbestehen gerade dieser Umweltbedrohung gestimmt haben.
Ende letzten Jahres schien diese Divergenz behoben, als der Blumenthaler Beirat einstimmig einen Antrag zur Stilllegung des Tanklagers beschlossen hat, an dem Vertreter der Tanklager-Bürgerinitiative mitgearbeitet hatten.
Diese Einvernehmlichkeit war jedoch nur von kurzer Dauer, denn in der letzten Beiratssitzung hat man sich „beschimpft“, wie es die SPD-Fraktion in einem aktuellen Beiratsantrag ausdrückt.
Um so etwas zukünftig zu vermeiden, will die SPD-Fraktion jetzt die „Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen optimieren“.
Deshalb soll jetzt der Beirat der Tanklager-Bürgerinitiative ein ganz besonderes Angebot zu einer „Teilheirat“ machen. Dabei wird zwar kein Bund fürs Leben geschlossen, wie man ihn früher kannte, aber ein Vertragsverhältnis eingegangen, das für das zukünftige Verhalten der Braut feste Regelungen vorsieht.
Ganz wie vor dem richtigen Eheleben soll nach den Überlegungen der SPD-Fraktion der Beirat um seine „Braut“, die Tanklager-Bürgerinitiative, werben. Dabei hat man an Komplimente gedacht, die gleichzeitig die bisherige „wechselseitige Unzufriedenheit“ erklären. Hier soll sich der Beirat schuldig bekennen, da die „meisten Beiratsmitglieder nicht so intensiv mit Detailfragen zu diesem gewaltigen Themenkomplex befasst sind und daher bei der kurzfristigen gewünschten Übernahme von Fragen und Thesen aus den Bürgeranträgen der BI die Beiratsmitglieder überfordert werden und ihrem politischen Auftrag einer Meinungsbildung und Entscheidung im Sinne einer Interessenabwägung nicht ausreichend nachkommen können.“
Die Lösung wird in einer Spezialehe gesehen, die konkret in einer gemeinsamen „Arbeitsgruppe“ besteht, die „möglichst häufig nicht öffentlich zusammentreten und die Detailkenntnisse für den Beirat optimieren und an der Formulierung von Bürgeranträgen aus dem Kreis der BI mitwirken“ soll.
Damit werden auch gleich die besonderen Rechte in dieser extrem patriarchalen Eheform definiert: die Projekte und Vorhaben der Bürgerinitiative sollen nicht wie bisher in Anwohnerversammlungen, sondern geheim im „Schlafzimmer“ abgesprochen werden und die Anträge darf nicht mehr die „Braut“ Bürgerinitiative selbst schreiben, sondern muss sich der Zensur durch die Beiratsmehrheit unterwerfen.
Glaubt etwa die SPD-Fraktion, mit einem unverbindlichen Kompliment die Tanklager-Bürgerinitiative in diese unemanzipierte Beziehung locken zu können? Hält man etwa die Beratung durch die innovative Verwaltung für so wertvoll, dass man deswegen auf seine Unabhängigkeit verzichtet? Soll etwa die Tanklager-Bürgerinitiative in ein ähnliches Verhältnis gebracht werden, in dem sich die SPD-Fraktion schon befindet?
Bisher sieht es allerdings nicht so aus, dass die „Braut“ diesem unmoralischen und undemokratischen Angebot folgt, denn noch nimmt sie daran Anstoß, dass sie der Ortsamtsleiter „beschimpft“ und unterstellt man wolle den Beirat “über den Tisch ziehen”.
4) Zeitungsartikel von Christina Denker
Denker, Christina, Sozialdemokraten wollen mit Tanklager-Bürgern an einen Tisch. Vorschlag: Gemeinsame Arbeitsgruppe soll hinter verschlossenen Türen über Gutachten und Sanierungsmaßnahmen beraten, in: Weser-Kurier vom 11.07.2014
5) Demokratieverständnis der besonderen Art (Leserbrief vom 11.7.2014)
Die Blumenthaler Sozialdemokraten schlagen der Tanklager-Bürgerinitiative einen ganz ungewöhnlichen politischen Deal vor.
Man verspricht den Tanklager-Gegnern seine Hilfe bei der Beschaffung ausstehender Gutachten und eine Zusammenarbeit bei der Überwachung der anstehenden Sanierungsmaßnahmen
Das ist zweifellos eine Leistung, wie man sie von gewählten Beiräten erwarten kann, da sie sich ja aufgrund ihres Amtes für das Wohl der Bürger einsetzen müssen, die sie politisch repräsentieren. Dieser Hinweis ist also eine schöne Geste, wenn man diese Selbstverständlichkeit in einem demokratischen Staat nochmals schriftlich bestätigt findet.
Nur hat dieser Deal noch ein ganz andere Seite. Zu dieser demokratischen Selbstverständlichkeit soll der Beirat nach dem Willen der SPD-Fraktion nur bereit sein, wenn sich die Bürgerinitiative sowohl zu geheimen Absprachen mit dem Beirat verpflichtet als auch eine Art Zensur ihrer Bürgeranträge akzeptiert.
Mit anderen Worten soll sich nach diesem Plan der SPD-Fraktion der Blumenthaler Beirat offenbar nur für die Interessen der Bürger einsetzen, wenn diese auf wichtige Rechte verzichten. Dazu gehören für eine Bürgerinitiative zweifellos die Meinungsbildung in Anwohnerversammlungen und die Freiheit, Bürgeranträge so zu stellen, wie es die Bürgerinitiative oder ihre Mitglieder für richtig halten. Für eine korrekte politische Arbeit des Beirats wird also als Gegenleistung ein Verzicht auf Öffentlichkeit und auf das Recht jedes Bremer Bürgers verlangt, einen Bürgerantrag ohne äußere Einflussnahme stellen zu können.
Der SPD-Antrag ist damit nicht nur ein unmoralisches, sondern auch ein undemokratisches Angebot an die Tanklager-Bürgerinitiative.
6) Politische Verpackung (Posting vom 13.7. 2014)
Frau Denker hat ihren Bericht über den SPD-Antrag zur „Optimierung“ der Zusammenarbeit von Beirat und Bürgerinitiativen unter die Überschrift „Sozialdemokraten wollen mit Tanklager-Bürgern an einen Tisch“ gestellt.
Das sieht nach einem Wunsch aus, dem niemand widersprechen wird. Warum sollen sich die Sozialdemokraten bzw die Mitglieder des Beirats nicht mit Mitgliedern der Bürgerinitiative Tanklager Farge zusammensetzen, um mögliche Missverständnisse oder auch unterschiedliche Positionen zu klären? Das ist schließlich nichts Neues, wie die gemeinsame Erarbeitung des Antrags zur Stilllegung des Tanklagers im letzten Jahr bewiesen hat. Da wird man sich eher fragen, wer um alles in der Welt dagegen sein könnte.
Wenn man allerdings genauer liest, entdeckt man, dass ein derartiges Informationsgespräch gar nicht angestrebt wird, wie es die Überschrift erwarten lässt wird.
Vielmehr geht es um die hier im Forum bereits mehrfach kritisierte Gleichschaltung von Bürgerinitiativen, die von der Beiratsmehrheit kontrolliert werden sollen. Darauf weist auch Frau Denker hin, wenn sie auf die geforderte Geheimhaltung und Einvernehmlichkeit betont, die ein Gespräch auf Augenhöhe nicht kennt und die einer Bürgerinitiative ihre wichtigsten Einflussmöglichkeiten nehmen.
Die sozialdemokratischen Antragsteller wollen daher kaum ein Gespräch mit der Bürgerinitiative, wie man es nach der Überschrift im Weser-Kurier erwarten könnte. Das ließe sich auch ohne formelle Beschlüsse leicht erreichen, wenn man sich einfach gegenseitig einladen würde.
Doch worum geht es dann?
Der Antragstext gibt einen wichtigen Hinweis. Hierin werden nicht nur ganz allgemein geheime Sitzungen und ausschließlich einvernehmlich formulierte Bürgeranträge verlangt. Vielmehr wird eine der Positionen, die auf diese Weise durchgesetzt werden soll, ganz ausdrücklich benannt: „Schuldzuweisungen, wer Verursacher der Grundwasserverunreinigungen in der Vergangenheit war, sind nicht zielführend, da der Rechtsnachfolger und damit Verantwortliche bekannt ist.“
Die Bürgerinitiative soll also mit anderen Worten keine Anträge mehr stellen, in denen es um den oder die Schuldigen für die Kontaminationen geht.
Bei dieser Aussage ist weniger der Hinweis auf den Bund als Immobilienbesitzer interessant, da dessen Haftung unstrittig ist.
Das gilt jedoch keineswegs für die vom Gesetz her vorgesehenen Bremer Kontrollbehörden, also vor allem die Gewerbeaufsicht und die Umweltbehörde. Hier ist zu fragen, ob das Tanklager Farge die Voraussetzungen für die Betriebsgenehmigung, die immer noch nicht zugänglich ist, während der gesamten Nachkriegszeit erfüllt waren und ob die Einhaltung der Vorschriften korrekt geprüft wurde.
Soll etwa auf diese Weise die Bürgerinitiative Tanklager Farge auf eine Überprüfung verzichten, um damit Bremer Behörden, die teilweise auch sozialdemokratischen Senatoren unterstanden, unangenehme Fragen zu stellen?
7) 2018 (Posting vom 14.7.2014)
Es war einige Zeit nach jenen denkwürdigen drei Tagen im Juli 2014, als mit der Einweihung des Bolzplatzes auf der Bahrsplate "Blumenthal einen großen Schritt nach vorn" machte, Deutschland Weltmeister wurde und die Bürgerbeteiligung in Blumenthal „optimiert“ werden konnte.
So könnte es beispielsweise das Jahr 2018 sein, in dem sich Folgendes ereignet hat:
Die Eheleute Bi. waren aus einem anderen Bremer Ortsteil, sagen wir aus Vegesack, nach Blumenthal zugezogen und hatten bei der Wahl ihrer neuen Wohnung den Verkehrslärm auf der Rönnebecker Straße unterschätzt. Der war nicht mit dem heutigen vergleichbar, da es ein oder zwei Jahr zuvor der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) gelungen war, zu recht niedrigen Grundstückspreisen und einigen steuerlichen Vorteilen eine große Gewerbefläche auf dem alten BWK-Gelände an ein Logistikunternehmen zu verkaufen. Das hatte dann auf den Blumenthaler Durchgangsstraßen zu einem deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen geführt, da die Fahrer einfach nicht der Prognose der Planer des Bauamtes Bremen-Nord folgen wollten. Sie wählten nicht, wo immer die Fahrt auch hingehen sollte, einen Weg über die nächste Autobahnauffahrt.
Diese Gefahr hatten zwar Blumenthaler Sozialdemokraten bereits 2013 gesehen, aber nicht in die Planung des BWK-Geländes eingebracht. So entsprach die Nutzung durch das Logistikunternehmen ganz den Vorgaben des Bebauungsplans 1288, sodass ohne Regresszahlungen an das Logistikunternehmen keine Änderung des Bebauungsplans mehr möglich war.
Das war die jüngere Vergangenheit, der jetzt, wie das Ortamt voller Stolz erklärte, eine zweite Ausbaustufe beim Logistikunternehmen und damit die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze folgen sollte.
Diese Sicht teilten die Eheleute Bi. nicht, da sie als Folge dieser Pläne eine noch stärkere Lärmbelastung erwarteten. Daher sprachen sie mit ihren Nachbarn über das Problem und mögliche Reaktionen der Lärmgeschädigten. Dabei erwarteten sie wenig vom Ortsamt und den gewählten Beiräten, da diese Lokalpolitiker bereits die Weichen in Richtung einer Unternehmenserweiterung gestellt hatten und sich die Schaffung neuer Arbeitsplätze als ganz besondere Leistung anrechneten.
So schlug Herr BI die Gründung einer Bürgerinitiative vor, da er von ähnlichen Aktivitäten in anderen Stadtteilen gelesen hatte. Doch da warnten ihn seine Blumenthaler Nachbarn, indem sie ihm erklärten: „Das ist bei uns anders. Hier kann man nicht einfach eine Bürgerinitiative gründen. Da muss man sich an ganz bestimmte Regeln halten, die unser Beirat im Juli 2014 beschlossen. Da musst Du Dich erst bei unsrem Ortsamt erkundigen, bevor Du etwas Falsches macht.“
Da Frau und Herrn BI die erwarteten Brummis schon im Voraus in den Ohren dröhnten, gaben sie nicht gleich auf, sondern folgten dem Hinweis der alteingesessenen Blumenthaler.
So machte sich Herr BI zum Ortsamt auf, um sich nach den besonderen Regeln für Bürgerinitiativen in Blumenthal zu erkundigen.
Dort wurde Herr BI nach einer freundlichen Begrüßung darüber aufgeklärt, dass für die Gründung einer Bürgerinitiative in Blumenthal selbstverständlich keine Genehmigung durch den Ortsamtsleiter oder den Beirat erforderlich sei.
Allerdings suche die innovative Verwaltung und auch der Beirat immer das Gespräch mit den Betroffenen, da sich auf diese Weise vieles besser klären lasse. Auch hätte man vor dem Optimierungsbeschluss den Eindruck gewonnen, dass die senatorischen Behörden wegen der Vielzahl von Bürgeranträgen aus Blumenthal verärgert seien. Man könne daher nicht immer mit einer wohlwollenden und gründlichen Prüfung der Anliegen rechnen, wenn die Beamten zuvor in den Medien an den Pranger gestellt worden seien.
Das überzeugte Herrn BI noch nicht völlig. Er musste an den Lärm denken, den er, seine Frau und seine Nachbarn dank dieser wohlwollenden Bürokraten täglich vor den Fenstern hatten. Aber er war ein wenig verunsichert und wollte nicht als einzelner Querulant die Sache verfolgen. Daher erkundigt es sich beim Ortsamtsleiter nach der Organisation einer Bürgerversammlung.
Auch dazu wurde von der innovativen Verwaltung aufgeklärt. „Auch das kann natürlich jeder Bürger bei uns in Bremen machen, nur kann man auf diesem Weg leicht die Chancen verlieren, die bei uns in Blumenthal das Optimierungsangebot des Beirates beinhaltet.“
Herr Bi. bedankte sich für die Auskünfte, die er mit seinen Nachbarn besprechen wollte. So setzten sich die Nachbarn an einem Abend zusammen und berieten die Situation. Dabei fand die Idee einer Bürgerinitiaitve weiterhin viel Zustimmung, nur wollte man sie selbst organisieren und sich nicht an Vorgaben von Politikern orientieren, die mit der Verwaltung unter einer Decke zu stecken schienen.
Allerdings wies Herr K., der die Lokalpolitik aufmerksam und kritisch beobachtete, dabei auf ein Problem hin. Er erinnerte an die Erfahrungen zahlreicher Blumenthaler mit der Behandlung von Bürgeranträgen im Beirat. „Die werden dort sehr unterschiedlich diskutiert“, berichtete er, „manche werden als überflüssig abgelehnt, andere versanden irgendwo und wieder andere werden so verändert, dass sie der Antragsteller nicht mehr wiedererkennen kann. Deswegen soll es sogar schon einmal eine Petition an die Bürgerschaft gegeben haben“, schloss Herr K. seinen Erfahrungsbericht.
Die Nachbarn waren sich aufgrund dieser Erfahrungen weitgehend einig. Man wollte eine Bürgerinitiative gründen, aber dabei mit dem Beirat kooperieren, um mögliche Anträge auch durch den Beirat zu bekommen und damit bei den senatorischen Behörden etwas zu erreichen. Daher wurde Herr Bi. mit einem weiteren Gang zur innovativen Verwaltung beauftragt, um dort die genauen Bedingungen des Optimierungsbeschlusses in Erfahrung zu bringen.
Dort interpretierte der Ortsamtsleiter den Beschluss, indem er zunächst auf eine mögliche Gründung einer Bürgerinitiative in Blumenthal einging: „Zur Gründungsphase einer Bürgerinitiative hat sich der Beirat zwar keine Gedanken gemacht, aber wir gehen davon aus, dass es gut ist, wenn die drei Gründungsmitglieder nicht erst mit immensen Werbeaktionen, die immer auch mit der Beunruhigung viele Bürger verbunden sind, möglichst viele Mitglieder gewinnen wollen. Meiner Meinung nach sollten sich die Gründer gleich an den Beirat bzw. den Stadtteilmanager wenden, der dann alles Weitere mit ihnen abspricht.“
„Und wie würden diese Absprachen in unserm Fall aussehen?“, erkundigte sich Herr Bi. "Dazu kann ich Ihnen natürlich jetzt nichts sagen“, entgegnete der Ortsamtsleiter auf diese Frage aller Fragen, „denn dazu haben wir ja eine Reihe geheimer Arbeitstreffen vorgesehen. Allerdings wird es sicherlich keinen einvernehmlichen Antrag geben, der sich gegen eine Erweiterung des Logistikunternehmens ausspricht, denn dafür haben wir uns ja im Interesse Blumenthals stark gemacht.“
Als Herr Bi. seinen Nachbarn von dem Gespräch berichtete, war die Stimmung gedrückt. Sie sollten sich zwischen der Gründung einer Bürgerinitiative entscheiden, deren Anträge nicht grade wohlwollend im Beirat behandelt wurden, und einer Bürgerinitiative, die solche Anträge erst gar nicht stellen konnte, da sich dafür keine einvernehmliche Formulierung finden ließ.
Oder gab es noch einen dritten Weg? Einen Umzug in einen anderen Stadtteil, wenn man seine Bürgerrechte ohne Einschränkungen ausüben wollte.
8) Umzug überflüssig (Posting vom 15.7.2014)
Der Blumenthaler Beirat hat gestern Abend dafür gesorgt, dass die Zukunft, wie sie im Posting „2018“ erzählt wurde, nicht eintreten wird. Das ist eine gute Nachricht für alle Bürger, denen die Bürgerbeteiligung nicht gleichgültig ist.
Da die Antragsteller eine sehr knappe Niederlage erlitten, bleibt alles beim Alten.
An der Abstimmung haben 15 Beiratsmitglieder teilgenommen, darunter alle acht Mitglieder der SPD-Fraktion, also des Antragstellers. Das hätte eine Mehrheit bedeutet, wenn alle einem „Fraktionszwang“ gefolgt wären.
In der Sitzung war jedoch zwei SPD-Mitgliedern eine lebendige Demokratie wichtiger als ein solidarisches Verhalten gegenüber einem Antrag, der Bürgerinitiativen in Blumenthal durch eine Beiratsmehrheit kontrollieren wollte. Sie haben sich der Stimme enthalten, wodurch die SPD nur auf sechs Stimmen für ihren Antrag gekommen ist. Das war eine Stimme weniger als die sieben Stimmen der „Koalition“ aus CDU, Grünen und Linken.
9) Zeitungsartikel von Regina Drieling
Drieling, Regina, Keine Absprache zur Kommunikation. SPD-Antrag zur Zusammenarbeit mit BI Tanklager scheitert in eigenen Reihen, in: BLV vom 16.7.2014.
10) Zeitungsartikel von Christina Denker
Denker, Christina, Tanklager: Beirat gegen SPD-Antrag. Arbeitsgruppe abgelehnt, in: Weser-Kurier vom 17.07.2014.
10) Zeitungsartikel von Christina Denker
Denker, Christina, Tanklager: Beirat gegen SPD-Antrag. Arbeitsgruppe abgelehnt, in: Weser-Kurier vom 17.07.2014.