Montag, 30. Juni 2014

EU-Wahl: AfD



Die Alternative für Deutschland (AfD) in der Europawahl 2014:


eine sozialräumliche Analyse




Nach dem Erfolg der AfD bei der Europawahl Ende Mai 2014 stellen sich Politikwissenschaftler und politisch Interessierte zwei Fragen. Sie suchen nach einer Einordnung der neuen Partei in das bekannte politische Spektrum und nach einer Prognose über die Nachhaltigkeit des Erfolgs.

Dabei steht vor allem zur Diskussion, ob sich eine Partei, die mit einem betont Euro-kritischen Programm angetreten ist, sich auch andere Politikfelder so erschließen kann, dass sie sich ebenfalls im Bundestag, in den Landtagen und in Kommunalparlamenten etablieren kann. Ein Auslöser kritischer Erwartungen sind dabei die Erfahrungen mit den Piraten, denen nach einem kurzzeitigen Hype eine solche breite Verankerung in der Wählerschaft nicht gelungen ist.

Die beiden Fragen können anhand der hier diskutierten Analysen des räumlichen Wählerverhaltens selbstverständlich nicht abschließend beantwortet werden. Es wird jedoch versucht, auf der Grundlage einer Reihe verschiedener sozialräumlicher Analysen, die sich beispielsweise in Bayern auf bereits drei Wahlen beziehen können, Aussagen über die Ähnlichkeit der Wählerstrukturen der AfD mit denen anderer Parteien zu gewinnen und dabei besonders auf die bisherige Stabilität zu achten.

Im Ergebnis ähneln sich in den Städten, für die entsprechende Auswertungen vorliegen, die sozialräumlichen Strukturen der AfD und der CDU/ CSU, während sie deutlich von denen der Parteien abweichen, die wie die Grünen, die Piraten und teilweise auch die Linke ein alternatives Milieu repräsentieren. Damit bestehen in den meisten Teilen Deutschlands deutliche Verbindungen zwischen AfD-Erfolgen und den hohen Verlusten der FDP, und zwar vor allem dort, wo die Liberalen nicht eine typische Partei der Besserverdienenden waren wie in den Quartieren mit einem hohen sozialen Status.

Wenn die AfD durch einen weiteren organisatorischen Aufbau auch auf lokaler Ebene, wie das die ersten Mandatsgewinne in Kommunen erwarten lassen, diese Wähler binden kann, dürfte sich die neue Partei als potenzieller Bündnispartner vor allem für die CDU/ CSU etablieren können. 



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Politische Störenfriede in der Demokratie: neue Parteien

Erfolgreiche neue Parteien werden immer kritisch beäugt. Das galt Ende der 1970-er/ Anfang der 1980-er Jahre für die Grünen und ihre lokalen Vorläufer, später im Jahr 2004 die Schill-Partei oder offiziell die „Partei rechtsstaatlicher Offensive“, die in Hamburg aus dem Stand 19,4 % der Stimmen erzielte und sofort in den Senat, also die Landesregierung, einzog, sowie zuletzt die Piraten, die für wenige Monate zwischen September 2011 und Mai 2012 in die Parlamente der vier Länder Berlin, Saarland, Schleswig-Holstein und NRW einzogen. Anschließend rückte dann die 5%-Hürde für sie in eine kaum noch erreichbare Ferne. Dazu trugen nicht zuletzt personelle Querelen bei, die eine kaum vermeidbare Kinderkrankheit für jede neue Partei sind.

In allen diesen Fällen fühlten sich die konkurrierenden Parteien und die Politikwissenschaftler durch die Neuen herausgefordert, die das gewohnte Machtgefüge stören und nicht zuletzt auch Mandate errangen, die sonst an die alten Parteien gegangen wären.

Die Wissenschaftler müssen ihre Erklärungsmodelle ändern, ja, häufig eine neue Begrifflichkeit entwickeln, da sich die neuen Parteien nicht immer leicht auf einer vertrauten Rechts-links-Dimension einordnen ließen. Vielmehr mussten Experten erkennen, dass sich Positionen in verschiedenen Politikbereichen fast beliebig kombinieren lassen, also etwa eine libertäre Netz- und „Familienpolitik“ mit einer kommunistisch zu nennenden Sozialpolitik, die jedem unabhängig von eigenen Leistungen ein bedingungsloses Grundeinkommen gewähren will.

Mit der Schill-Partei in Hamburg verzeichnete erstmals im Nachkriegsdeutschland eine Partei einen aufsehenerregenden Erfolg, die man rasch mit einigen Parteien in den Nachbarländern verglich, die damals ebenfalls viele Wähler gewinnen konnten und von ihrer Programmatik her Kombinationen von wirtschaftspolitisch liberalen, einem innenpolitisch konservativen Modell nach dem Law-and-Order-Schema und außenpolitisch nationalistischen Elementen darstellen, indem man sich für einen Zuwanderungsstopp und gegen eine Islamisierung Europas einsetzte.

Damit war auch der Begriff „rechtspopulistisch“ in den aktiven politischen Wortschatz eingeführt, der von den Repräsentanten der etablierten demokratischen Parteien rasch von einer sachlichen und fachlichen Beschreibung zu einer negativen Bewertung umgewandelt wurde. Der Begriff verlor also schnell seine wissenschaftliche Wertneutralität, wenn er diese Eigenschaft überhaupt jemals besessen hat. 

Es geht hier schließlich um Politik und damit um verbreitete Einstellungen und Vorurteile, vor allem aber auch um Machtfragen, sodass sich auch Politikwissenschaftler in einer Umwelt bewegen, die keine wertfreien Elfenbeintürme schätzt, sondern eine besondere Art von politischer Korrektheit einfordert. 


In dieser politischen Großwetterlage, die vor den Europawahlen 2014 vor allem durch mögliche Wahlerfolge des Front National in Frankreich, der Partei für die Freiheit in den Niederlanden und der Freiheitlichen Partei in Österreich geprägt war, wurde die AfD in Medien rasch mit diesen Gruppierungen zusammengefasst und als „rechtspopulistisch“ etikettiert.

Da lag es dann nahe, in den Medien und unter den Politikern der etablierten Parteien nicht zu sehr zu genau zwischen Europa-kritisch, EU-kritisch, Euro-kritisch zu differenzieren und alles, was nicht auf einer nicht genauer definierten Pro-Europa-Linie mitschwann rasch auch noch als rechtspopulistisch in einen Topf der politisch Verfemten zu werfen. So ließ sich schnell die Europawahl als ein Kampf zwischen den Guten, also den Christ-, Sozial- und Freidemokraten sowie den Grünen, auf der einen und einem rechtspopulistischen Rest, den Bösen, auf der anderen Seite bildhaft in Szene setzen.

Am Abend dieses Wahlsonntags mit seinem ersten großen Wahlerfolg hat der AfD-Vorsitzende selbst diese plakative politische Schwarz-Weiß-Zeichnung hinterfragt. Für ihn ist die AfD vielmehr eine Partei der Mitte aber mit Ecken und Kanten, die er sogar zumindest in der ersten Euphorie des Europawahlergebnisses als eine „kleine Volkspartei sah.




Wahldaten als parteitypische Indikatoren



Im Folgenden sollen die Wählerstrukturen der AfD bei der Europawahl 2014 nach Fakten analysiert werden, die für eine sachlich korrekte politische Einordnung der AfD hilfreich sein können.

Dabei lässt sich eine breite, wenn auch nicht sehr einheitliche sozialräumliche Auswertung der Wahlergebnisse der Europawahl, der vorhergehende Bundestagswahl und in mehreren Bundesländern auch bei Kommunalwahlen für die AfD in einer Reihe von Großstädten zugrunde legen.

Entsprechende Ergebnisse in Form von Wahlatlanten, mit deren Hilfe sich ökologische Korrelationen zwischen Wähleranteilen und sozialstrukturellen Indikatoren ermitteln lassen, liegen sowohl für Städte in den neuen Bundesländern (Dresden) als auch für westdeutsche Bundesländer vor (Düsseldorf, München und Oberhausen).

Hinzu kommen Auswertungen für sozialräumliche Gebietstypen in Berlin, Hannover und Nürnberg, wobei die Berliner Statistiker zwischen dem westlichen und östlichen Teil ihrer Stadt unterscheiden.

Ergänzend lassen sich Auswertungsdaten aus Bremen heranziehen, wo die Daten in einem speziellen Typisierungsschema aufbereitet wurden, das sich enger an die Sozialraumanalyse anlehnt als die stärker empirisch gewonnenen Klassifikationen in Berlin, Hannover und Nürnberg.




Starke und schwache Länderergebnisse


Beginnt man die Analyse mit den Daten des Bundeswahlleiters, der die Anteile der Parteien bei der Europawahl für Bundesländer und Kreise ausweist, lassen sich die Hochburgen der AfD bestimmen. Dabei werden deutliche Unterschiede sichtbar, auch wenn die räumliche Verteilung nicht ohne weiteres eindeutige Schlussfolgerungen zulässt.


Bundesländer mit den höchsten und niedrigsten AfD-Anteilen sowie den Gewinnen und Verlusten der anderen Parteien bei der Europawahl 2014 in %


Bundesland
AfD
CDU/ CSU
Grüne
FDP
Linke
Wahlbeteiligung
Hohe AfD-Anteile






Sachsen
10,1
-0,8
-0,7
-7,2
-1,7
1,7
Hessen
9,1
-5,8
-2,1
-8,6
1,7
4,3
Brandenburg
8,5
2,5
-2,3
-5,3
-6,3
16,8
Bayern
8,0
-7,6
0,5
-6,0
0,6
-1,6
Baden-Württemberg
7,9
0,6
-1,8
-9,9
0,6
0,0
Berlin
7,9
-4,3
-4,5
-5,9
1,5
11,5
Durchschnitt
8,6
-2,6
-1,8
-7,2
-0,6
5,5








Niedrige AfD-Anteile






Sachsen-Anhalt
6,3
1,6
-0,6
-5,9
-1,8
5,2
Hamburg
6,0
-5,2
-3,3
-7,4
1,9
8,7
Bremen
5,8
-2,1
-4,5
-5,6
2,4
1,5
Niedersachsen
5,4
0,2
-1,6
-7,7
0,0
8,6
Nordrhein-Westfalen
5,4
-2,4
-2,4
-8,3
0,1
10,5
Durchschnitt
5,8
-1,6
-2,5
-7,0
0,5
6,9
Quelle: www.bundeswahlleiter.de



Dieser Überblick auf Länderebene macht deutlich, dass es kein einheitliches Muster für die Gewinne der AfD gibt. Die Verluste der anderen Parteien unterscheiden sich praktisch nicht, ganz gleich ob die AfD in den Bundesländern viele oder wenige Wähler gewonnen hat. Wenn man einen Austausch von Wählern, der über mehrere Parteien verläuft als wenig wahrscheinlich ausschließt, entsprechen den hohen AfD-Gewinnen in der Regel hohe Verluste der FDP. Diese Wanderung erklärt den AfD-Anteil jedoch nicht in jedem Fall. In Bayern scheint auch die CSU und in Brandenburg sogar die Linke an die AfD verloren zu haben. In Berlin kann sich das AfD-Resultat sogar neben Gewinnen von der CDU durch die hier besonders hohen Verluste der Grünen erklären lassen.

Während sich die hohen AfD-Ergebnisse damit rein rechnerisch aus Verlusten mehrerer Parteien erklären lassen, können für die niedrigeren Anteilswerte der Alternative für Deutschland, wenn man von Bremen absieht, sogar die Verluste der FDP allein verantwortlich sein.

Eine „rechtspopulistische“ AfD wäre damit vor allem eine Partei von Wählern, die früher, als sie noch ihre Kreuze bei der FDP gemacht haben, als liberal gegolten haben.

Diese grobe Auswertung lässt sich präzisieren, wenn man statt der Bundesländer Kreise als räumliche Bezugsgrößen wählt. Allerdings ändern sich dadurch nicht die Schlussfolgerungen zur Herkunft der AfD-Wähler. Es scheint sich größtenteils um ehemalige FDP-Anhänger zu handeln, zu denen allerdings in Ostdeutschland noch Wähler der Linken und in einigen westdeutschen Bundesländern - so in Hessen und Bayern – ehemalige Wähler der CDU und CSU hinzugekommen sind.


Regionale Hochburgen der AfD (Wähleranteile in %)

Kreis
AfD
CDU/ CSU
FDP
Grüne
Linke
Wahlbeteiligung
NPD
Pforzheim
14,5
-1,4
-10,9
-2,3
1,4
-3,6
0,8
Frankfurt (Oder)
12,8
-0,4
-3,9
-1,0
-6,9
13,0
1,6
Sächs. Schweiz
12,5
-1,8
-7,1
-1,1
-2,0
2,2
5,7
Meißen
12,2
-1,4
-6,9
-1,2
-2,0
3,1
4,0
Görlitz
11,8
0,5
-6,4
-0,9
-2,9
3,0
4,3
Main-Taunus-Kreis
11,7
-8,5
-10,0
-2,2
1,2
4,3
0,5
Enzkreis
11,5
1,1
-10,6
-2,7
0,1
1,8
0,8
Erzgebirgekreis
11,4
-0,2
-7,3
-0,5
-2,4
2,8
4,3
Gera
11,2
-0,2
-6,2
-1,3
-2,5
-2,2
2,8
Memmingen
11,1
-12,1
-6,4
-0,1
0,8
-1,2
1,0
Durchschnitt
12,1
-2,4
-7,6
-1,3
-1,5
2,3
2,6
Deutschland
7,0
-2,5
-7,6
-1,4
-0,1
4,9
1,0

Die teilweise angenommene Ähnlichkeit von AfD und NPD mit Hochburgen im Grenzgebiet von Sachsen (Keller und Locke) und Brandenburg ist also keineswegs typisch und entscheidend für den Erfolg der AfD.

Dafür lassen sich gleich mehrere Argumente ins Feld führen. So ist bei der Europawahl anders als bei der Bundestagswahl keine Konzentration der AfD-Hochburgen auf diesen Teil Deutschlands festzustellen. Pforzheim (Bangel), der Raum Main-Taunus als Wohngebiet zahlreicher Wähler, die in Frankfurt arbeiten, und der Raum Augsburg/Memmingen (Bürzle und NN) liegen weit entfernt von den Grenzen Polens und Tschechiens. Auch hat die NPD in den ostdeutschen Grenzkreisen weiterhin hohe Anteile, sodass hier die Wähler sehr deutlich zwischen den beiden Parteien unterscheiden, es sich also für die Wähler nicht um einen vielleicht mehr oder weniger demokratischen braunen Rand des deutschen Parteienspektrums handelt. 



Europapolitische Eintagsfliege oder stabile Ergänzung des deutschen Parteienspektrums



Kritiker sehen die AfD nicht nur als rechtspopulistisch und wollen sie daher wie der CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag von zukünftigen Koalitionsgesprächen ausschließen.

Ein zweites Manko sehen sie in dem geringen Alter und den damit verbundenen Kinderkrankheiten der Partei und einer häufig noch fehlenden lokalen Präsenz in der Fläche, wie sie sich beispielsweise in erfolgreichen Kandidaturen für Gemeinde- und Stadträte zeigen würde. Für sie ist die AfD so praktisch eine Ein-Thema-Partei, die eigentlich nur ein Programm für eine Europawahl vorzuweisen hat.

Diese negative Zukunftsprognose wird entsprechend einer Nachwahlumfrage von vielen Wählern geteilt, denn fast zwei Drittel glauben, „dass die AfD bei der Europawahl hauptsächlich gewählt wurde, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen.“

Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass „60 % Zweifel an einem langfristigen Erfolg der Partei“ äußern. Daher fänden gegenwärtig auch nur 10 % der repräsentativ ausgesuchten Befragten eine Koalition zwischen der CDU/CSU und der AfD gut.

Die AfD-Anhänger selbst, die für die Kontinuität der Partei wichtiger sein dürften, beurteilen diese Fragen verständlicherweise anders. Für 84 % von ihnen wird sich ihre Partei auf lange Sicht behaupten und 67 % der Anhänger würden eine Koalition mit der CDU/CSU begrüßen.


Die vorläufigen Antworten der AfD-Wählerstruktur



Auf die beiden Fragen können sozialräumliche Wahlanalysen, wie sie hier vorgestellt werden, nur bedingt Antworten geben. Das gilt nicht nur für einer hellseherische Prognose möglicher Zukunftsüberlegungen der Parteiführung, sondern auch für die sozialräumliche Verteilung der Wähler und die Stabilität der Wählerstruktur.




Die sozialräumliche Verteilung in Bremen


Im kleinsten Bundesland Bremen wurde bereits für die Bundestagswahl 2013 eine Analyse der AfD-Stimmenanteile in verschiedenen Sozialraumtypen vorgenommen. Dabei ließen sich deutliche Zusammenhänge erkennen, die im Folgenden weiterverfolgt werden sollen. Die AfD wies damals eine sozialräumliche Wählerverteilung in Bremen auf, die sich deutlich von der der Grünen unterscheidet, während sie der der CDU eher ähnelt.


 
Partei
WiN-Gebiete
Single-Gebiete
Gebiete mit wenigen Ausländern
Gebiete mit hohem soziale Status
Gebiete mit vielen alten Menschen
SPD
43,1
25,2
34,3
26,6
34,4
CDU
18,5
10,9
31,3
26,8
27,5
Grüne
9,5
31,8
14,5
23,7
15,1
FDP
1,8
1,9
3,6
6,4
4,4
Linke
12,5
17,3
5,0
7,1
6,2
Piraten
2,2
3,5
1,1
1,6
1,3
AfD
6,5
3,0
6,8
4,7
7,5
NPD
1,1
0,3
0,5
0,1
0,4







Wahlbeteiligung
26
49,3
49,4
59,8
47,2




Die aktuelle Verteilung der Wähleranteile in wichtigen sozialräumlichen Typen bei der Europawahl zeigt ein Dreivierteljahr nach der Bundestagswahl dreierlei.

Besonders auffallend ist weiterhin die Schwäche der AfD in den alternativ geprägten innenstadtnahen Wohngebieten, für die in Bremen als Auswahlkriterium der Anteil der Einpersonenhaushalte von der Statistik angeboten wird. In diesen Single-Gebieten ist die AfD besonders schwach, während die Grünen und in der Europawahl auch die Linke hier ihre Hochburgen besitzen.

Stattdessen entsprechen die Hochburgen der AfD stärker denen der CDU, da beiden Parteien dort relativ viele Wähler finden, wo sich die Folgen der Globalisierung weniger stark zeigen. Das sind Quartiere, in denen zahlreiche ältere Menschen und nur wenige Ausländer leben.

Deutlich weicht die Verteilung der AfD-Wähler von der der Anhänger der NPD ab, die vor allem in den sozial benachteiligten Gebieten Bremens relativ stark sind. Diese Quartiere haben zwar noch weiterhin relativ hohe AfD-Anteile wie bereits bei der Bundestagswahl. Dennoch mussten sie ihren Spitzenplatz abgeben, da offenbar die aktuellen Wähler der AfD verstärkt aus sozialräumlichen Milieus stammen, wo es etwas länger gedauert hat, bis sie zu einer neuen Partei gewechselt sind.



Die AfD und Bremens Wutbürger



Neben den politischen Parteien, bei denen es in Bundes- und Europawahlen keine Unterschiede zum Bund gibt, weist das Zwei-Städte-Land Bremen bei den Bürgerschafts-, wie hier die Landtagwahlen heißen, und den Beiratswahlen, die sich auf die Gremien der Stadtteile beziehen, eine Besonderheit auf.

In Bremen existiert eine Wählergruppe, die ursprünglich als eine Nachfolgerin der Schill-Partei bundesweit aktiv werden wollte, sich de facto jedoch auf Bremerhaven und vor allem die nördlichen Stadtteile Bremens beschränkt. Diese Bürger in Wut (BiW), die programmatische Ähnlichkeiten mit der AfD besitzen, da sie ebenfalls EU-kritisch sind und eine geregelte Einwanderungspolitik fordern, lassen sich daher als eine Bremer Regionalpartei einordnen.

In der letzten Zeit hat diese Wählervereinigung durch den Übertritt von Beiratsmitgliedern der CDU in einem Nordbremer Stadtteil an Gewicht gewonnen, da sich die Wutbürger als eine Wiederauflage der CDU aus der Kohl-Ära darzustellen scheinen.

In den Bremer Bürgern in Wut kann man daher einen möglichen Entwicklungstyp für die AfD sehen, wenn sie auch ehemalige CDU-Wähler um sich sammelt, die der unter der Bundeskanzlerin gewendeten CDU-Politik skeptisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen, ganz gleich ob es sich dabei um die Energie-, die Verteidigungs- oder die Familienpolitik handelt.



Hier ist daher anhand der Wahldaten zu prüfen, ob die AfD von dieser Wählerbasis der Wutbürger in Teilen Bremens profitieren konnte, sodass man von einer Besetzung sehr benachbarter Positionen im Parteienspektrum sprechen kann.


AfD und Bürger in Wut bei der Europawahl 2014 und der Bürgerschaftswahl 2011 im Bremer Norden


Region
Land Bremen
Stadt Bremen
Bremerhaven
Bremen-Nord
Wahlbeteiligung
40,3
41,5
34,6
35,4
CDU/ CSU
22,4
21,6
27,1
24,8
SPD
34,4
33,5
39,2
38,2
Grüne
17,6
18,8
10,2
11,9
Linke
9,6
9,8
8,0
7,2
AfD
5,8
5,8
6,0
7,5
FDP
3,3
3,5
2,3
3,6
Piraten
2,0
2,1
1,7
1,5
NPD
0,6
0,5
1,0
0,8
Bürgerschaftswahl




Bürger in Wut (2)
3,7
3,1
7,4

Quelle: Wahlstatistik Bremen.



Nach den Tabellen, in denen die Wahlergebnisse von AfD und Wutbürgern in den letzten drei Bremer Wahlen für die drei Stadtteile des Bremer Nordens und von Bremerhaven verglichen werden, lässt sich kein eindeutiges Resultat ableiten. Zumindest waren die Wutbürger 2011 erfolgreicher als die AfD, und das trotz einer höheren Wahlbeteiligung bei der Bürgerschaftswahl gegenüber der Europawahl. Alle Wähler der BiW aus dem Jahre 2011 haben damit zumindest bei der Europawahl 2014 nicht ihre Stimme für die AfD abgegeben, auch wenn sich die Hochburgen beider Gruppierungen im Bremer Norden weitgehend decken.


AfD und Wutbürger in den Nordbremer Stadtteilen



BiW 2011
AfD 2013
AfD 2014
Blumenthal
8,5
5,0
7,7
Burglesum
6,0
4,2
7,3
Vegesack
8,4
4,5
7,4





Bremerhaven
7,1
4,2
6,0
Quelle: Wahlstatistik Bremen.

Große Übereinstimmungen weisen auch die ökologischen Korrelationen auf. Das gilt sowohl für die Gegensätzlichkeit zur Verteilung der Grünen, die ihre Schwerpunkte in Quartieren mit vielen Einpersonenhaushalten und wenigen Kindern besitzen, als auch eine leichte Konzentration auf Viertel mit einem geringen sozialen Status. Zumindest in Bremen sind die Wutbürger und die AfD also eine „CDU des kleinen Mannes“, die in den Vierteln mit einem hohen sozialen Status, also den Hochburgen von CDU und FDP, relativ schlecht abschneidet. So besteht bei der CDU anders als bei AfD und BiW eine hohe positive Korrelation mit dem Gymnasiastenanteil, der als Indikator für den sozialen Status eines Gebietes in Bremen zur Verfügung steht.



Ökologische Korrelationsdaten aus Wahlatlanten


Neben diesen Auswertungen der Bremer Daten, wo die AfD bei der Europawahl trotz der höheren Ergebnisse im Stadtbezirk Nord insgesamt mit unter 6 % relativ schwach war, lassen sich weitere sozialräumliche Analysedaten aus den Wahlatlanten von Dresden, Düsseldorf, München und Oberhausen ermitteln.


Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf



In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf erreichte die AfD bei der Europawahl 2014 5,7 % und bei der gleichzeitig stattgefundenen Stadtratswahl 3,0 %. Dieser Anteil reichte für zwei Sitze im 82-köpfigen Stadtrat. Dabei lag das beste Ergebnis für einen Kommunalwahlbezirk bei 4,2 %. (Düsseldorf, S. 27)

Wie in Bremen so unterscheidet sich auch in Düsseldorf die sozialräumliche Verteilung der AfD deutlich von der der Grünen. Das gilt sowohl für das gesamte Verteilungsmuster, wie es sich in den Korrelationen zwischen den Parteianteilen niederschlägt als auch bei den Zusammenhängen mit sozialstrukturellen Merkmalen Hier ist die AfD ebenfalls schwach, wenn in einem Quartier besonders viele 25- bis 45-jährige leben, während die Grünen in diesen Gebieten ihre Hochburgen besitzen.

Die Ähnlichkeit mit der CDU ist hingegen in Düsseldorf geringer als in Bremen. So besteht keine Korrelation zwischen den Anteilen der beiden Parteien. Übereinstimmend ist die ausgeprägte Sesshaftigkeit der Wähler beider Parteien, während auch hier die AfD-Wähler eher in Vierteln mit einem geringeren sozialen Status als die CDU-Wähler leben, wenn man auf den Hauptschüleranteil und die Wohnungsgröße als Indikatoren verwendet, die von der Düsseldorfer Statistik im Wahlatlas zur Verfügung stehen.


Ökologische Korrelationen zwischen den Anteilen ausgewählter Parteien und Sozialindikatoren bei der Europawahl 2014 in Düseldorf

Indikator
CDU
SPD
Grüne
Linke
AfD
Frauenanteil
0,27
-0,11
-0,16
-0,41
0,02
Migrantenanteil
-0,72
0,6
0,22
0,77
0,05
Ausländeranteil
-0,62
0,37
0,41
0,67
-0,13
Alter





Unter 18
0,33
-0,05
-0,56
-0,26
0,28
18 - 25
-0,66
0,65
0,24
0,73
0,01
25 - 35
-0,61
0,22
0,76
0,65
-0,41
35 - 45
0,1
-0,46
0,42
-0,09
-0,33
45 - 60
0,52
-0,18
-0,6
-0,52
0,37
60 - 70
0,46
-0,33
-0,41
-0,59
0,34
70 und mehr
0,38
-0,09
-0,47
-0,51
0,18
Gymnasiastenanteil
0,42
-0,45
-0,12
-0,58
0,31
Hauptschüleranteil
-0,71
0,73
0,13
0,79
-0,03
Anteil sozialversichungpflichtig Beschäftigter
0,11
0
0,16
-0,15
-0,19
Arbeitslosenquote
-0,79
0,81
0,15
0,82
0,02
SGB II-Quote
-0,77
0,81
0,11
0,82
0,04
Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser
0,58
-0,3
-0,53
-0,55
0,21
Durchschnittl. Wohnungsgröße
0,77
-0,66
-0,49
-0,78
0,28
Wohndauer





Unter 4 Jahre
-0,39
-0,03
0,6
0,39
-0,28
4 - 10 Jahre
-0,04
-0,01
0,1
0,12
-0,16
Über 10 Jahre
0,38
0,04
-0,61
-0,42
0,33
Quelle: Wahlatlas Düsseldorf.


Dieses räumliche Verteilungsmuster führt in Düsseldorf genau wie in Bremen zu einer hohen negativen Korrelation mit den Anteilen der Grünen. Die Wähler der beiden Parteien konzentrieren sich also auf unterschiedliche Quartiere, indem bei hohen AfD-Anteilen der Anteil der Grünen niedrig ist und umgekehrt. Abgeschwächt gilt ein ähnlicher Zusammenhang auch für die Verteilung der Wähler der Linken. Mit den Wählen der beiden großen Parteien CDU und SPD besteht hingegen kein Zusammenhang.


Ökologische Interkorrelationen zwischen den Anteilen ausgewählter Parteien bei der Europawahl 2014 in Düsseldorf


Partei
CDU
SPD
Grüne
FDP
Linke
AfD
CDU
1
-0,78
-0,54
0,5
-0,89
0,02
SPD

1
0,03
-0,77
0,67
0,09
Grüne


1
-0,07
0,56
-0,51
FDP



1
-0,6
0,08
Linke




1
-0,23
AfD





1
Quelle: Wahlatlas Düsseldorf.


   Streuungsdiagram und Korrelationskoeffizient (Quelle: Wahlatlas Düsseldorf)



Die sächsische Landeshauptstadt Dresden



Das AfD-Ergebnis in Dresden erreichte in der Europawahl 2014 9,5 % fast einen zweistelligen Prozentwert und lag damit sehr deutlich über den Resultaten in Bremen und Düsseldorf. Verlierer waren in der ehemaligen Residenzstadt an der Elbe neben der FDP auch die CDU mit -4,2 %, die also gegenüber dem deutschen Gesamtergebnis eine deutliche Einbuße erlitt. Die NPD kam gleichzeitig auf 2,3% der Stimmen.

Die Hochburgen sind ehemalige Gemeinden am Stadtrand wie Oberwartha mit 19,0, Großzschachwitz mit 18,2 und Schönborn mit 18,1 %



Bisher wurde für Dresden nur ein Wahlatlas mit AfD-Daten für die Bundestagswahl 2013 veröffentlicht. In dieser Wahl ähnelte die räumliche Verteilung der AfD-Stimmen im Parteienvergleich relativ stark der CDU (r = 0,58), während sie von der der Grünen (r = -0,7) und der der SPD (r = -0,53) mehr oder weniger klar abwich.


Betrachtete man die sozialräumliche Verteilung, so besteht bei den AfD-Anteilen praktisch keine Korrelation mit dem Transferstatus (Hartz IV-Empfänger, Arbeitslose), jedoch eine negative mit dem Ausländerstatus ( Migrationshintergrund r = -0,58). Einen relativ schwachen Zusammenhang findet man in Dresden mit dem sozialen Status, wenn man Indikatoren des Wohnungsmarktes verwendet. Hier bestehen geringe Korrelationen mit der Wohnungsgröße (r = 0,17) und dem Wohnen in Eigenheimen (r = 0,38). Diese Korrelationen sind allerdings deutlich geringer als die entsprechenden Werte für die CDU mit r=0,60 bzw. r= 0,72.

Vergleichsweise deutlich sind hingegen die Verbindungen mit dem familialen Status, woraus sich auch das von den Wählern der Grünen abweichende Verteilungsmuster erklärt. Hier sind die AfD-Wähler vor allem dort zu finden, wo Haushalte mit Kindern (r = 0,52) leben. Das schlägt sich auch in den Korrelationen ihrer Anteilswerte mit der Altersverteilung nieder. So besteht eine negative Korrelation mit der Altersgruppe der 18-bs 40-jährigen. (r = -0,56). Diese Konzentration auf Wohngebiete mit Familien und Eigenheimen, also auf Quartiere mit einem hohen traditionellen familialen Status, wird auch durch negative Korrelation mit dem Anteil der Einpersonenhaushalte (-0,39) und eine längere Wohndauer (0,41 ) bzw. einen niedrigen Wanderungssaldo (-0,41) abgesichert.

Die AfD war also bei der Bundestagswahl 2013 in Dresden in Gebieten stark, wo noch ein eher klassisches Familienmodell dominiert, also Verheiratete mit Kindern in Einfamilienhäusern im Grünen leben.



Die AfD in der Hauptstadt des bayerischen Freistaates: München

                                                    Quelle: Wahlatlas München.


Die Münchner Stadt- und Wahlstatistiker stellen nicht nur einen Wahlatlas für eigene Auswertungen zur Verfügung. Sie nehmen auch selbst bereits ein Analyse vor (München, S. 10). Darin konstatieren sie auch deutlich erkennbare Zusammenhänge für den Anteil der AfD: „Bei der AfD ist ein klarer Zusammenhang mit dem demografischen Merkmal „verheiratet“ zu erkennen (R² bei 66%). Je mehr Verheiratete in einem Stadtbezirk wohnen, umso eher wird die AfD gewählt“.

Als „besonders deutlich“ stellen die Münchener Statistiker einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Wahl der AfD in der Altersgruppe der über 60-Jährigen Wähler (R² bei 64%). Während mit höheren Anteilen dieser Altersgruppe die Häufigkeit einer Stimmabgabe zugunsten der AfD steigt, verhält es sich bei den Altersgruppen der 25- bis 34-jährigen Wähler und den 35- bis 44- jährigen Wähler umgekehrt, da hier eine negativer Zusammenhang besteht. (R² bei 62% bzw. 61%).


Da in den Münchener Atlanten inzwischen die Daten zu drei Wahlen zur Verfügung stehen, an denen sich die AfD beteiligt hat, kann man dieses aktuelle statische Bild durch einen Blick auf den Zeitraum seit der Bundestagswahl am 22. September 2013 erweitern.


Ökologische Korrelationen zwischen den AfD-Anteilen und ausgewählen Strukturindikatoren (Basis: die 28 Münchener Stadtteile)


Sozialindikator
Bndestagswahl 2013
Stadtratswahl 2014
Europawahl 2014
Einwohner








Deutsche
-0,09
-0,15
-0,11
EU-Ausländer
-0,35
-0,30
-0,34
Nicht-EU-Ausländer
0,32
0,48
0,46
Migrationshintergrund
0,34
0,41
0,40
Ledige
-0,73
-0,68
-0,84
Verheiratete
0,66
0,63
0,81
Wahlberechtigte



18 - 24
0,12
0,19
0,18
25 - 34
-0,70
-0,63
-0,79
35 - 44
-0,84
-0,77
-0,78
45 - 59
0,40
0,39
0,57
60 und mehr
0,83
0,73
0,80
Einpersonenhaushalte
-0,55
-0,54
-0,75
Haushalte mit Kindern
0,43
0,46
0,67
Durchschnittl. Wohndauer
0,68
0,61
0,76
SV-Beschäftigtendichte
0,14
0,14
0,08
Arbeitslosendichte
0,39
0,41
0,47
Hartz IV-Empfänge-Dichte
0,49
0,56
0,60
Quelle: Wahlatlas München.


Die ökologischen Korrelationskoeffzienten für die drei Wahlen weisen seit Ende September 2013 für München echt stabile Zusammenhänge aus. Wie in Bremen, Dresden und Düsseldorf findet man hier ebenfalls hohe negative Beziehungen zu den Indikatoren, die für alternative Stadtviertel typisch sind, also für Wahlberechtigte im Alter zwischen 25 und 45 Jahre, eine geringe Wohndauer und Single-Haushalten bzw. nur relativ wenige Haushalte oder Familien mit Kindern.

Abweichend von Bremen besteht jedoch in München ein Zusammenhang zu Sozialindikatoren, die für einen höheren Transferstatus stehen. Zu nennen sind hier die Arbeitslosen- und die Hartz IV-Empfänger-Dichte sowie der Migranten- und Ausländeranteil. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Indikatoren in München deutlich niedrige sind als in Bremen, sodass man von einem vergleichsweise unterschiedlich Grad von sozialer Benachteiligung ausgehen muss, da beispielsweise die Hartz IV-Empfänger ein Quartier in München weniger stark prägen als die spezielle ausgewiesenen WiN-Gebiete in Bremen.

Bei den Korrelationen zwischen den Parteianteilen fällt einerseits die Stabilität in der Richtung der Korrelationen auf. Die Verteilung der 
AfD-Wähler ähnelt vor allem der der beiden großen Parteien, wobei allerdings die so erfasste Gleichverteilung über die Stadtbezirke mit der SPD nur ein relativ gering ausfällt. Hohe negative Korrelationen bestehen hingegen mit den Anteilswerten von der FDP, der Linken und vor allem den Grünen.

Andererseits kann man feststellen, dass die Werte bei der Europawahl in allen Fällen höher sind als bei der Bundestagswahl ein Dreivierteljahr früher. Daraus kann man möglicherweise auf die Herausbildung einer für die AfD typischen Wählerverteilung schließen, die noch stärker von einer rein zufälligen räumlichen Streuung der Wähler im September 2013 abweicht, die allerdings auch schon damals nicht zufällig war.

Interkorrelationen der Anteile der AfD mit ausgewählten anderen Parteien (Stadtbezirke)

Partei
Bundestagswahl 2013
Stadtratswahl 2014
Europawahl 2014
CSU
0,64
0,54
0,76
SPD
0,10
0,49
0,27
Grüne
-0,87
-0,82
-0,93
Linke
-0,39
-0,49
-0,58
FDP
-0,30
-0,32
-0,43
Quelle: Wahlatlas München.


Die Ruhrgebietsstadt Oberhausen



Die alte Industriestadt Oberhausen, die aus den drei städtischen Kernen und heutigen Stadtbezirken Alt-Oberhausen, Osterfeld und Sterkrade entstanden ist und seit Jahren mit gravierenden sozialen Problemen zu kämpfen hat, weist gegenüber den größeren Landeshauptstädten eine deutlich abweichende Stadtstruktur auf. So findet man hier eine mehrpolige Stadtlandschaft, in der die alten verdichteten Kerne hohe Arbeitslosen- und Hartz IV-Empfänger-Quoten aufweisen. Zudem fehlen Hochschulen, sodass sich kaum Ortsteile mit einer Alternativkultur herausgebildet haben.

Strukturbestimmend sind vielmehr zahlreiche Wahlbezirke in der Mitte es Stadtgebiets, die bereits seit mindestens einem Jahrzehnt, wie de Wahlatlas zeigt, eine geringe Wahlbeteiligung aufweisen.




   Wahlbeteiligung 2004 - 2014  (Quelle: Wahlatlas Oberhausen)


Diese wenig strukturierte Bevölkerungsverteilung führt zu insgesamt nur relativ geringen ökologischen Korrelationen. Da gilt nicht nur für die AfD, sondern beispielsweise auch für die Grünen. Hohe Werte weist nur die Linke auf, die vor allem in Gebieten mit vielen jüngeren Einwohnern und mit einer hohen Arbeitslosenquote stark ist. Dasselbe gilt für den Anteil der Haushalte von Alleinerziehenden, der in Oberhausen hoch mit der Arbeitslosenquote korreliert (r= 0,74 ). Diese räumliche Koinzidenz zeigt sich auch bei den Werten für die Linke.

Dieser Zusammenhang dürfte auch den hohen Wert von r = 0,42 für die AfD erklären, die in den sozial benachteiligten Parteien relativ stark ist und sich dadurch sozialräumlich stark von der CDU unterscheidet.



Ökologische Korrelationen zwischen Stimmenanteilen und ausgewählten Sozialindikatoren bei der Europawahl 2014



Indikator
CDU
SPD
Grüne
Linke
FDP
AfD
Ausländer
-0,39
-0,16
0,08
0,71
-0,39
-0,11
18 - 25
-0,46
-0,07
-0,24
0,66
-0,43
0,16
25 - 35
-0,49
-0,34
0,19
0,80
-0,24
0,21
35 - 45
-0,57
-0,03
0,32
0,62
-0,38
-0,13
45 - 60
0,29
0,25
-0,19
-0,69
0,29
0,10
60 und mehr
0,52
0,09
-0,13
-0,60
0,30
-0,01
Haushalte mit Kindern
-0,3
0,28
-0,03
0,16
-0,37
-0,30
Alleinerziehende
-0,42
-0,31
0,00
0,76
-0,25
0,42
Arbeitslose
-0,41
-0,29
0,07
0,78
-0,28
0,21
Quelle: Wahlatlas Oberhausen.

Dieses Verteilungsmuster hat offenbar auch zu der positiven Korrelation zwischen den AfD-Anteilen und denn der Linken geführt, die sogar leicht höher ist als die mit den CDU-Werten. Die übliche Gegensätzlichkeit zur Verteilung der grünen Wähler gilt jedoch auch in Oberhausen, obwohl sie hier nicht ganz so stark ausgeprägt ist wie in anderen Städten.





CDU
SPD
Grüne
Linke
FDP
AfD
CDU
1,00
-0,48

0,07

-0,54

0,40

0,21
SPD


1,00
-0,49

-0,33

-0,42

-0,09
Grüne





1,00
0,05

0,36

-0,32
Linke








1,00
-0,29

0,22
FDP











1,00
0,06
AfD














1,00
Quelle: Wahlatlas Oberhausen.

Die Analyse der Städtestatistiker für die Bundeshauptstadt Berlin


Neben den Städten mit einem Wahlatlas beschäftigen sich auch die Wahlstatistiker einer Rehe anderer Städte mit einer sozialräumlichen Auswertung der Wahlergebnisse. Dabei nimmt man in der Bundeshauptstadt sogar eine Differenzierung zwischen den beiden Teilen der früher geteilte Metropole vor, durch die einige weiterhin bestehende Unterschiede sichtbar werden.

Die Berliner Stadt- und Wahlstatistiker sehen die AfD vor allem in „traditionellen Gebieten“ (Amt für Statistik) erfolgreich. Damit sind konkret Wahlregionen mit einem hohen Anteil älterer Personen sowie mit einer hohen Wohndauer gemeint.


Unterdurchschnittlich schnitt die Partei AfD hingegen in Wahlregionen ab, die durch einen hohen Anteil Jüngerer gekennzeichnet sind. Dies traf auf beide Stadthälften zu (Ostteil r = -0,67, Westteil r = -0,79). Dasselbe galt für Wahlregionen mit einem hohen Ausländerteil und einem hohen Anteil von deutschen mit einem Migrationshintergrund, wo die AfD ebenfalls weniger gut abschnitt als im Berliner Durchschnitt.

Für die Indikatoren, die den Tranferstatus erfassen, fanden die Berliner Wahlstatistiker einen negativen Zusammenhang. So sprechen sie für den Westteil der Stadt von einem „unterdurchschnittlichen Zusammenhang zwischen der Partei AfD und den Wahlregionen mit hoher SGB II-Quote (r = -0,65) und einfacher Wohnlage (r = -0,56).


Ökologische Korrelationen zwischen den AfD-Anteilen und ausgewählten Sozialstrukturindikatoren


Sozialstrukturmerkmal
Osten
Westen
18 - 30
-0,67
-0,79
30 - 65
-0,21
-0,41
65 und mehr
0,57
0,82
Einwohnentwicklung 2009 - 2013
-0,47
-0,29
Kirchenzugehörigkeit
-0,44
0,81
Deutsche mit Migrationshintergrund
-0,43
-0,59
Ausländer
-0,59
-0,79
SGB II-Quote
-0,33
-0,65
Einfache Wohnlage
-0,14
-0,56
Mittlere Wohnlage
0,05
0,31
Gute Wohnlage
0,18
0,35
Wohndauer 5 Jahre und mehr
0,77
0,7
Quelle: Amt für Statistik, S. 4.


Wenn man die Daten für die beiden Teile der Stadt genauer betrachtet, fallen daneben weitere Unterschiede auf, die man aus AfD-Hochburgen im Westen der Stadt erklären kann, in denen gut bürgerliche AfD-Wähler in Rentnervierteln mit guter Wohnlage leben, wo kaum jemand Transferleistungen bezieht oder aus der Kirche ausgetreten ist.



Die Analyse für die mittelfränkische Metropole Nürnberg


Die Nürnberger Stadt- und Wahlstatistiker weisen gleich zu Beginn ihrer Wahlanalyse der Europawahl auf das große Gewicht der AfD hin, wenn sie feststellen, dass die Linke „ihre bisherige Rolle als viertstärkste Kraft .. bei der Europawahl an die AfD abtreten“ musste, „die aus dem Stand heraus 8,4 % in Nürnberg schaffte.“ (Nürnberg)


Die Herkunft der Wähler ist dabei für sie kein Geheimnis, auch wenn sie ihre Erklärung wegen der möglichen politischen Brisanz sehr vorsichtig ausdrücken: „Die Tatsache, dass die AfD ihre besten Ergebnisse in den bisher von der CSU besetzten Wahlbezirkstypen erreicht hat - die Union dort aber am stärksten verloren hat - lässt zudem die Vermutung zu, dass einige bisherige CSU-Wählerinnen und -Wähler ihr Kreuzchen bei der Europawahl bei der europakritischen AfD gemacht haben.“

Ein Blick auf die Gebietstypen der Nürnberger Stadtforscher kann diese Aussagen weiter illustrieren.



Anteile der Parteien in den Nürnberger Gebietstypen bei der Europawahl 2014 (in %)


Partei
Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Typ 5
CSU
20,7
20,6
26,2
31
27,5
SPD
28,5
28,5
31,8
31,4
29,3
Grüne
21,5
17,1
13,1
13,1
13,9
FDP
3,3
2,1
2,3
2,8
2,7
Linke
7,3
10,8
6,9
3,9
6
AfD
6,9
7,7
8,8
8,4
8,9
Quelle: Stadt Nürnberg, S. 8.


In der Nürnberger Gebietstypisierung stimmen die Typen 1 und 2 mit den alternativ geprägten innenstadtnahen Altbaugebieten (Typ 1) und den sozial benachteiligten Gebieten in anderen Städten weitgehend überein. Hier erzielte auch in Nürnberg die AfD unterdurchschnittliche Ergebnisse, wie das auch für Bremen festzustellen war.

In den drei weiteren Typen hat die AfD deutlich besser abgeschnitten. An der Spitze lagen dabei die Ergebnisse im Typ 5, der für jüngere Siedlungen mit einem hohen familialen Status steht. Ähnlich hoch mit nur 0,1 Prozentpunkten weniger fiel das Resultat in den Ein- und Zweifamilienhausgebieten mit einer älteren Einwohnerschaft (Typ3) aus.

Nicht ganz so erfolgreich war die AfD im Raumtyp 4, wo die Hochburgen der CSU liegen. Dabei handelt es sich um Ein- und Zweifamilienhausgebieten wie beim Typ 3, allerdings mit jüngeren Haushalten. Man könnte daher bei diesem Typ von einer Kombination aus einem hohen familialen Status und einem höheren sozialen Status wie beim Typ 5 sprechen, der auch Mehrfamilienhäuser einschließt und daher insgesamt einen niedrigeren sozialen Status aufweist.

Auch durch diese typisierende Auswertung, die ohne ökologische Korrelationen auskommt, werden damit die zentralen Ergebnisse für die anderen Städte bestätigt. Die AfD ist eine Partei, die die höchsten Wähleranteile in eher traditionellen Quartieren erreicht, die weder von der Entstehung einer Alternativkultur noch von den Folgen er Globalisierung stark betroffen sind.



Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover



Von den bisher vorgestellten Auswertungen unterscheiden sich die Analysen der Hannoveraner Statistiker, weil sie sich auf die Region Hannover und nicht allein die Landeshauptstadt beziehen. Man ermittelt also nicht nur räumliche Verteilungsmuster innerhalb der Stadtgrenzen, sondern bezieht auch den gesamten Verflechtungsraum des Umlandes mit ein.

In der offiziellen Analyse der Wahlen vom 25. Mai 2014 haben sich die Stadt- und Wahlstatistiker der Region Hannover auf die Entscheidung über den zukünftigen Regionspräsidenten konzentriert, also ihren zukünftigen obersten Chefs. Die Ergebnisse der geichzeitig durchgeführten Europawahl werden hingegen nur kurz als Vergleichsdaten angeführt.


Dabei bezeichnen die Wahlstatistiker das Ergebnis von 4,6 % für die Kandidatin der AfD als „Überraschung“, da eine Bewerberin der AfD „erstmals zu einer Wahl“ in der Region Hannover antrat und die AfD bei der Bundestagswahl 2013 „in der Stadt Hannover als neue Partei aus dem Stand 3,5 Prozent und in den Umlandgemeinden 3,9 Prozent der Stimmen erzielen“ konnte. Trotz der extrem schlechten Wahlchancen bei dieser Wahl konnte die AfD also ihr Ergebnis, das sie ein gutes halbes Jahr zuvor erzielt hat, deutlich verbessern.(Hannover, S. 9)


AfD-Stimmenanteile am 25. Mai 214 in verschiedenen Hannoveraner Quartierstypen (in %)


Hannoveraner Quartierstyp Europawahl 2014
Regionspräsidentenwahl
Privilegierte Stadtteile
6,2
3,6
Benachteiligte Stadtteile
5,6
5
Sozial gesicherte Stadtteile im Westen
5,6
4,6
Sozial gesicherte Stadtteile im Osten
5,3
4,2
Quelle: Hannover, S. 44f.

An ein und demselben Tag haben sich die Wähler gegenüber der AfD in den Hannoveraner Gebietstypen recht unterschiedlich verhalten Während die aussichtslose Kandidatin für das Amt des Regionspräsidenten in den privilegierten Stadtteilen besonders schlecht abgeschnitten hat, konnte die AfD hier bei der Europawahl mit 6,2 % ihr bestes Ergebnis erreichen. Man muss daher vermuten, dass sich hier potenzielle AfD-Wähler auch strategisch entschieden haben. Damit dürften die Wähleranteile der Kandidatin weniger über die Größe der AfD-Anhängerschaft aussagen als die bei der Europawahl.

Der Kommentar der Wahlstatistiker stellt hingegen eher einen Zusammenhang zwischen einer Stimmabgabe für die AfD-Kandidatin und dem Wohnen in einem sozial benachteiligten Gebiet herus. So wir darauf verwiesen, dass sie „in den Stadtteilen mit geringer Wahlbeteiligung die besten Ergebnisse“ erzielte. Als Beispiel wird dabei auf Stöcken verwiesen, „einen Stadtteil, der besonders stark durch Deindustrialisierungsprozesse geprägt ist, einen hohen Anteil an Arbeitern und auch an Arbeitslosen aufweist und in dem Frau Tischler mit 7 Prozent ihr stadtweit stärkstes Ergebnis erzielen“ konnte.

Für die Analyse der Umland-Wahlergebnisse benutzen die Wahlforscher zwei Typisierungen, wobei im ersten Fall die räumliche Lage und die Verdichtung, im zweiten der familiale und der soziale Status der Gemeinden als Abgrenzungskriterien fungieren.



Anteile der AfD-Kandidatin (in %) bei der Wahl des Regionspräsidenten in geografischen Ortstypen des Hannoveraner Umlandes

Umlandtyp
AfD-Anteil
Mit Hannover verflochtene Kernstädte und verdichtete Gemeinden
4,9
Äußere Kernstädte und verdichtete Ortsteile
5,2
Übrige Ortsteile im Norden und Südwesten
4,6
Übrige Ortsteile im Osten, Westen und Süden
4,9
Quelle: Hannover, S. 80f.
Auch wenn die Unterschiede zwischen den Typen nicht stark ausgeprägt sind, wird ein Anstieg der AfD-Anteile zum Rand der Region hin deutlich, wobei sich diese Konzentration auf die Kernstädte und andere verdichtete Ortsteile beschränkt, aber nicht für die traditionelle Streusiedlung im dünner besiedelten ländlichen Raum gilt.


Stimmenanteil der AfD (in %) bei der Europa- und der Regionspräsidentenwahl 2014

Umlandtyp Europawahl
Regionspräsiden-tenwahl
Städte in benachteiligter sozialer Lage
6,0
4,7
Demografisch ältere Städte in gesicherter sozialer Lage
6,1
4,8
Städte und Gemeinden in privilegierter sozialer Lage
5,9
4,8
Familienzentrierte Städte und Gemeinden in gesicherter sozialer Lage
6,1
5,2
Quelle: Hannover, S. 32f.

Auch bei einer groben Typisierung der Umlandgemeinden nach dem sozialen und familialen Status werde für diese in sich relativ heterogenen Raumeinheiten nur geringe Unterschiede sichtbar. Allerdings wird, wenn auch nur mit wenigen Zehntel Prozentpunkten bestätigt, dass die AfD vor allem „familienzentrierte“ Wähler in „demografisch älteren Städten“ anspricht, sie sich in einer gesicherten, aber keiner privilegierten sozialen Lage befinden.



Quellen:

Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hg.), Wahl der Abgeordneten des 8. Europäischen Parlaments am 25. Mai 2014. Vorläufiges Ergebnis Berlin. 

Wählerverhalten und soziales Umfeld – eine Aggregatdatenanalyse, Berlin 2014
Bangel, Christian, Alternative für Deutschland. Pforzheim und seine Fremden, in: Die Zeit vom 30.5.2014.

Bürzle, Marcus, Warum Augsburg eine Hochburg der AfD ist, in: Augsburger Allgemeine vom 27.5.2014.

Elmer, Christina und Hebel, Christina, Analyse zur Europawahl. Das sind die Hochburgen der AfD, in: Der Spiegel vom 26. 5. 2014.

Hebel, Christina, Meiritz, Annett und Sayami, Hanz (Grafik), Wahlverhalten: AfD punktet bei Jung und Alt, in : Der Spiegel vom 25.5.2014.


Keller, Gabriela, In der Hochburg der AfD. Frust in der Oberlausitz, in taz vom 22.5.2014.

Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Kommunalwahlen am 25. Mai 2014. Analyse der vorläufigen Ergebnisse, Düsseldorf 2014 (Statistische Informationen 289).

Landeshauptstadt Hannover u.a. (Hg.), Die Wahl der Regionspräsidentin oder des Regionspräsidenten in der Region Hannover und die Wahlen der Bürgermeisterinnen oder der Bürgermeister in 12 regionsangehörigen Städten und Gemeinden, Hannover 2014.

NN, Die AfD gewinnt vor allem in den Städten, in: Augsburger Allgemeine vom 26.5.2014.

Stadt Nürnberg. Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth (Hg), Europawahl 2014, Nürnberg 2014 (Nachtheft vom 25.05.14 (W196)).

Stadt Oberhausen. Bereich Statistik und Wahlen (Hg.), Kommunalwahlen und Europawahl am 25. Mai 2014. Ergebnisse und Analyse. Stand: 30. Mai 2014, Oberhausen 2014 (Het 50, Beiträge zum Wahlgeschehen)